Teilamortisations-Leasingvertrag, Verwertungsbefugnis, GrESt: Ein Leasingvertrag begründet keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn dem Leasingnehmer lediglich des Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen. - Urt.; BFH 15.3.2006, II R 28/04; SIS 06 30 00
I. Am 14.12.1998 schloss die Klägerin
und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit einer
Wirtschaftsförderungsgesellschaft GmbH (WFG), deren
Gesellschafter kommunale Gebietskörperschaften sind, einen
„Public-Leasing-Vertrag“ (Leasing-Vertrag). Durch
diesen Vertrag verpflichtete sich die WFG, auf einem
Grundstück, das sie am gleichen Tag erworben hatte, nach den
Wünschen und Vorstellungen der Klägerin gewerblich
nutzbare Gebäude (Leasingobjekt) zu errichten, und zwar
ausgehend von einer voraussichtlichen Gesamtinvestitionssumme in
Höhe von netto ca. 2.200.000 DM. Während der - ohne
Verlängerungsoption - vereinbarten Leasingdauer von 15 Jahren
hatte die WFG der Klägerin das Leasingobjekt zur
uneingeschränkten, durch Kündigung nicht entziehbaren
Nutzung zu überlassen. Die Klägerin sollte sowohl
hinsichtlich des Grundstücks als auch hinsichtlich der
Gebäude wirtschaftliche Eigentümerin mit allen damit
verbundenen Rechten und Pflichten werden.
Der Berechnung der Leasingraten
während der Vertragslaufzeit wurde eine 65%ige Tilgung der
Leasingsumme zu Grunde gelegt (Teilamortisation). Nach dem Vertrag
hatte die Klägerin der WFG eine Sonderzahlung in Höhe von
3,5 % der Investitionssumme und bis zur Übergabe des
Gebäudes eine sog. Vormiete zu leisten. Von dem auf die
Übergabe des Leasingobjekts folgenden Monat an war
nachschlüssig eine Leasingrate zu entrichten. Die monatliche
Leasingrate errechnete sich nach Maßgabe der
Refinanzierungskonditionen der WFG zuzüglich eines Gewinn- und
Risikoaufschlages. Für die Berechnung der Vormiete und der
Leasingraten sollten die Gesamtinvestitionskosten maßgeblich
sein. Hierzu zählten sämtliche nachweisbaren
aktivierungsfähigen Bruttoanschaffungs- und Herstellungskosten
einschließlich Erwerbsnebenkosten, öffentliche
Gebühren, Versicherungsbeiträge, die
Zwischenfinanzierungskosten, die Bereitstellungsgebühren, die
Kosten für die Beseitigung von Bodenverunreinigungen,
Altlasten oder Kampfmitteln, die von der WFG zu zahlende
Grunderwerbsteuer sowie alle Vorleistungen für das
Grundstück, unabhängig davon, wann sie entstanden sind,
sowie alle Kosten für behördliche Dienstleistungen
für den Vertrag abzüglich der öffentlichen
Zuschüsse.
Der Klägerin wurde das Recht
eingeräumt, sechs Monate vor Ablauf des Leasingvertrages den
Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt zum Preis
von 35 % der Gesamtinvestitionskosten verlangen zu können
(Ankaufsrecht). Das Recht sollte auch von einem von der
Klägerin zu benennenden Dritten ausgeübt werden
können. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf
Eigentumsübertragung war eine Eigentumsvormerkung an
rangbereiter Stelle ins Grundbuch einzutragen.
Durch Bescheid vom 9.6.1999 setzte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) gegen die
Klägerin durch Schätzung auf der Grundlage der geplanten
Gesamtinvestitionskosten von 2.200.000 DM Grunderwerbsteuer in
Höhe von 77.000 DM zunächst vorläufig und mit
Einspruchsbescheid vom 26.9.2000 endgültig fest.
Der hiergegen eingelegten Klage gab das
Finanzgericht (FG) mit dem in EFG 2004, 1787 = SIS 04 14 96
veröffentlichten Urteil im Wesentlichen mit der
Begründung statt, der Klägerin sei keine einem
Eigentümer wirtschaftlich vergleichbare Stellung, sondern
lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt worden. Dies folge
insbesondere daraus, dass der Klägerin lediglich ein
Ankaufsrecht in der Form eines Rechts auf Abschluss eines
Kaufvertrages zum Ablauf des Leasingvertrages zustehe.
Mit der Revision beantragt das FA, das
Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Hilfsweise beantragt es, die Sache an das FG
zurückzuverweisen, damit dieses Feststellungen zur
zutreffenden Höhe der Bemessungsgrundlage treffen
kann.
Die Klägerin hat sich nicht
geäußert.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass
ein Leasingvertrag eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs.
2 GrEStG nicht begründet, wenn dem Leasingnehmer lediglich das
Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den
Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem
Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis)
herbeizuführen.
a) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der
Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne
Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen
rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein
inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten.
Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn es einem Dritten
(Nichtgrundstückseigentümer) ohne Begründung eines
Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht
wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein
Eigentümer zu verfügen, d.h. dass er es besitzen,
verwalten, nutzen, belasten und schließlich
veräußern kann, und sich diese Maßnahmen
wirtschaftlich zugunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken.
Dabei ist es nicht erforderlich, dass dem Dritten jeweils alle
für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte
übertragen werden (vgl. jeweils m.w.N. BFH-Urteile vom
5.2.2003 II R 15/01, BFH/NV 2003, 818 = SIS 03 24 73; vom 30.9.1998
II R 13/96, BFH/NV 1999, 666 = SIS 98 56 01; vom 17.1.1996 II R
47/93, BFH/NV 1996, 579 = SIS 96 14 20).
Der Erwerb der Verwertungsbefugnis setzt
regelmäßig voraus, dass der Berechtigte nicht nur
besitz- und nutzungsberechtigt, sondern auch an der Substanz des
Grundstücks in dem Sinne beteiligt ist, dass er an der ganzen
Substanz des Grundstücks seinem Wert nach soll teilhaben,
gegebenenfalls also auch die Substanz soll angreifen können.
Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen die
Verwertungsbefugnis hervorgeht, müssen gleichzeitig und in
einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestehen
(BFH-Urteil vom 27.1.1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51, BStBl III 1965,
265 = SIS 65 01 55).
b) Durch das der Klägerin vertraglich
eingeräumte Recht, den Abschluss eines Kaufvertrags und damit
- grundbuchmäßig abgesichert - die
Übereignungspflicht herbeizuführen, war die Klägerin
zu dem für die Ausübung des Ankaufsrechts vorgesehenen
Zeitpunkt zwar in der Lage, über das Grundstück zu
verfügen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818 = SIS 03 24 73;
in BFH/NV 1996, 579 = SIS 03 24 73; vom 12.12.1973 II R 29/69, BFHE
111, 360, BStBl II 1974, 251 = SIS 74 01 41). Hiergegen spricht
entgegen der Auffassung des FG nicht, dass die Klägerin ggf.
auf Abschluss des Kaufvertrages klagen müsste; denn der
wirtschaftliche Gehalt des Leasingvertrages ist nicht nach den
Folgen seiner Nichtbeachtung, sondern denen seiner Beachtung, also
nach vertragsgemäßem Handeln zu beurteilen. Soweit das
FG in diesem Zusammenhang einen unmittelbaren
Übereignungsanspruch der Klägerin für erforderlich
hält, verkennt es, dass bei einem solchen im Leasingvertrag
schon begründeten, unmittelbaren Übereignungsanspruch
nicht mehr vom Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG, sondern des
§ 1 Abs. 1 GrEStG auszugehen wäre (vgl. BFH-Urteile in
BFH/NV 2003, 818 = SIS 03 24 73; in BFH/NV 1996, 579 = SIS 03 24 73, und vom 3.12.1975 II R 122/70, BFHE 118, 89, BStBl II 1976, 299
= SIS 76 01 59).
Die Klägerin hatte aber trotz dieses
Ankaufsrechts keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2
GrEStG. Sie war nicht an der Substanz des Grundstücks in dem
Sinne beteiligt, dass sie an der ganzen Substanz des
Grundstücks seinem Wert nach sollte teilhaben, gegebenenfalls
also auch die Substanz sollte angreifen können. Sie war nicht
in der Lage, die Verwertung des Grundstücks selbst
herbeizuführen und damit das Grundstück letztlich nach
eigenem Belieben zu verwerten (vgl. BFH-Urteil vom 10.3.1999 II R
35/97, BFHE 188, 444, BStBl II 1999, 491 = SIS 99 12 10). Eine
solche Verwertungsmöglichkeit hat der BFH insbesondere dann
angenommen, wenn der Leasingnehmer jederzeit die Übereignung
des Grundstücks herbeiführen und sich dadurch den
etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks verschaffen kann (vgl.
BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818 = SIS 03 24 73; in BFH/NV 1996, 579
= SIS 03 24 73; in BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251 = SIS 99 18 54). Kann der Leasingnehmer dagegen - wie im Streitfall - die
Übereignungsverpflichtung erst zum Ablauf des Leasingvertrages
herbeiführen, besteht diese Verwertungsmöglichkeit nicht
(ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004,
§ 1 Anm. 75). Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen
sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestehen in einem solchen Fall
nicht gleichzeitig, sondern folgen zeitlich aufeinander (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265 = SIS 99 18 54). Auf
die ertragsteuerliche Zuordnung des Leasingobjektes (vgl.
Bundesminister der Finanzen - BMF - vom 23.12.1991 IV B 2 - S 2170
- 115/91, BStBl I 1992, 13 = SIS 92 02 18 - Ertragsteuerliche
Behandlung von Teilamortisations-Leasing-Verträgen über
unbewegliche Wirtschaftsgüter - ) kann hierbei für die
Grunderwerbsteuer nicht abgestellt werden (vgl. m.w.N. Fischer in
Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002, § 1 Anm.
688).
c) Da der Klägerin eine
Verwertungsbefugnis nicht zukam, hat das FG im Ergebnis zutreffend
entschieden, dass der Leasingvertrag im Streitfall die
tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2
GrEStG nicht erfüllt. Der Grunderwerbsteuer unterliegt
vielmehr erst der durch Ausübung des Ankaufsrechts
herbeigeführte Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).
Bei der Ermittlung der Gegenleistung für
diesen Erwerb können neben dem vereinbarten Kaufpreis auch
Teile des Nutzungsentgelts (Leasingsraten) als „sonstige
Leistung“ i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
berücksichtigt werden, soweit dieses Nutzungsentgelt den
Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit
übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im
Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist.
Denn für die Annahme, dass die Leasingraten auch
Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten,
spricht der Umstand, dass die Höhe des vereinbarten
Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten
abhängig ist.