Mitarbeiteroptionen, Gewährung durch Muttergesellschaft: Verpflichtet sich die Muttergesellschaft gegenüber Arbeitnehmern einer Tochtergesellschaft zur Gewährung von Aktienoptionen und sonstigen Vorteilen, handelt sie in Erfüllung dieser Verpflichtung nicht als bloße Leistungsmittlerin. - Urt.; BFH 4.4.2006, VI R 11/03; SIS 06 30 04
I. Streitig ist die Verpflichtung zum
Lohnsteuerabzug.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine zum X-Konzern gehörende Gesellschaft
ausländischen Rechts, die in Deutschland eine
Betriebsstätte unterhält und zur Durchführung ihrer
Aufgaben (Beratung und Dienstleistungen für andere
X-Gesellschaften) für befristete Zeit von ausländischen
X-Gesellschaften in das Inland entsandte Arbeitnehmer (sog. Foreign
Service Employees - FSE - ) beschäftigte. Muttergesellschaft
der Klägerin ist die Y. Die ursprünglichen
Arbeitsverträge der entsandten Mitarbeiter mit der jeweiligen
ausländischen X-Gesellschaft wurden für die Zeit der
Entsendung nicht aufgehoben.
Y räumte den FSE Optionen auf den
Bezug von Aktien oder entsprechender Aktienwertsteigerungsrechte
ein. Darüber hinaus gewährte Y den ausländischen
Mitarbeitern - auch während ihrer Tätigkeit für die
Klägerin - Zuschüsse zu einem Spar- und Aktienkaufplan
(SSIP). Dabei handelt es sich um eine Art
Vermögensbildungsplan für Zwecke der betrieblichen
Altersversorgung, an dem sich die ausländischen Mitarbeiter
aufgrund eigener Entscheidung beteiligen konnten. Die Mitarbeiter
konnten bis zu 10 v.H. ihres Jahresgrundgehalts
zulagebegünstigt sparen. Sie erhielten auf ihre monatlichen
Einzahlungen von der Y einen Zuschuss in Höhe von 60
v.H.
Im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin vertrat
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Auffassung, die Klägerin habe die im Zeitpunkt der
Ausübung der Optionsrechte zufließenden geldwerten
Vorteile und die Zuschüsse von Y zu den Einzahlungen zum SSIP
zu Unrecht nicht dem Lohnsteuerabzug unterworfen. Das FA nahm die
Klägerin im Schätzungswege in Haftung.
Durch die Einspruchsentscheidung setzte das
FA die Lohnsteuer-Haftungsbeträge auf ... DM fest.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Das Urteil ist in EFG 2003, 571 = SIS 03 23 44 abgedruckt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Die Verpflichtung für die
Klägerin zum Lohnsteuereinbehalt ergebe sich sowohl aus §
38 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als auch aus
§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist nicht begründet. Das
FG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin nicht zur
Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet war.
a) Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) kann derjenige, der kraft Gesetzes
für eine fremde Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in
Anspruch genommen werden. Im Rahmen des Lohnsteuer-Abzugsverfahrens
haftet der Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1
EStG dafür, dass die von seinen Arbeitnehmern geschuldete
Lohnsteuer einbehalten und an das FA abgeführt wird (§ 38
Abs. 3 EStG). Gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die
Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitslohn zu erheben, sofern dieser
vom Arbeitgeber gezahlt wird. Arbeitslohn, der nicht vom
Arbeitgeber gezahlt wird, unterliegt nur dann dem Lohnsteuerabzug,
wenn er im Rahmen des Dienstverhältnisses üblicherweise
von einem Dritten für eine Arbeitsleistung gezahlt wird
(§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG in der in den Streitjahren geltenden
Fassung - EStG a.F. - ). Beide Alternativen sind im Streitfall
nicht gegeben. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob, wie vom
FG angenommen, die Klägerin als aufnehmendes Unternehmen
Arbeitgeberin der entsandten Arbeitnehmer war (zur Frage der
Arbeitgebereigenschaft bei einer Konzerngesellschaft vgl. Urteil
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.2.2004 VI R 122/00, BFHE 205,
216, BStBl II 2004, 620 = SIS 04 18 34; zum abkommensrechtlichen
Arbeitgeberbegriff vgl. BFH-Urteil vom 25.2.2005 I R 46/03, BFHE
209, 241, BStBl II 2005, 547 = SIS 05 25 20).
b) Die strittigen Zuwendungen sind nicht
entsprechend § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG von der Klägerin,
sondern von der Muttergesellschaft, der Y, geleistet worden. Es
handelt sich entgegen der Auffassung des FA insoweit nicht um
unechte Lohnzahlungen eines Dritten.
Eine sog. unechte Lohnzahlung eines Dritten
ist dann anzunehmen, wenn der Dritte lediglich als Leistungsmittler
fungiert. Der Arbeitgeber muss den von einem Dritten in
Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis geleisteten Arbeitslohn
selbst der Lohnsteuer unterwerfen, wenn der Dritte in die Zahlung
als Leistungsmittler des Arbeitgebers eingeschaltet ist. Der den
Dritten als Leistungsmittler einsetzende Arbeitgeber bleibt der den
Arbeitslohn Zahlende. Der Dritte ist bloßer Leistungsmittler,
wenn er nur die Stellung einer Kasse des Arbeitgebers hat oder im
Auftrag des Arbeitgebers handelt (BFH-Urteile vom 30.5.2001 VI R
123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 = SIS 01 12 14; vom
21.2.2003 VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496 = SIS 03 23 15).
Im Streitfall kann dahinstehen, ob im Hinblick
auf die eigenen rechtlichen Beziehungen zwischen den FSE und Y die
Zuwendungen aus Sicht von Y im Zusammenhang mit einem
Dienstverhältnis zur Klägerin standen und sich für
die Arbeitnehmer überhaupt als Frucht ihrer Arbeit für
die Klägerin darstellten (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24.1.2001 I
R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl II 2001, 509 = SIS 01 08 94). Denn Y
hatte nicht die Stellung einer Leistungsmittlerin. Diese kam
vielmehr mit den Zuwendungen jeweils einer eigenen rechtlichen
Verpflichtung gegenüber den FSE nach. Der Anspruch der
Arbeitnehmer auf Gewährung von Aktienoptionen bzw. auf
Zuschüsse zu dem SSIP richtete sich nicht gegen die
Klägerin, sondern ausschließlich gegen Y (vgl.
BFH-Beschluss vom 23.7.2001 VI B 63/99, BFH/NV 2001, 1557 = SIS 01 81 32). Schließt der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über
die Gewährung von Aktienoptionen oder sonstigen geldwerten
Vorteilen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen
Konzernunternehmen ab, so können Ansprüche aus dieser
Vereinbarung nur gegenüber dem vertragsschließenden
Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht
Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber. Dies
hat zur Folge, dass die Leistungen, die das andere
Konzernunternehmen - hier: Y - erbringt, ausschließlich
diesem zuzurechnen sind. Es handelt weder als Kasse noch als
Beauftragter des Arbeitgebers.
c) Die Klägerin war auch nicht unter den
Voraussetzungen des § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG a.F. zur
Einbehaltung der Lohnsteuer verpflichtet. Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH unterliegen Drittlöhne nach dieser
Vorschrift dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber u.a. nur dann,
wenn dieser in den Vorgang der Vorteilsgewährung eingeschaltet
war oder die Arbeitnehmer ihn über die Vorteile unterrichtet
haben (BFH-Urteile in BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230 = SIS 01 12 14; in BFHE 201, 300, BStBl II 2003, 496 = SIS 03 23 15; vom
24.1.2001 I R 119/98, BFHE 195, 110, BStBl II 2001, 512 = SIS 01 08 95; vom 24.10.1997 VI R 23/94, BFHE 184, 474, BStBl II 1999, 323 =
SIS 98 03 48; Portner, DStR 2001, 1331; Schmidt/Drenseck, EStG, 25.
Aufl., § 38 Rz. 10). Das war hier nach den den Senat bindenden
(§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - )
Feststellungen des FG nicht der Fall. Im Übrigen teilt der
Senat die Auffassung der Klägerin, dass es sich bei den
streitigen Zuwendungen nicht um
„üblicherweise“ von einem Dritten für
ein Arbeitsverhältnis gezahlten Arbeitslohn handelt (§ 38
Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.; vgl. dazu Senatsentscheidung in BFH/NV
2001, 1557 = SIS 01 81 32; Thomas, DStZ 1999, 710, 714).