Auf die Beschwerde des Klägers wegen
Nichtzulassung der Revision wird das Urteil des Finanzgerichts
München vom 05.09.2019 - 11 K 685/18 aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht
München zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Beschwerdeverfahrens übertragen.
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I. Streitig ist in der Sache u.a., ob dem
Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Einkünfte
aus einer ausländischen Familienstiftung zuzurechnen
sind.
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Der Prozessbevollmächtigte des
Klägers teilte dem Finanzgericht (FG) mit Schreiben vom
22.07.2019 mit, dass er das Mandat niedergelegt habe und den
Kläger nicht mehr vertrete. Das Schreiben ging beim FG am
23.07.2019 ein. Das FG terminierte mit Schreiben vom 24.07.2019 die
mündliche Verhandlung auf den 05.09.2019. Die Ladung ging dem
Kläger am 26.07.2019 zu. Mit Schreiben vom 29.08.2019,
eingegangen beim FG am 02.09.2019, beantragte der Kläger die
Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am
05.09.2019. Zur Begründung führte er aus, dass sein
Anwalt das Mandat niedergelegt habe und ein neuer Anwalt sich erst
in die umfangreiche Materie einarbeiten müsse. Mit Schreiben
vom 02.09.2019 lehnte das FG die Aufhebung des Termins ab. Dabei
vertrat es die Auffassung, dass der Kläger den
Verlegungsantrag nicht ausreichend begründet habe, da er nicht
dargelegt habe, dass ihn an der Niederlegung des Mandats seines
Prozessbevollmächtigten kein Verschulden getroffen habe.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass dem Kläger die Ladung
zur mündlichen Verhandlung bereits am 26.07.2019, also vor
mehr als einem Monat zugegangen sei. Zu diesem Zeitpunkt sei ihm
bereits bekannt gewesen, dass der Prozessbevollmächtigte das
Mandat niedergelegt habe. Die Ladungsfrist des § 91 Abs. 1
Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zeige, dass der Gesetzgeber
eine Vorbereitungszeit von nur zwei Wochen als ausreichend ansehe.
Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) beziehe sich zwar auf
Fälle, in denen ein neuer Prozessbevollmächtigter bereits
bestellt worden sei. Der Kläger habe es jedoch unterlassen,
einen neuen Prozessbevollmächtigten zu bestellen, und erst
einen Monat nach Zugang der Ladung den Vertagungsantrag
ausschließlich unter Berufung auf die Mandatsniederlegung
gestellt. Danach würden sich keine schutzwürdigen
Gründe für die Aufhebung des Verhandlungstermins ergeben.
Die Ladung zum Verhandlungstermin am 05.09.2019 werde danach
aufrechterhalten.
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Das FG hat erfolglos versucht, sein
Schreiben vom 02.09.2019 dem Kläger per Fax zu
übersenden. Das Schreiben wurde daraufhin vom FG am 03.09.2019
per Post an den Kläger übersandt. Bei der mündlichen
Verhandlung am 05.09.2019 erschien für den Kläger
niemand. Es wurde im Protokoll festgestellt, dass der Kläger
mit Zustellungsurkunde am 26.07.2019 ordnungsgemäß zur
mündlichen Verhandlung am 05.09.2019 geladen worden sei. Mit
Urteil vom 05.09.2019 wurde die Klage des Klägers bis auf
einen geringen Teilbetrag abgewiesen.
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Der Kläger rügt in der Beschwerde
wegen Nichtzulassung der Revision u.a. einen Verfahrensfehler nach
§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Das FG habe seinen Antrag auf
Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht
abgelehnt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör
(Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -, § 119 Nr. 3 FGO)
verletzt.
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Der Kläger beantragt, die Revision
zuzulassen.
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Der Beklagte und Beschwerdegegner (das
Finanzamt) beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde
zurückzuweisen.
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II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist
begründet. Der geltend gemachte Verfahrensfehler i.S. des
§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegt vor. Das FG hat den Antrag des
Klägers, die auf den 05.09.2019 terminierte mündliche
Verhandlung zu vertagen, zu Unrecht abgelehnt und dadurch dessen
Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs.
1 GG, § 119 Nr. 3 FGO) und auf ein faires Verfahren verletzt.
Die Beschwerde führt danach zur Aufhebung des Urteils und zur
Zurückverweisung an das FG zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
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1. Das FG hat den Anspruch des Klägers
auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG,
§ 119 Nr. 3 FGO) verletzt, indem es die mündliche
Verhandlung durchgeführt und eine
verfahrensabschließende Entscheidung getroffen hat, obwohl
der Kläger einen begründeten Antrag auf Terminverlegung
gestellt hatte.
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a) Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs.
1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht „aus
erheblichen Gründen“ auf Antrag oder von Amts wegen
einen Termin aufheben oder verlegen. Liegen erhebliche Gründe
vor, verdichtet sich die in dieser Vorschrift eingeräumte
Ermessensfreiheit zu einer Rechtspflicht, d.h. der Termin muss zur
Gewährleistung des rechtlichen Gehörs verlegt werden,
selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif
hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Verlegung
verzögert wird (BFH-Urteil vom 04.05.1994 - XI R 104/92,
BFH/NV 1995, 46, m.w.N.). Welche Gründe als erheblich i.S. von
§ 227 Abs. 1 ZPO anzusehen sind, richtet sich nach den
Verhältnissen des Einzelfalls. Der Prozessstoff und die
persönlichen Verhältnisse des betroffenen Beteiligten und
ggf. seines Prozessbevollmächtigten sind bei der Prüfung
ebenso zu berücksichtigen wie der Umstand, dass das FG im
steuergerichtlichen Verfahren die einzige Tatsacheninstanz ist und
die Beteiligten ein Recht darauf haben, ihre Sache in einer
mündlichen Verhandlung vorzutragen (BFH-Urteile vom 14.10.1975
- VII R 150/71, BFHE 117, 19, BStBl II 1976, 48 = SIS 76 00 28, und
vom 26.05.1992 - VII R 26/91, BFH/NV 1993, 177, m.w.N.). Allerdings
kann die Ablehnung einer Terminsänderung trotz Vorliegens
erheblicher Gründe ermessensgerecht sein, wenn offenkundig
Prozessverschleppungsabsicht vorliegt oder wenn der Kläger
seine prozessualen Mitwirkungspflichten in anderer Weise erheblich
verletzt hat (BFH-Beschluss vom 29.06.1992 - V B 9/91, BFH/NV 1993,
180).
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b) Bei Anwendung dieser Grundsätze war im
Streitfall aufgrund des Antrags des Klägers vom 29.08.2019,
eingegangen beim FG am 02.09.2019, die Aufhebung des Termins zur
mündlichen Verhandlung am 05.09.2019 geboten.
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aa) Ein erheblicher Grund für die
Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung liegt nach
der Rechtsprechung des BFH auch dann vor, wenn kurz vor der
mündlichen Verhandlung in einer Sache, die in
tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht nicht einfach ist,
der bisherige Prozessbevollmächtigte des Klägers sein
Mandat niederlegt, ohne dass den Kläger daran ein Verschulden
trifft (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17.03.1992 - XI B 38/91,
BFH/NV 1992, 679; vom 14.06.1995 - VIII B 126-127/94, BFH/NV 1996,
144). Unverschuldet ist die Mandatsniederlegung etwa dann, wenn der
Prozessbevollmächtigte ohne ersichtlichen Grund das Mandat
niederlegt (Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -,
§ 91 FGO Rz 114 Fn 5).
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bb) Zwar hat im vorliegenden Fall der
Prozessbevollmächtigte des Klägers das Mandat nicht kurz
vor der mündlichen Verhandlung niedergelegt, sondern zu einem
Zeitpunkt, als noch keine mündliche Verhandlung terminiert
worden war. Das FG hat den Kläger jedoch dadurch in eine
vergleichbare Lage gebracht, dass es einen Tag, nachdem ihm die
Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten bekannt
geworden war, einen Termin zur mündlichen Verhandlung
bestimmte. Dabei hätte es sich dem FG aufdrängen
müssen, dass es dem Kläger aufgrund der Sommerferien in
Bayern vom 29.07. bis zum 09.09.2019 und angesichts des
umfangreichen und schwierigen Prozessstoffes nicht ohne weiteres
möglich war, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung
einen neuen Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner
Interessen zu beauftragen. Danach war das FG nach § 227 Abs. 1
ZPO i.V.m. § 155 FGO verpflichtet, den anberaumten
Verhandlungstermin zu verlegen.
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c) Das FG konnte die Ablehnung der Vertagung
auch nicht damit begründen, dass der Kläger in seinem
Schreiben vom 29.08.2019, eingegangen beim FG am 02.09.2019, nicht
ausreichend begründet und substantiiert dargelegt habe, dass
ihn an der Niederlegung des Mandats kein Verschulden getroffen
habe. Unabhängig davon, dass keine Anhaltspunkte dafür
vorlagen, dass dies der Fall war, sind die erheblichen Gründe
für eine Terminverlegung nur „auf
Verlangen“ des Vorsitzenden glaubhaft zu machen (§
227 Abs. 2 ZPO). Zwar hat das FG dem Kläger mit Schreiben vom
02.09.2019 mitgeteilt, dass es die Begründung des Antrags auf
Verlegung des Termins als nicht ausreichend erachtete. Es konnte
jedoch aufgrund der gescheiterten Fax-Übersendung und Aufgabe
des Schreibens zur Post erst am 03.09.2019 nicht davon ausgehen,
dass dieses den Kläger vor der mündlichen Verhandlung am
05.09.2019 so rechtzeitig erreichte, dass dieser seinen Vortrag
noch ergänzen konnte.
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2. Die Vorgehensweise des FG verletzt auch die
Grundsätze eines fairen Verfahrens.
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a) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
leitet in ständiger Rechtsprechung aus Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und dem Gebot effektiven
Rechtsschutzes den Anspruch auf ein faires Verfahren als
„allgemeines Prozessgrundrecht“ ab. Danach muss
der Richter das Verfahren so gestalten, wie die Parteien bzw.
Beteiligten es von ihm erwarten dürfen. Danach ist er
allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den
Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation verpflichtet
(vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 06.04.1998 - 1 BvR 2194/97, NJW
1998, 2044, unter III.2., m.w.N.; vom 18.07.2013 - 1 BvR 1623/11,
NJW 2014, 205, Rz 20, m.w.N.; BFH-Beschluss vom 05.02.2014 - X B
138/13, BFH/NV 2014, 720 = SIS 14 11 05, Rz 25; Lange in HHSp,
§ 115 FGO Rz 243).
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b) Diese Grundsätze hat das FG dadurch
verletzt, dass es bereits einen Tag, nachdem ihm die
Mandatsniederlegung des Prozessbevollmächtigten mitgeteilt
worden war, den Termin zur mündlichen Verhandlung in der
Hauptferienzeit angesetzt hat. Selbst wenn man es in Bezug auf das
Interesse des FG, das aus seiner Sicht entscheidungsreife Verfahren
zügig zum Abschluss zu bringen, noch als vertretbar ansieht,
dass das FG durch die Terminierung einer mündlichen
Verhandlung einen gewissen Druck auf den Kläger ausübt,
einen neuen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen,
rechtfertigt dies aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden
Falles nicht, den mit der Mandatsniederlegung begründeten
Verlegungsantrag abzulehnen. Die an sich gebotene Beschleunigung
des Verfahrens geht auch nicht soweit, dass bei einem Antrag auf
Verlegung der mündlichen Verhandlung dem Kläger die
Möglichkeit genommen wird, auf Verlangen des Gerichts seinen
Antrag rechtzeitig weiter zu begründen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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