Die Beschwerde der Klägerin wegen
Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts
Münster vom 25.08.2020 - 1 K 383/20 Kg wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten über die
Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum Januar 2019 bis
Januar 2020 für die im August 1997 geborene Tochter E.
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Im März 2019 stellte die Klägerin
und Beschwerdeführerin (Klägerin) einen Antrag auf
Gewährung von Kindergeld für die im Nordteil von Zypern
studierende Tochter. Mit Bescheid vom 10.07.2019 lehnte die
Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) den Antrag ab. Der
Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 09.01.2020).
Das Finanzgericht (FG) wies die anschließende Klage ab. Zur
Begründung führte das FG aus, dass E im Streitzeitraum
weder einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
noch einen im Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) gehabt
habe.
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Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt
die Klägerin die Zulassung der Revision. Sie macht u.a.
geltend, dass die Frage, ob auch das Territorium der
Türkischen Republik (Nordzypern) ein EU-Mitgliedstaat i.S. des
§ 63 Abs. 1 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei,
grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ) habe und die Fortbildung des Rechts
eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordere (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 FGO).
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II. Die Revision ist unbegründet und
deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz
1 FGO).
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1. Die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
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a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche
Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für
die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das
Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und
Handhabung des Rechts berührt. Dabei muss die Rechtsfrage
klärungsbedürftig und in dem angestrebten
Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige
Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 24.05.2012 - VI B 120/11,
BFH/NV 2012, 1438 = SIS 12 21 56, Rz 5). Eine Rechtsfrage ist
klärungsbedürftig, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln
Anlass gibt, sodass mehrere Lösungen vertretbar sind
(BFH-Beschluss vom 11.11.2015 - VII B 57/15, BFH/NV 2016, 372 = SIS 16 02 42, Rz 6). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es
jedoch, wenn sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres
aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die
Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in
seiner Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig
ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom
18.03.2010 - X B 124/09, BFH/NV 2010, 1278 = SIS 10 18 29;
Senatsbeschluss vom 30.06.2011 - III B 17/11, BFH/NV 2011, 1893 =
SIS 11 33 34, Rz 6).
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b) So liegt der Fall hier, soweit die
Klägerin für grundsätzlich
klärungsbedürftig hält, ob es sich bei dem
nördlichen Teil der Republik Zypern um einen EU-Mitgliedstaat
i.S. des § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG handelt.
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Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise
den Nordteil der Insel Zypern nicht als einen EU-Mitgliedstaat im
Sinne dieser Vorschrift angesehen.
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Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG
setzt der Kindergeldanspruch voraus, dass das Kind entweder im
Inland oder in einem EU-Mitgliedstaat oder in einem Staat, auf den
das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum
Anwendung findet, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat.
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Schon aus dem Wortlaut
„Mitgliedstaat“ ergibt sich, dass der Beitritt
des Staates zur EU vorausgesetzt wird und es entgegen der Ansicht
der Klägerin nicht allein auf einen territorialen Aspekt
ankommt. Die Akte über den Beitritt eines neuen Mitgliedstaats
beruht im Wesentlichen auf dem allgemeinen Grundsatz der sofortigen
und vollständigen Anwendung der Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts auf diesen Staat, wobei Abweichungen nur
insoweit zulässig sind, als sie in Übergangsbestimmungen
ausdrücklich vorgesehen sind (EuGH-Urteil vom 28.04.2009 -
C-420/07, Europäische Grundrechte Zeitschrift 2009, 210 bis
216, Rz 33). Entscheidend für die Bestimmung als
EU-Mitgliedstaat ist daher nicht allein, ob das Gebiet
völkerrechtlich dem Gebiet der EU zugeordnet werden kann.
Hinzukommen muss, dass auf diesem Gebiet auch das Recht der EU
(acquis communautaire = gemeinsamer Besitzstand) gilt. Die
Anwendung des EU-Rechts ist aber im Bereich der
völkerrechtlich nicht anerkannten Türkischen Republik
Nordzypern durch das Protokoll Nr. 10 über Zypern der Akte
über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik,
der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland,
der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der
Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen
Republik und die Anpassungen der die Europäischen Union
begründenden Verträge (Amtsblatt der Europäischen
Union 2003, Nr. L 236, S. 955) suspendiert, solange die Regierung
der Republik Zypern in diesem Gebiet keine tatsächliche
Kontrolle ausübt. Dieses Protokoll zieht die Konsequenz
daraus, dass es vor dem Beitritt Zyperns nicht mehr gelungen ist,
eine politische Lösung für die geteilte Insel zu finden
(BT-Drucks. 15/1100, S. 90). Der Besitzstand, der hier durch das
Protokoll ausgesetzt ist, umfasst alle Rechtsakte, die für die
Mitgliedstaaten der EU verbindlich sind. Faktisch trat daher nach
dem Scheitern des Referendums zum Annan-Plan am 24.04.2004 der
Nordteil der Insel (Türkische Republik Nordzypern) nicht der
EU bei. Solange die Republik Zypern Hoheitsakte in Nordzypern und
damit auch EU-Recht nicht durchsetzen kann, gilt der nördliche
Teil der Insel Zyperns nicht als EU-Mitgliedstaat i.S. des §
63 Abs. 1 Satz 6 EStG.
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2. Da das Erfordernis einer Entscheidung des
BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative
1 FGO) ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen
Bedeutung ist, kommt die Zulassung der Revision zur Fortbildung des
Rechts aus denselben Gründen nicht in Frage (vgl. allgemein
BFH-Beschlüsse vom 11.12.2014 - XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363 =
SIS 15 01 52, Rz 12; vom 24.07.2017 -
XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635 = SIS 17 19 36, Rz 16).
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3. Der Senat sieht von einer weiteren
Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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