Ausfuhr in Drittland, USt-Befreiung im Billigkeitsweg: Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: - Stehen die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über die Steuerbefreiung bei Ausfuhren in ein Drittland einer Gewährung der Steuerbefreiung im Billigkeitswege durch den Mitgliedstaat entgegen, wenn zwar die Voraussetzungen der Befreiung nicht vorliegen, der Steuerpflichtige deren Fehlen, aber auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte? - Urt.; BFH 2.3.2006, V R 7/03; SIS 06 26 74
I. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um den Erlass von
Umsatzsteuer, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) gegen die Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) wegen des Fehlens der Voraussetzungen für
steuerfreie Ausfuhrlieferungen festgesetzt hat.
Die Klägerin betreibt
Discount-Supermärkte. In den Jahren 1992 bis 1998 erstattete
sie folgende Umsatzsteuerbeträge (gerundet) an ihre
Kunden:
1992
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10.000 DM,
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1993
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57.000 DM,
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1994
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58.000 DM,
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1995
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57.000 DM,
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1996
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125.000 DM,
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1997
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90.000 DM,
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1998
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183.000 DM.
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Betriebsintern hatte sie festgelegt, dass
sie die Umsatzsteuer im nichtkommerziellen Reiseverkehr nur
erstattet, wenn sich der Stempelaufdruck hälftig auf dem Bon
und dem Zollformular befindet und der ausländische Bürger
seinen Pass vorlegt. Diese Regelungen führte sie vor dem
Erscheinen des Merkblatts des Bundesministeriums der Finanzen - BMF
- (IV D2 S -7133- 4/99) zur Umsatzsteuerbefreiung für
Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr vom 18.3.1999
(BStBl I 1999, 289 = SIS 99 09 27) ein, in dem Empfehlungen
für den Nachweis der Ausfuhr im nichtkommerziellen
Reiseverkehr enthalten sind.
Die Leiterin der Buchhaltung und der
Verwaltungsleiter der Klägerin suchten am 12.8.1998 das
Hauptzollamt (HZA) Neubrandenburg auf, um festzustellen, ob der
häufig auftretende Zollstempel Nr. 73 und die dazu
gehörenden Papiere der Zollbehörde gefälscht waren.
Nachdem die Gesprächspartnerin im HZA die Stempel für
echt gehalten hatte, informierte das HZA am 29.9.1998 den
Verwaltungsleiter der Klägerin, die von der Klägerin
übergebenen Unterlagen seien nach nochmaliger Prüfung als
gefälscht erkannt worden. Die Angelegenheit wurde sodann der
Steuerfahndungsstelle übergeben. Diese ermittelte mit Hilfe
sog. Stempelfolien, dass ein erheblicher Teil der Ausfuhrnachweise
in den Jahren 1993 bis 1998 von polnischen Staatsbürgern
nachgefertigt worden bzw. die Ausfuhrnachweise mit einem falschen
Zollstempel versehen worden waren. Die Steuerfahndungsstelle
stellte fest, dass die polnischen Staatsbürger Einkäufe
und Ausfuhren vorspiegelten, indem sie liegen gebliebene Kassenbons
auf den Parkplätzen, in den Einkaufskörben und den
Papierkörben der Supermärkte einsammelten, zum Teil mit
gefälschten Vordrucken und gefälschten Zollstempeln
Ausfuhrnachweise „fertigten“, diese mit Namen und
Anschrift des jeweiligen polnischen Staatsbürgers versahen und
die Erstattung der Umsatzsteuer von der Klägerin beantragten
und gewährt bekamen.
Mit (geänderten)
Umsatzsteuerbescheiden vom 11.10.1999 für die Jahre 1993 bis
1997 und Vorauszahlungsbescheid vom 12.11.1999 für den Monat
Dezember 1998 setzte das FA daraufhin Umsatzsteuer fest.
Den von der Klägerin beantragten
Erlass der nachgeforderten Umsatzsteuer für die Jahre 1993 bis
1998 lehnte das FA mit Bescheid vom 14.2.2000 ab. Der Einspruch
dagegen hatte zum Teil Erfolg. Das FA erließ die
Umsatzsteuernachforderung für die Jahre 1993 und 1994, weil
für diese Jahre eine Betriebsprüfung durchgeführt
worden war und die Steuerbescheide nicht mehr hätten
geändert werden dürfen. Die Zinsen (1993 bis 1997)
erließ das FA, weil der Klägerin nur ein fiktiver
Liquiditätsvorteil entstanden war.
Im Übrigen wies das FA mit
Einspruchsentscheidung vom 3.5.2000 den Einspruch zurück. Zur
Begründung führte es aus, die Einziehung sei nicht
sachlich unbillig. Die Klägerin schulde die Steuer, da sie
keinen ordnungsgemäßen Ausfuhrnachweis habe erbringen
können. Die Durchsetzung des Anspruches aus dem
Steuerschuldverhältnis unter den besonderen Umständen des
Einzelfalles laufe den gesetzlichen Wertungen nicht
zuwider.
Der Zeitraum von 1993 bis 1998, in dem die
Klägerin nicht bemerkt habe, dass ein erheblicher Teil der
Ausfuhrpapiere von polnischen Staatsbürgern nachgefertigt und
mit einem falschen Zollstempel versehen worden sei, sei lang
andauernd. Zudem sei die Erstattung von Umsatzsteuer in Höhe
von 223.390 DM an polnische Staatsbürger ein erheblicher
Schaden. Der Schaden sei nicht durch die falsche Auskunft der
Zollbehörden verursacht worden. Die Maßnahmen, die die
Klägerin ergriffen habe, hätten nicht ausgereicht. Bei
angemessener Sorgfalt hätte ein über Jahre andauernder
Betrug verhindert werden können. Zwar seien die Vorschriften
des § 8 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV)
eingehalten worden, der Echtheit der abgestempelten
Ausfuhrnachweise sei jedoch zu wenig Bedeutung geschenkt worden.
Erst nach Jahren sei den aufgekommenen Zweifeln nachgegangen
worden.
Die Klägerin müsse sich zurechnen
lassen, dass sie die ungerechtfertigte Auszahlung der Umsatzsteuern
mit verschuldet habe, auch wenn durch ihr bedachtes Handeln
weiterer Schaden verhindert worden sei. Die Umsatzsteuer könne
zurückgefordert werden, auch wenn die Klägerin wesentlich
zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen habe. Dieser
Tatbestand müsse nur im strafrechtlichen Prozess positiv
bedacht werden, für einen Erlass der gesamten Umsatzsteuern
reiche dies jedoch nicht. Eine analoge Anwendung des § 6a Abs.
4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) komme nicht in
Betracht. Dort sei ebenfalls Voraussetzung, dass der Unternehmer
die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Beachtung der
Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Davon
abgesehen handele es sich um keine planwidrige Lücke im
Gesetz. Die Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993
für die innergemeinschaftliche Lieferung beruhe auf der
Überlegung, dass die Steuerforderungen im EU-Binnenmarkt
leichter realisierbar seien als bei Lieferungen in Drittstaaten,
die dem § 6 UStG 1993 unterliegen.
Die auf den Erlass der
Umsatzsteuernachforderungen nach § 227 der Abgabenordnung (AO
1977) für die Jahre 1995 bis 1998 gerichtete Klage blieb ohne
Erfolg (vgl. SIS 03 21 43). Hiergegen wendet sich die Klägerin
mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision. Zu deren
Begründung trägt sie vor, das Urteil des FG verletze
materielles Recht und Verfahrensrecht. Das FG hätte die
Lieferungen an polnische Abnehmer in analoger Anwendung des §
6a Abs. 4 UStG 1993 als steuerfrei behandeln müssen.
Im Übrigen seien die Voraussetzungen
einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen
nach § 163 Satz 1 AO 1977 gegeben.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die Umsatzsteuer für die Jahre 1995 bis 1998
(wie geltend gemacht) niedriger festzusetzen.
Das FA ist der Revision
entgegengetreten.
II. Der Senat legt dem Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die vorangestellte Frage
zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren
bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
Nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG 1993 sind
von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 fallenden
Umsätzen u.a. die Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG 1993)
steuerfrei.
Eine Ausfuhrlieferung liegt gemäß
§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG 1993 vor, wenn bei einer Lieferung der
Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet,
ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG 1993, befördert
oder versendet hat und ein ausländischer Abnehmer ist.
Gemäß § 6 Abs. 4 UStG 1993
müssen die Voraussetzungen u.a. des Abs. 1 vom Unternehmer
nachgewiesen werden. Das BMF kann mit Zustimmung des Bundesrates
durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die Nachweise
zu führen hat.
Das BMF hat von der Ermächtigung des
§ 6 Abs. 4 UStG 1993 in § 8 Abs. 1 UStDV Gebrauch
gemacht. Danach muss bei Ausfuhrlieferungen der Unternehmer im
Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen, dass er
oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das
Drittlandsgebiet befördert oder versendet hat
(Ausfuhrnachweis). Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen
eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.
Für die innergemeinschaftliche Lieferung
sieht § 6a Abs. 4 UStG 1993 eine Vertrauensschutzregelung vor,
die wie folgt lautet:
|
„Hat der Unternehmer eine Lieferung
als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1
nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei
anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf
unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die
Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines
ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall
schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.“
|
Eine entsprechende Vertrauensschutzregelung
sieht das nationale Recht bei der Ausfuhrlieferung in
Drittländer nicht vor.
§ 227 AO 1977 enthält folgende
allgemeine Billigkeitsregelungen:
§ 227 AO lautet:
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„Die Finanzbehörden können
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum
Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls
unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können
bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet
werden.“
|
Wenn - wie hier - die Voraussetzungen der
Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 und Abs.
4 UStG 1993 nicht erfüllt sind, weil der liefernde Unternehmer
vom Abnehmer gefälschte Ausfuhrbelege erhalten hatte, lehnte
es die bisherige deutsche Praxis regelmäßig ab, im
Erlassverfahren die Steuerbefreiung dem Liefernden zuzuerkennen.
Der Senat entschied noch im Beschluss vom 6.5.2004 V B 101/03 (BFHE
205, 416, BStBl II 2004, 748 = SIS 04 23 47), dass der deutsche
Gesetzgeber die Einführung der Vertrauensschutzregelung in
§ 6a Abs. 4 UStG 1993 für die innergemeinschaftliche
Lieferung nicht als Anlass zu einer entsprechenden Ergänzung
der Regelungen über die Befreiung für Ausfuhrlieferungen
in Drittstaaten (§ 6 UStG 1993) genommen habe und dass eine
entsprechende Anwendung der Vertrauensschutzregelung für die
Ausfuhrlieferung also ersichtlich nicht vorgesehen sei. Er lehnte
daher eine Revisionszulassung zur Klärung der Frage ab. Die
Verwaltung und das überwiegende Schrifttum verfahren
entsprechend. Darauf hat die Klägerin in ihrer
Revisionsbegründung hingewiesen.
Der Senat hält es aber im Hinblick auf
den auch im Steuerrecht allgemein geltenden Grundsatz des
Vertrauensschutzes für zweifelhaft, ob die Steuerfreiheit
einer Ausfuhrlieferung auch dann regelmäßig versagt
werden darf, wenn der liefernde Unternehmer die Fälschung des
Ausfuhrnachweises, den der Abnehmer ihm vorlegt, auch bei Beachtung
der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hat erkennen
können.
2. Zur Anrufung des EuGH
Nach Art. 15 Nr. 2 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) befreien die Mitgliedstaaten Lieferungen von
Gegenständen, die durch den nicht im Inland ansässigen
Abnehmer oder für dessen Rechnung nach Orten außerhalb
der Gemeinschaft versandt oder befördert werden (nur) unter
den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten
und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung
von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen
Missbräuchen festsetzen.
Auch für das Mehrwertsteuerrecht der
Richtlinie 77/388/EWG gilt nach der Rechtsprechung des EuGH der
Grundsatz des Vertrauensschutzes (Schutz des guten Glaubens). Im
Urteil vom 19.9.2000 C-454/98, Schmeink & Cofreth, Manfred
Strobel (Slg. 2000, I-6973, BFH/NV Beilage 2001, 33 = SIS 00 12 77)
hat der EuGH auf sein Urteil vom 13.12.1989 Rs. C-342/87, Genius
Holding (Slg. 1989, 4227 RandNr. 18) hingewiesen, demzufolge es
Sache der Mitgliedstaaten ist, die Geltung des Grundsatzes der
Neutralität der Mehrwertsteuer dadurch zu gewährleisten,
dass sie in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen, dass jede zu
Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann, wenn
der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweist.
Für die bereits angesprochene
Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993 bei
innergemeinschaftlichen Lieferungen zugunsten des liefernden
Unternehmers gibt es zwar - wie bereits ausgeführt - keine
ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Der
deutsche Gesetzgeber bezog sich aber auf die
Protokollerklärung zur Ratstagung am 16.12.1991 zu Art. 28c
Teil A der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der sog.
Binnenmarkt-Richtlinie 91/680/EWG vom 16.12.1991:
Die Protokollerklärung lautet:
|
„Der Rat und die Kommission
erklären, dass die Anwendung der Bestimmungen der
Übergangsregelung auf keinen Fall zur Folge haben darf, dass
die Befreiung nach Artikel 28c Buchstabe A verweigert wird, wenn
sich nachträglich herausstellt, dass der Erwerber materiell
falsche Angaben gemacht hat, während der Steuerpflichtige die
erforderlichen Maßnahmen ergriffen hat, um bei Lieferungen
seines Unternehmens einer inkorrekten Anwendung der
MwSt-Vorschriften vorzubeugen.“
|
Es handelt sich um Erwägungen, die in
erster Linie der Herstellung eines einheitlichen
Binnenmarktes dienen und dem Lieferer die
Umsatzsteuerbefreiung bei einer
„grenzüberschreitenden“ Lieferung in einen
anderen Mitgliedstaat sichern sollen. Der erwähnte Schutzzweck
für das gemeinsame Mehrwertsteuersystem im Binnenmarkt (das
ohne Grenzzollstellen durch die Unternehmer selbst kontrolliert
werden soll) fehlt bei Ausfuhrlieferungen in Drittstaaten.
Dies könnte der Gewährung von Vertrauensschutz für
den Unternehmer, der die Voraussetzungen der Ausfuhrbefreiung
aufgrund falscher Angaben seines Abnehmers nicht erfüllt,
entgegengehalten werden.
Andererseits steht der leistende Unternehmer
auch bei solchen Ausfuhren von einer mit dem innergemeinschaftlich
Liefernden vergleichbaren Situation, wenn die für die
Befreiung erforderliche Mitwirkung des Abnehmers - hier die Vorlage
des Ausfuhrnachweises (Beleg der Zollstelle) manipuliert ist und
der leistende Unternehmer die Unrichtigkeit dieser
„Angabe“ des Abnehmers auch bei Beachtung der
Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Soweit
die deutsche Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG 1993
noch den Satz 2 enthält: „In diesem Fall schuldet der
Abnehmer die entgangene Steuer“, handelt es sich wohl um
eine folgerichtige Aussage, die aber in der Praxis nur
deklaratorische Wirkung haben kann und - mangels Kontrolle der
Vollziehung im Empfängerstaat - leer laufen dürfte.
Für analoge Fälle bei Zöllen
und Herkunftsbescheinigungen hat dagegen nach der Rechtsprechung
des EuGH auch der gutgläubige Händler die Folgen der
Nichterweislichkeit bzw. Nichterfüllung der Voraussetzungen zu
tragen (vgl. EuGH-Urteile vom 14.5.1996 Rs. C-153/94 und Rs.
C-204/94, Faroe Seafood Co. Ltd. u.a., Slg. 1996, I-2465, wonach
auch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nur unter
besonderen Voraussetzungen die Berufung auf Vertrauensschutz
rechtfertigt; vom 17.7.1997 Rs. C-97/95, Pascoal et Filhos, Slg.
1997, I-4209). Des Weiteren bestimmt für den Erlass von
Eingangsabgaben Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1430/79 des
Rates vom 2.7.1979 über die Erstattung oder den Erlass von
Eingangs- oder Ausfuhrabgaben (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 175, 1) in der durch Art. 1 Nr. 6
der Verordnung (EWG) Nr. 3069/86 des Rates vom 7.10.1986 (ABlEG Nr.
L 286, 1) geänderten Fassung:
|
„Die Eingangsabgaben können ...
bei Vorliegen besonderer Umstände ... erlassen werden, sofern
der Beteiligte nicht in betrügerischer Absicht oder
offensichtlich fahrlässig gehandelt hat.“
|
Nach Art. 4 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung
(EWG) Nr. 3799/86 der Kommission vom 12.12.1986 zur
Durchführung der Art. 4a, 6a, 11a und 13 der Verordnung Nr.
1430/79 (ABlEG Nr. L 352, 19) gilt als besonderer Umstand i.S. von
Art. 13 der Verordnung Nr. 1430/79 für sich allein nicht
|
„die gutgläubige Vorlage von
Papieren zur Erlangung einer Zollpräferenzbehandlung für
zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldete Waren, wenn sich diese
Papiere später als falsch, gefälscht oder für die
Gewährung einer Zollpräferenzbehandlung ungültig
erweisen“.
|
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH zu
den gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass
von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben stellt das Vertrauen in die
Gültigkeit von Ursprungszeugnissen, die sich als falsch,
gefälscht oder ungültig erweisen, als solches keinen
besonderen Umstand (im Sinne der einschlägigen Regelung, vgl.
folgend) dar, weil nachträgliche Kontrollen zu einem
großen Teil nutzlos wären, wenn die Verwendung solcher
Zeugnisse allein einen Erlass rechtfertigen könnten (Urteil
des EuGH vom 13.11.1984 in den verbundenen Rs. 98/83 und 230/83,
Van Gend & Loos/Kommission, Slg. 1984, 3763; s. zuletzt auch
Gericht erster Instanz - Dritte Kammer -, Urteil vom 11.7.2002 Rs.
T-205/99, Hyper Srl, Slg. 2002, II-3141 = SIS 02 89 99, m.N.).
Jedenfalls hält der Senat die
Beantwortung der Frage, ob - nach Gemeinschaftsrecht - bei
objektivem Fehlen von Befreiungsvoraussetzungen für eine
Ausfuhrlieferung (hier wegen gefälschter Ausfuhrbelege der
Zollstelle) gleichwohl (aus Gründen sachlicher Billigkeit) die
Ausfuhr als befreit angesehen werden kann, wenn der leistende
Unternehmer die Unrichtigkeit der vom Abnehmer vorgelegten Belege
auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht
erkennen konnte, für zweifelhaft.
3. Rechtsgrundlage für die Anrufung des
EuGH ist Art. 234 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft.
4. Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.