Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Düsseldorf vom 13.11.2017 - 15 K 3228/16 E
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten über die
Anerkennung eines Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 des
Einkommensteuergesetzes (EStG).
|
|
|
2
|
Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden für das Streitjahr (2015) zur
Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger ist seit 2013
zum Betreuer der A (Jahrgang 1925) und seit 2015 auch ihres Sohnes
H (Jahrgang 1946) bestellt (u.a. betreffend
„Gesundheitsfürsorge“). Beide Betreuten wohnen
seit 2012 in unterschiedlichen Pflegeheimen. Bis zu diesem
Zeitpunkt hatte der behinderte Sohn (Grad der Behinderung von 100;
Merkmal „H“) noch im Haushalt seiner Mutter
gelebt.
|
|
|
3
|
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr erklärte der Kläger
„steuerfreie Aufwandentschädigungen bzw.
Einnahmen“ als ehrenamtlicher Betreuer in Höhe von 798
EUR und machte Pflege-Pauschbeträge nach § 33b Abs. 6
EStG in Höhe von jeweils 924 EUR für beide Betreuten
geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
lehnte den Ansatz der Pauschbeträge ab.
|
|
|
4
|
Mit dem Einspruch machte der Kläger
lediglich noch den Pauschbetrag für die Pflege von H geltend,
der die Pflegestufe III habe, im Rollstuhl sitze und die
Körperpflege durch das Fachpersonal des Heims erhalte. Er
selbst - der Kläger - führe alle Fahrten außerhalb
des Heims durch, insbesondere zwecks Arztbesuchen, mache
Bewegungsübungen am Bett und im Rollstuhl, unterhalte sich mit
H, übe Lesen, führe ihn mit A zusammen, kleide ihn nach
Ausgängen etc. Das FA wies den Einspruch als unbegründet
zurück, weil die Pflegemaßnahmen nicht mindestens 10 %
des gesamten pflegerischen Zeitaufwands ausmachten, also
gegenüber der Heimpflege von untergeordneter Bedeutung seien.
Zudem erfolge die Pflege nicht „in der Wohnung“ des
H.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als
unbegründet ab, da der Kläger mit der
Aufwandsentschädigung Einnahmen i.S. von § 33b Abs. 6
Satz 1 EStG erhalten habe.
|
|
|
6
|
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
|
|
|
7
|
Sie beantragen sinngemäß, das
Urteil des FG Düsseldorf vom 13.11.2017 - 15 K 3228/16 E
aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2015 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 24.10.2016 dahingehend zu ändern,
dass ein Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 EUR angesetzt
wird.
|
|
|
8
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat im Ergebnis zu Recht
entschieden, dass der Pflege-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 6
EStG nicht zu gewähren ist.
|
|
|
10
|
1. Ein Steuerpflichtiger kann nach § 33b
Abs. 6 EStG wegen der außergewöhnlichen Belastungen, die
ihm durch die Pflege einer nicht nur vorübergehend hilflosen
Person erwachsen, anstelle einer Steuerermäßigung nach
§ 33 EStG einen Pflege-Pauschbetrag in Höhe von 924 EUR
im Kalenderjahr geltend machen, wenn er dafür keine Einnahmen
erhält. Hilflos im Sinne dieser Vorschrift ist eine Person,
wenn sie für eine Reihe von häufig wiederkehrenden
Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im
Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedarf (§ 33b
Abs. 6 Satz 3 EStG). Weitere Voraussetzung für die
Gewährung des Pauschbetrags ist, dass der Steuerpflichtige die
Pflege entweder in seiner Wohnung oder in der Wohnung des
Pflegebedürftigen persönlich durchführt (§ 33b
Abs. 6 Satz 5 EStG).
|
|
|
11
|
a) H ist eine nicht nur vorübergehend
hilflose Person, für deren Pflege ein Steuerpflichtiger
grundsätzlich einen Pflege-Pauschbetrag geltend machen
kann.
|
|
|
12
|
b) Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der
Kläger für die Pflege des H Einnahmen erhalten hat.
|
|
|
13
|
Einnahmen i.S. des § 33b Abs. 6 Satz 1
EStG sind grundsätzlich sämtliche der Pflegeperson im
Zusammenhang mit der Pflege zufließenden Einnahmen, sei es
als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene
Aufwendungen der Pflegeperson. Die dem Kläger gewährte
Aufwandsentschädigung gemäß § 1835a des
Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist keine Einnahme i.S. der
Norm, da sie nicht für die Pflege, sondern für die
Betreuung i.S. der §§ 1896 ff. BGB geleistet wurde.
|
|
|
14
|
aa) Der durch das Steuerreformgesetz 1990
(StRG) vom 25.07.1988 (BGBl I 1988, 1093) eingefügte §
33b Abs. 6 EStG verfolgt den Zweck, die häusliche Pflege zu
stärken und die vielfältigen Belastungen, welche die
persönliche Pflege eines Schwerpflegebedürftigen mit sich
bringt, in angemessenem Rahmen steuerlich anzuerkennen. Durch die
pauschale Anerkennung sollte im Hinblick auf die menschliche
Belastung, welche die Pflegeperson auf sich nimmt, auf
Aufzeichnungen und Belege verzichtet werden (vgl. Begründung
des StRG 1990, BTDrucks 11/2157, S. 151 f.; Kanzler, FR 1992, 669,
671; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29.08.1996 - III R
4/95, BFHE 181, 441, BStBl II 1997, 199 = SIS 97 04 03; vom
21.03.2002 - III R 42/00, BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417 = SIS 02 08 19; Hufeld in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, §
33b Rz E 2; Blümich/Heger, § 33b EStG Rz 4). Das
Jahressteuergesetz 1996 vom 11.10.1995 (BGBl I 1995, 1250)
änderte § 33b Abs. 6 Satz 1 EStG mit Einfügung des
letzten Halbsatzes dahingehend, dass der Steuerpflichtige
„dafür keine Einnahmen erhalten“ darf. Nach
der Gesetzesbegründung (BTDrucks 13/1558, S. 157) soll der
Pauschbetrag Aufwendungen abgelten, die bei Nachweis auch nach
§ 33 Abs. 1 EStG geltend gemacht werden könnten. Soweit
die Pflegeperson für die Pflegeleistung und die damit
verbundenen Aufwendungen Einnahmen erhalte, verbleibe keine
Belastung, weshalb sie in diesem Fall den Pauschbetrag nicht
ansetzen könne. Allerdings könne sie dann die über
die Einnahmen hinausgehenden Aufwendungen nach § 33 EStG
geltend machen. Insoweit soll mithin eine Vorteilsanrechnung
stattfinden (BFH-Urteil in BFHE 198, 526, BStBl II 2002, 417 = SIS 02 08 19; Kanzler, FR 1996, 189, 191).
|
|
|
15
|
bb) „Pflege“ besteht in der
Hilfeleistung bei Verrichtungen des täglichen Lebens, bei
denen der Pflegebedürftige der Hilfe bedarf (vgl. die für
das Streitjahr anzuwendende Fassung des § 14 Abs. 1 und 3 des
Elften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XI - vom 26.05.1994, BGBl I
1994, 1014). Verrichtungen in diesem Sinne sind nach § 14 Abs.
4 SGB XI solche im Bereich der Körperpflege (Waschen, Duschen,
Baden, Zahnpflege, Kämmen, Rasieren, Darm- oder
Blasenentleerung), im Bereich der Ernährung (mundgerechtes
Zubereiten, Aufnahme der Nahrung), der Mobilität
(selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und
Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und
Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen
Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen,
Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung, Beheizen).
|
|
|
16
|
cc) „Betreuung“ i.S. der
§§ 1896 ff. BGB ist nicht tatsächliche Hilfe,
sondern Beistand in Form von Rechtsfürsorge (vgl. § 1902
BGB). Maßnahmen, die diese vom Gesetz zugewiesene rechtliche
Interessenwahrnehmung überschreiten, gehören nicht zum
Aufgabenkreis eines Betreuers. Dieser hat im Rahmen der ihm
übertragenen Aufgabenkreise (vgl. § 1897 Abs. 1 BGB)
tatsächliche Hilfen lediglich zu organisieren. Der Bereich der
Gesundheitssorge umfasst danach beispielsweise die Einleitung
ärztlicher Maßnahmen und die Erteilung von Zustimmungen,
nicht jedoch die tatsächliche Durchführung von
pflegerischen Maßnahmen, sondern allenfalls deren
Organisation (Palandt/Götz, Bürgerliches Gesetzbuch, 78.
Aufl., § 1896 Rz 18, 20). Insoweit gilt der Grundsatz der
Unentgeltlichkeit (Palandt/Götz, a.a.O., § 1835 Rz 1).
Der ehrenamtliche Betreuer kann jedoch entweder Aufwendungsersatz
i.S. des § 1835 BGB oder alternativ - wie im Streitfall - eine
pauschale Aufwandsentschädigung nach § 1835a BGB
verlangen (§ 1908i Abs. 1 BGB).
|
|
|
17
|
dd) Hieraus ergibt sich, dass der Kläger
die pauschale Aufwandsentschädigung nicht als Einnahme
für die Pflege des H bezogen hat. Einnahmen i.S. des §
33b Abs. 6 Satz 1 EStG sind (nur) solche Einnahmen, die der
Pflegeperson im Zusammenhang mit der Pflege zufließen, sei es
als Pflegevergütung, sei es als Ersatz für eigene
Aufwendungen der Pflegeperson (BFH-Urteil in BFHE 198, 526, BStBl
II 2002, 417 = SIS 02 08 19). Um solche Einnahmen handelte es sich
bei der Aufwandsentschädigung gemäß § 1835a
BGB in Höhe von 399 EUR, die der Kläger für die
Betreuung des H erhalten hat, entgegen der Ansicht des FG jedoch
nicht. Vielmehr unterscheidet sich - wie oben dargelegt - die
Betreuung gemäß §§ 1896 ff. BGB grundlegend
von der Pflege i.S. des § 33b Abs. 6 EStG. Der Kläger hat
daher keine Einnahmen für die Pflege erhalten, durch die die
Geltendmachung des Pflege-Pauschbetrags ausgeschlossen
wäre.
|
|
|
18
|
c) Die Entscheidung des FG stellt sich jedoch
aus anderen Gründen als zutreffend dar.
|
|
|
19
|
Nach der Rechtsprechung des BFH setzt auch die
Gewährung des Pflege-Pauschbetrags nach § 33b Abs. 6 EStG
eine Zwangsläufigkeit voraus (BFH-Urteil in BFHE 181, 441,
BStBl II 1997, 199 = SIS 97 04 03). Eine Zwangsläufigkeit aus
rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist
gegeben, wenn diese Gründe von außen so auf die
Entscheidung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht
ausweichen kann.
|
|
|
20
|
Der Kläger war zunächst weder aus
rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen verpflichtet,
die pflegerischen Maßnahmen gegenüber H zu erbringen.
Insbesondere ergibt sich eine rechtliche Verpflichtung des
Klägers nicht aus seiner Stellung als Betreuer des H. Wie oben
bereits ausgeführt, ist Betreuung nicht tatsächliche
Hilfe, sondern Beistand in Form von Rechtsfürsorge. Zwar hat
der Betreuer den Betreuten im Rahmen des ihm rechtlich
übertragenen Aufgabenkreises in dem hierfür
erforderlichen Umfang auch persönlich zu betreuen (§ 1897
Abs. 1 BGB). Betreuung und Pflege unterscheiden sich jedoch
grundlegend. Eine Verpflichtung des Klägers als Betreuer, mit
H Bewegungsübungen am Bett und im Rollstuhl zu unternehmen,
Lesen zu üben oder ihn mit A zusammenzuführen, bestand
demnach nicht.
|
|
|
21
|
Der Kläger war auch aus sittlichen
Gründen nicht zur Erbringung der Pflegeleistungen
verpflichtet. Im Anwendungsbereich des § 33b Abs. 6 EStG
stellt der BFH zwar geringere Anforderungen an eine sittliche
Verpflichtung als bei § 33 Abs. 2 EStG. Für die
Gewährung des Pflege-Pauschbetrags gemäß § 33b
Abs. 6 EStG erkennt er eine sittliche Verpflichtung zur Pflege
bereits unter der Voraussetzung an, dass eine enge persönliche
Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und der gepflegten Person
besteht (BFH-Urteil in BFHE 181, 441, BStBl II 1997, 199 = SIS 97 04 03). Dem vom FG bindend festgestellten Sachverhalt (§ 118
Abs. 2 FGO) ist jedoch nicht zu entnehmen, dass im Streitjahr enge
persönliche Beziehungen zwischen dem Kläger und H
bestanden. Der Kläger hat für eine enge persönliche
Beziehung zu H auch selbst nichts vorgetragen.
|
|
|
22
|
d) Da der Pflege-Pauschbetrag danach bereits
mangels Zwangsläufigkeit nicht gewährt werden kann, kann
im Streitfall offenbleiben, ob grundsätzlich ein bestimmter
Umfang an Pflegeleistungen erforderlich ist. Dahinstehen kann auch,
ob im Falle einer Heimunterbringung überhaupt ein
Pflege-Pauschbetrag i.S. des § 33b Abs. 6 EStG geltend gemacht
werden kann.
|
|
|
23
|
2. Die von den Klägern erhobene
Verfahrensrüge hat der Senat geprüft. Sie ist jedenfalls
unbegründet. Der Senat sieht insoweit von einer
Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).
|
|
|
24
|
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
|