Auf die Revision der Kläger werden das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 03.02.2021 - 4
K 11006/17 = SIS 21 07 00 und die
Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 02.12.2016 aufgehoben.
Der Einkommensteuerbescheid für 2015 vom
16.08.2016 wird dahin geändert, dass weitere Werbungskosten
bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 949 EUR
berücksichtigt werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten
übertragen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Streitig ist die steuerliche
Berücksichtigung von Fahrtkosten eines Hafenarbeiters, der im
Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bei verschiedenen
Hafeneinzelbetrieben im Hamburger Hafen tätig ist.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden für das Streitjahr (2015) als Eheleute
zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
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Der Kläger war bei der A KG (als
Hafenarbeiter) beschäftigt und erzielte Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit.
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In dem am 03.09.2001 (zunächst auf
zwei Jahre befristet) geschlossenen und seit 09.09.2003 unbefristet
fortgeführten Arbeitsvertrag wird u.a. auf den Rahmenvertrag
für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe sowie die
Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen nebst
sämtlichen Nebenbestimmungen verwiesen. Nach Ziffer 4 des
Vertrags erfolgt der „Arbeitseinsatz in bestimmten Funktionen
beim Arbeitgeber ... im Rahmen des
Direktionsrechtes“. Der Kläger
erklärte „seine unwiderrufliche Zustimmung auch im
Rahmen der A Arbeitnehmerüberlassung tätig zu
werden“. In Ziffer 10 heißt es, der
Arbeitnehmer verpflichte sich, sich „nach Bedarf
gegebenenfalls zu entsprechenden Arbeiten in einer anderen
Abteilung, Betriebsstätte oder in einem
Beteiligungsunternehmen des Arbeitgebers einsetzen zu
lassen“. Außerdem gab der Kläger
„sein unwiderrufliches Einverständnis gem. Absatz 4
Ziff. 2 der Richtlinien zu § 7 der Satzung für den
Gesamthafenbetrieb Hamburg, sich auf Weisung des Arbeitgebers in
anderen Hafeneinzelbetrieben einsetzen zu
lassen“.
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Im Streitjahr wurde der Kläger von
seinem Arbeitgeber an 164 Arbeitstagen an vier verschiedenen Orten
innerhalb des Gebiets des Hamburger Hafens eingesetzt, und zwar an
63 Tagen am Ort Z, an 30 Tagen am Ort Y, an 51 Tagen am Ort X und
an 20 Tagen bei der B KG (Ort W).
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Die arbeitstäglichen Fahrten von
seiner Wohnung zu den jeweils von seinem Arbeitgeber
arbeitstäglich morgens telefonisch zugewiesenen Einsatzstellen
legte der Kläger mit seinem eigenen PKW zurück. Zudem
bescheinigte der Arbeitgeber, dass der Kläger keiner ersten
Tätigkeitsstätte zugeordnet sei.
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In seiner Steuererklärung gab der
Kläger Fahrten von seiner Wohnung zu dem Hafenzugang V als
Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte an und
begehrte den Ansatz der Entfernungspauschale in Höhe von (164
Tage x 51 km x 0,30 EUR/km =) 2.509,20 EUR. Für die Fahrten
innerhalb des Hafengeländes machte er die tatsächlichen
Fahrtkosten in Höhe von (6.708 km x 0,30 EUR/km =) 2.013 EUR
geltend.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) veranlagte die Kläger
erklärungsgemäß.
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Hiergegen legten die Kläger Einspruch
ein. Für die Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzufahrt seien
anstelle der (ursprünglich beantragten) Entfernungspauschale
in Höhe von 2.509,20 EUR die tatsächlichen Kosten in
Höhe von 5.018,40 EUR anzusetzen.
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Das FA wies den Einspruch als
unbegründet zurück.
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Die hiergegen erhobene Klage wies das
Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2021, 748 = SIS 21 07 00 veröffentlichten
Gründen ab. Das FA habe zu Recht keine weiteren Werbungskosten
bei den Einkünften des Klägers aus
nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Denn der
Kläger habe „typischerweise
arbeitstäglich“ das Gebiet des Hamburger
Hafens und damit „dasselbe weiträumige
Tätigkeitsgebiet“ aufsuchen müssen,
sodass Fahrten zwischen Wohnung und Hafenzugang nach § 9 Abs.
1 Satz 3 Nr. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) - trotz Fehlens
einer ersten Tätigkeitsstätte - nur mit der
Entfernungspauschale berücksichtigt werden
könnten.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
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Sie beantragen
sinngemäß,
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das Urteil des Niedersächsischen FG
vom 03.02.2021 - 4 K 11006/17 sowie die Einspruchsentscheidung vom
02.12.2016 aufzuheben und die Einkommensteuerfestsetzung für
2016 insoweit zu ändern, als weitere Werbungskosten bei den
Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit
in Höhe von 949 EUR berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat die Aufwendungen des Klägers für die
Fahrten von seiner Wohnung bis zu dem von ihm angefahrenen
Hafenzugang zu Unrecht nur nach Maßgabe der
Entfernungspauschale und nicht in tatsächlicher Höhe zum
Werbungskostenabzug bei dessen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit zugelassen.
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1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind
Erwerbsaufwendungen.
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a) Handelt es sich bei den Aufwendungen des
Arbeitnehmers um solche für die Wege zwischen Wohnung und
erster Tätigkeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 4 EStG,
ist zu deren Abgeltung für jeden Arbeitstag, an dem der
Arbeitnehmer die erste Tätigkeitsstätte aufsucht,
grundsätzlich eine Entfernungspauschale für jeden vollen
Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster
Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR anzusetzen (§ 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4 Sätze 1 und 2 EStG).
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b) Hat ein Arbeitnehmer keine erste
Tätigkeitsstätte und hat er nach den dienst- oder
arbeitsrechtlichen Festlegungen sowie den diese ausfüllenden
Absprachen und Weisungen zur Aufnahme seiner beruflichen
Tätigkeit dauerhaft denselben Ort oder dasselbe
weiträumige Tätigkeitsgebiet typischerweise
arbeitstäglich aufzusuchen, gilt die vorgenannte Regelung
über die Entfernungspauschale für die Fahrten von der
Wohnung zu diesem Ort oder dem zur Wohnung nächstgelegenen
Zugang zum Tätigkeitsgebiet entsprechend. Für die Fahrten
innerhalb des weiträumigen Tätigkeitsgebiets gelten
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 1 und 2 EStG entsprechend,
nach denen die tatsächlichen Aufwendungen für die Fahrten
oder die pauschalen Kilometersätze angesetzt werden
können, die für das jeweils benutzte
Beförderungsmittel (Fahrzeug) als höchste
Wegstreckenentschädigung nach dem Bundesreisekostengesetz
festgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Sätze 3 und 4
EStG).
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aa) Ein Tätigwerden in einem
weiträumigen Tätigkeitsgebiet liegt nur vor, wenn der
Arbeitnehmer die vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung auf einer
festgelegten Fläche und nicht innerhalb einer ortsfesten
betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen
Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes) oder bei einem vom
Arbeitgeber bestimmten Dritten auszuüben hat (ebenso Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 25.11.2020 - IV C
5-S 2353/19/10011:006, BStBl I 2020, 1228 = SIS 20 19 29, Rz 42 und
46; FG Berlin-Brandenburg vom 09.04.2019 - 5 K 5269/17, EFG 2019,
1088 = SIS 19 09 05; Schmidt/Krüger, EStG, 41. Aufl., § 9
Rz 216; Kreft und Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -,
§ 9 EStG Rz 485; Oertel in Kirchhof/Seer, EStG, 21. Aufl.,
§ 9 Rz 82; Fuhrmann in Korn, § 9 EStG Rz 109.7;
Brandis/Heuermann/Thürmer, § 9 EStG Rz 314b; Lochte, in
Frotscher/Geurts, EStG, § 9 Rz 157e; Claßen A. in
Lademann, EStG, § 9 EStG Rz 72; KKB/Geserich, § 9 EStG,
8. Aufl., Rz 190; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer
Lohnsteuer, „Erste
Tätigkeitsstätte“, Rz 51
ff.).
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bb) Arbeitnehmer, die ihrer eigentlichen
Tätigkeit in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung
nachgehen, werden von der Vorschrift folglich nicht erfasst, auch
wenn ihnen ein bestimmtes Tätigkeitsgebiet zugewiesen ist und
sie dort in verschiedenen ortsfesten betrieblichen Einrichtungen
tätig werden (z.B. HHR/Kreft und Bergkemper, § 9 EStG Rz
485; BMF-Schreiben in BStBl I 2020, 1228 = SIS 20 19 29, Rz
42).
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2. Die Vorentscheidung, die von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, kann daher keinen Bestand
haben. Denn nach den den Senat bindenden Feststellungen (§ 118
Abs. 2 FGO) des FG ist der Kläger (schon) nicht auf einer
festgelegten Fläche, sondern aufgrund (tagesaktueller)
Weisungen in ortsfesten betrieblichen Einrichtungen von (vier)
Kunden seines Arbeitgebers tätig geworden. Darauf, dass sich
alle Einsatzorte des Klägers auf dem Gebiet des Hamburger
Hafens befinden, kommt es insoweit nicht an.
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Dem steht nicht entgegen, dass in der
Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und
Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen
Reisekostenrechts (BT-Drucks. 17/10774, S. 13) beispielhaft davon
ausgegangen wird, dass § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4a Satz 3 EStG
u.a. auf Hafenarbeiter anwendbar sein soll. Dass diese Berufsgruppe
uneingeschränkt und unabhängig vom tatsächlichen
Einsatzort dem Anwendungsbereich der Norm unterfällt,
lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen. Bei der
beispielhaften Erwähnung des Hafenarbeiters in der
Begründung des Gesetzentwurfs dürfte vielmehr von einem
anderen als dem im Streitfall bindend festgestellten
Tätigkeitsbild des Klägers ausgegangen worden sein (vgl.
Senatsurteil vom 30.09.2020 - VI R 10/19, BFHE 270, 465, BStBl II
2021, 306 = SIS 20 21 35 zur ersten Tätigkeitsstätte
eines Postzustellers nach neuem Reisekostenrecht).
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Der Senat braucht daher nicht zu entscheiden,
ob er der Auffassung des FG beitreten könnte, dass der
Hamburger Hafen, der eine Gesamtfläche von 7.200 ha umfasst
und damit größer als das Gebiet vieler Kommunen ist, als
weiträumiges Tätigkeitsgebiet i.S. von § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 4a EStG anzusehen sei. Allein der Umstand, dass der
Gesetzgeber Hafengebiete bei der Schaffung der Vorschrift
ausdrücklich im Blick gehabt hat (vgl. BT-Drucks. 17/10774, S.
13), vermag hierfür jedenfalls nicht zu streiten.
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3. Der Klage ist in dem beantragten Umfang -
die Höhe der geltend gemachten Fahrtkosten steht zwischen den
Beteiligten ebenso wenig in Streit wie der Umstand, dass der
Kläger im Streitjahr über keine erste
Tätigkeitsstätte verfügte - stattzugeben.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
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