Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Thüringer Finanzgerichts vom 17.8.2016 3 K 228/14 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Streitig ist der Ausweis einer
Pensionsrückstellung im Jahr der Zusage unter
Berücksichtigung neuer
„Heubeck-Richttafeln“.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine GmbH, erteilte ihrem zu einem Drittel
beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer am 18.11.2005
eine Pensionszusage; der Ausweis zum 31.12.2005 erfolgte ohne einen
Mehrbetrag aufgrund der Änderungen der erstmalig im
Wirtschaftsjahr 2005 anwendbaren sog. Heubeck-Richttafeln 2005 zu
den „Heubeck-Richttafeln“ 1998.
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Aufgrund einer Außenprüfung
änderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -
FA - ) mit Bescheiden vom 31.8.2012 u.a. den Bescheid über
Körperschaftsteuer 2005 und über den
Gewerbesteuermessbetrag 2005. Da die der Berechnung der
Pensionsrückstellung zugrunde liegenden
„Heubeck-Richttafeln“ von 1998 im Juli 2005
geändert wurden, ging das FA davon aus, dass ein
Unterschiedsbetrag, der auf der erstmaligen Anwendung der
Richttafeln 2005 beruhe, gemäß § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 6a Abs. 4
Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf drei
Jahre zu verteilen sei (... EUR). Nach Meinung des FA gelte die
Verteilungsregelung auch im Jahr der erstmaligen Zusage.
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Das Thüringer Finanzgericht (FG) gab
der Klage im Hinblick auf die Pensionsrückstellung mit seinem
in EFG 2017, 978 = SIS 17 09 59 veröffentlichten Urteil vom
17.8.2016 3 K 228/14 statt.
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Es entschied, dass bei erstmaliger Bildung
einer Pensionsrückstellung keine Verteilung eines
Unterschiedsbetrags zu erfolgen habe. Weder würden die
Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 Satz 2 EStG vorliegen, noch
ergebe sich eine solche Verteilung aus § 6a Abs. 4 Satz 6
EStG. Es liege nach dieser Vorschrift eine Rechtsgrundverweisung
vor, so dass diese Vorschrift - die eine entsprechende Anwendung
des § 6a Abs. 4 Satz 2 EStG anordne - bei Anwendung des §
6a Abs. 4 Satz 3 EStG im Streitfall fehl gehe.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es ist der Auffassung, dass das FG
aus dem Wortlaut rechtlich unzulässige Schlussfolgerungen
gezogen habe. Der Unterschiedsbetrag, der aufgrund der Anwendung
der geänderten „Heubeck-Richttafeln“ entstehe, sei
auf drei Wirtschaftsjahre zu verteilen. Dies gelte auch für
die erstmalige Anwendung. Deshalb habe der Gesetzgeber die
Vorschrift des § 6a Abs. 4 Satz 6 EStG geschaffen. Auch der
Zweck der Vorschrift bestätige diese Auslegung. Um einen
Vorzieheffekt zu verhindern, sei diese Regelung ins Gesetz
aufgenommen worden. Es handele sich bei den Richttafeln um
Periodentafeln, die über einzelne Jahre hinausgehen
würden.
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Das FA beantragt sinngemäß, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
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Das FG hat zu Recht angenommen, dass im
Streitfall ein Mehrbetrag aufgrund der
„Heubeck-Richtwerte“ der gemäß §
6a Abs. 4 Satz 6 i.V.m. § 6a Abs. 4 Satz 3 und Satz 2 EStG auf
drei Jahre verteilt werden musste, nicht vorliegt.
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1. Eine Pensionsrückstellung darf
für Zwecke der Besteuerung höchstens mit dem Teilwert
angesetzt werden (§ 6a Abs. 3 Satz 1 EStG), der sich nach
§ 6a Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG bestimmt. In § 6a
Abs. 4 EStG ist ein sog. Nachholverbot verankert. Nach § 6a
Abs. 4 Satz 1 EStG darf eine Pensionsrückstellung in einem
Wirtschaftsjahr höchstens um den Unterschied zwischen dem
Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des Wirtschaftsjahres
und am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres erhöht
werden. Von diesem Grundsatz sind in § 6a Abs. 4 Sätze 2
bis 5 EStG Ausnahmen geregelt. So ist bestimmt, dass und soweit der
Unterschiedsbetrag auf der erstmaligen Anwendung neuer oder
geänderter biometrischer Rechnungsgrundlagen beruht, er nur
auf mindestens drei Wirtschaftsjahre gleichmäßig
verteilt der Pensionsrückstellung zugeführt werden kann
(§ 6a Abs. 4 Satz 2 EStG); entsprechendes gilt beim Wechsel
auf andere biometrische Rechnungsgrundlagen. In dem
Wirtschaftsjahr, in dem mit der Bildung einer
Pensionsrückstellung frühestens begonnen werden darf
(Erstjahr), darf des Weiteren die Rückstellung bis zur
Höhe des Teilwerts der Pensionsverpflichtung am Schluss des
Wirtschaftsjahres gebildet werden; diese Rückstellung kann auf
das Erstjahr und die beiden folgenden Wirtschaftsjahre
gleichmäßig verteilt werden (§ 6a Abs. 4 Satz 3
EStG). § 6a Abs. 4 Satz 6 EStG ordnet u.a. im Fall des Satzes
3 die entsprechende Anwendung des Satzes 2 an.
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2. Die Rechtsfrage der entsprechenden
Anwendung des § 6a Abs. 4 Satz 2 EStG auf den Fall des
Erstjahres, wie er in § 6a Abs. 4 Satz 3 EStG geregelt ist
(§ 6a Abs. 4 Satz 6 EStG), wird bislang unterschiedlich
beantwortet. Während die Vorinstanz und auch bereits das FG
des Landes Brandenburg (Urteil vom 23.8.2006 2 K 2012/03, EFG 2006,
1746 = SIS 06 45 97) eine entsprechende Anwendung des Satzes 2
ablehnt, weil im Fall der erstmaligen Bildung einer
Pensionsrückstellung ein
„Unterschiedsbetrag“ i.S. des Satzes 2 nicht
existiere, werden in der Literatur unterschiedliche Standpunkte
vertreten. Teilweise folgt man der finanzgerichtlichen
Rechtsprechung und Argumentation (vgl. Gosch in Kirchhof, EStG, 17.
Aufl., § 6a Rz 21; Dommermuth in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR
-, § 6a EStG Rz 154). Nach anderer Auffassung ist die
entsprechende Anwendung des Satzes 2 in der Weise vorzunehmen, dass
im Erstjahr der Pensionsrückstellung, in dem sich auch die
Richtwerte geändert haben, die Wahlrechte des § 6a Abs. 4
Satz 3 EStG nur hinsichtlich des Rückstellungswertes auf alter
Richtwertgrundlage gelten sollen; der sich aufgrund der Anwendung
der neuen Richtwerte ergebende Erhöhungsbetrag soll dagegen
durch entsprechende Anwendung des § 6a Abs. 4 Satz 2 EStG auf
drei Wirtschaftsjahre verteilt werden (Höfer in
Höfer/Veit/ Verhuven, Betriebsrentenrecht, Bd. II Kap. 2 Rz
671 ff.; Schmitz in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht,
§ 6a EStG Rz 102). Die Finanzverwaltung ist ebenfalls der
zuletzt genannten Ansicht (vgl. zum Übergang auf die
„Richttafeln 2005 G“ Bundesministerium der
Finanzen - BMF -, Schreiben vom 16.12.2005 IV B 2 - S 2176 -
106/05, BStBl I 2005, 1054 = SIS 06 03 92, Rz 5; zum Übergang
auf die „Heubeck-Richttafeln 2018 G“ s.
BMF-Schreiben vom 19.10.2018 IV C 6-S 2176/07/10004:001, BStBl I
2018, 1107 = SIS 18 15 92, Rz 5).
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3. Der Senat folgt der Ansicht der Vorinstanz
und Teilen der Literatur, nach der eine Verteilung entsprechend
§ 6a Abs. 4 Satz 2 EStG nicht vorzunehmen ist. Weder aus dem
Wortlaut noch aus dem Zweck des § 6a Abs. 4 Satz 6 EStG
lässt sich entnehmen, dass generell in allen Fällen der
erstmaligen Bildung einer Pensionsrückstellung § 6a Abs.
4 Satz 2 EStG zur Anwendung kommt.
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a) Die in § 6a Abs. 4 Satz 6 EStG
angeordnete entsprechende Anwendung des § 6a Abs. 4 Satz 2
EStG setzt nach seinem Wortlaut voraus, dass ein Unterschiedsbetrag
zwischen dem Teilwert der Pensionsverpflichtung am Schluss des
Wirtschaftsjahres und am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres besteht. Bei einem Veranlagungszeitraum, in dem
eine Pensionszusage erteilt wird, kommt eine Verteilung des
Unterschiedsbetrages zwischen dem Teilwert der
Pensionsrückstellung nach den bisherigen
„Heubeck-Richttafeln“ und den neuen erstmalig im
Jahr der Pensionszusage veröffentlichten
„Heubeck-Richttafeln“ auf das Erstjahr i.S. des
§ 6a Abs. 4 Satz 3 EStG und die beiden folgenden
Wirtschaftsjahre nicht in Betracht. Denn bei einer erstmaligen
Bildung einer Pensionsrückstellung existiert kein
„Unterschiedsbetrag“ i.S. des § 6a Abs. 4
Satz 2 EStG, wie das FG zu Recht angenommen hat.
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b) Auch der Zweck der Vorschrift des § 6a
Abs. 4 Satz 6 EStG führt zu keinem anderen Ergebnis. Aus den
Gesetzesmaterialien zu den Regelungen in § 6a Abs. 4 Satz 2
und Satz 6 EStG (eingefügt durch das
Steueränderungsgesetz 1998 vom 19.12.1998, BGBl I 1998, 3816)
ergibt sich zwar die Absicht der Verhinderung von einmaligen
Steuerausfällen und auch von
„Vorzieheffekten“ biometrischer
Veränderungen nach Veröffentlichung der Richttafeln
(BTDrucks 14/158, S. 7; vgl. auch Höfer in
Höfer/Veit/Verhuven, a.a.O., Kap. 2 Rz 650; Schmitz in
Lippross/Seibel, a.a.O., § 6a EStG Rz 100). Ihnen ist aber
nicht zu entnehmen, dass über den Wortlaut hinaus eine
Anwendung der Regelung des § 6a Abs. 4 Satz 2 EStG auch auf
Fälle der erstmaligen Bildung einer Pensionsrückstellung
erfolgen soll, zumal ein darüber hinausgehender
Anwendungsbereich des § 6a Abs. 4 Satz 6 EStG nach dem
Wortlaut verbleibt. Als Erstjahr i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 3
EStG kommt nicht nur - wie im Streitfall - das Jahr der
Pensionszusage selbst in Betracht, sondern auch spätere
Zeiträume, in denen ein
„Unterschiedsbetrag“ besteht. So kann eine
bereits handelsrechtlich zu berücksichtigende Pensionszusage
steuerrechtlich nach § 6a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis d EStG
erst in späteren Veranlagungszeiträumen zu
berücksichtigen sein. Entsprechend definiert § 6a Abs. 4
Satz 3 EStG das Erstjahr auch als Wirtschaftsjahr, „in dem
mit der Bildung einer Pensionsrückstellung frühestens
begonnen werden darf“ (vgl. HHR/Dommermuth, § 6a
EStG Rz 156). Dies muss nicht das Jahr sein, in dem die
Pensionszusage erteilt worden ist (z.B. bei Zusage vor dem in
§ 6a Abs. 2 Nr. 1 Halbsatz 2 EStG genannten Zeitpunkt).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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