Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 13.10.2016 14 K
203/15 aufgehoben.
Die Sache wird an das Niedersächsische Finanzgericht
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens übertragen.
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Ehegatten und werden zur Einkommensteuer
zusammen veranlagt. Der Kläger erzielte im Jahr 2012
(Streitjahr) Einkünfte aus Gewerbebetrieb, selbständiger
Arbeit sowie Vermietung und Verpachtung, die Klägerin
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
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Der Kläger ist zusammen mit seiner
Mutter und seinen drei Schwestern (A, B und C) Erbe nach seinem im
Mai 1990 verstorbenen Vater, der seinen gewöhnlichen
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Zum Nachlass
gehörten drei in den „alten“ Bundesländern
gelegene Grundstücke (X, Y und Z) und ein, im Zeitpunkt des
Erbfalls auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen
Republik (DDR) gelegenes, mit einem Mehrfamilienhaus bebautes,
Grundstück (W). Nach dem Inhalt des gemeinschaftlichen
Erbscheins des Amtsgerichts vom 8.1.1991 wurde der Erblasser von
der Mutter des Klägers zu 1/2 und von dem Kläger und
seinen drei Schwestern zu 1/8 jeweils beerbt. Hinsichtlich des in
der ehemaligen DDR gelegenen Grundstücks W wurde der Erblasser
von der Mutter des Klägers zu 1/4 und von dem Kläger und
seinen drei Schwestern zu 3/16 jeweils beerbt.
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Der Mutter des Klägers war an den vier
Grundstücken ein Nießbrauch eingeräumt. Im
Zusammenhang mit der Modernisierung des Gebäudes auf dem
Grundstück W nahm sie als Darlehensnehmerin in den Jahren 1998
bis 2002 vier Darlehen in Höhe von insgesamt 256.000 EUR auf.
Die Aufwendungen für die Modernisierung machte sie bei ihren
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten
geltend.
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Mit notariellem Vertrag vom 6.10.2008
setzte sich die Erbengemeinschaft auseinander. Die für das
Grundstück W aufgenommenen Darlehensverbindlichkeiten
valutierten zu dieser Zeit noch in Höhe von insgesamt
231.077,14 EUR. Der Kläger erhielt das Grundstück W zu
Alleineigentum. Im Gegenzug übernahm er zwei der vier
Darlehensverträge seiner Mutter sofort und verpflichtete sich,
seine Mutter von den Darlehenszahlungen der beiden anderen
Darlehensverträge freizustellen und diese Verträge zu
einem späteren Zeitpunkt ebenfalls zu übernehmen. Die von
der Mutter bei der M-Bank unterhaltenen Kontokorrentkonten wurden
im Innenverhältnis dem Kläger zugeordnet, dieser erhielt
zudem den Geschäftsanteil an der M-Bank im Wert von 10.500 EUR
rückwirkend zum 1.1.2008.
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Der Kläger erhielt außerdem das
lastenfreie Grundstück X zu Alleineigentum übertragen und
verpflichtete sich im Gegenzug, seiner Schwester C eine Abfindung
in Höhe von 20.000 EUR zu zahlen. Das Grundstück Y wurde
seiner Mutter und seiner Schwester A übertragen; die im
Grundbuch für das Grundstück verzeichneten
Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 52.305 EUR
übernahmen diese gemeinsam. A verpflichtete sich zu einer
Ausgleichszahlung an ihre Schwester B in Höhe von 50.000 EUR.
Die Mutter erhielt weiterhin das Grundstück Z zu
Alleineigentum. Der Gegenstandswert der
Auseinandersetzungsvereinbarung entfiel in Höhe von 240.000
EUR auf das Grundstück W, im Übrigen auf die
Grundstücke X, Y, Z sowie auf die Ausgleichszahlungen der
Geschwister untereinander und die Übernahme des
Geschäftsanteils an der M-Bank. Die Kosten der
Auseinandersetzungsvereinbarung und ihrer Durchführung trug
der Kläger (vgl. § 9 Abs. 2 des Vertrags).
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr machten die Kläger bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten
für das bebaute Grundstück W Absetzungen für
Abnutzung (AfA) in Höhe von 5.432 EUR geltend. Der Beklagte
und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) setzte die
Einkommensteuer für 2012 mit Bescheid vom 12.11.2013 fest; den
insoweit geltend gemachten AfA-Betrag berücksichtigte er
nicht. Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und begehrten
die Berücksichtigung von AfA in Höhe von 4.883
EUR.
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Der Einkommensteuerbescheid wurde
nachfolgend aus zwischen den Beteiligten nicht
streitgegenständlichen Gründen geändert. Mit
Einspruchsentscheidung vom 21.7.2015 wies das FA den Einspruch als
unbegründet zurück.
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Das Finanzgericht (FG) gab der von den
Klägern dagegen erhobenen Klage mit seinem in EFG 2017, 817 =
SIS 17 09 76 veröffentlichten Urteil überwiegend statt.
Es änderte den Einkommensteuerbescheid 2012 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung insoweit ab, als es die Einkommensteuer 2012
auf den Betrag herabsetzte, der sich ergibt, wenn bei den
Einkünften aus Vermietung und Verpachtung des Klägers
für das Grundstück W AfA in Höhe von 3.967,63 EUR
als Werbungskosten berücksichtigt werden.
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Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 4
des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 255 Abs. 1 des
Handelsgesetzbuches (HGB). Die Vorentscheidung widerspreche dem
Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
5.7.1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 = SIS 90 21 12).
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Das FA beantragt, das Urteil des
Niedersächsischen FG vom 13.10.2016 14 K 203/15 aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
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Das Bundesministerium der Finanzen ist dem
Verfahren beigetreten. Es unterstützt die Auffassung des FA.
Eine ggf. zivilrechtlich eingetretene Nachlassspaltung sei
ertragsteuerlich unerheblich, da im Einkommensteuerrecht die
zivilrechtliche Betrachtungsweise durch eine wirtschaftliche
Betrachtungsweise überlagert werde. Die Erbauseinandersetzung
sei für alle Miterben als einheitlicher Vorgang zu behandeln,
der eine Separierung des dem Kläger zugewiesenen
Grundstücks W verbiete. Die Anwendung einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise auf den vorliegenden Fall sei auch dadurch
begründet, dass der Große Senat des BFH in seinem
Beschluss in BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 = SIS 90 21 12 mit
der sog. „Saldothese“ selbst eine aus
ertragsteuerlicher Sicht einheitliche Betrachtung der
Erbauseinandersetzung vorgegeben habe.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zwar hat das FG im Ausgangspunkt
eine zivilrechtliche Nachlassspaltung zu Recht angenommen. Für
die ertragsteuerliche Beurteilung der Auseinandersetzung zwischen
den Miterben im Streitfall kommt es darauf jedoch nicht an. Zu
Unrecht hat das FG deshalb nicht geprüft, in welcher Weise die
Miterben die Erbengemeinschaften insgesamt auseinandergesetzt
haben.
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1. a) Nach § 7 Abs. 4 EStG bemisst sich
die AfA nach den Anschaffungskosten. Welche Aufwendungen zu den
Anschaffungskosten einer Immobilie zählen, bestimmt sich auch
für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach
§ 255 Abs. 1 HGB. Danach sind Anschaffungskosten die
Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen
betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und
nachträglichen Anschaffungskosten (vgl. z.B. Senatsurteil vom
8.11.2017 IX R 36/16, BFH/NV 2018, 215 = SIS 17 22 79, Rz 10).
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b) Bei der Auseinandersetzung einer
Erbengemeinschaft können Aufwendungen eines Miterben
Anschaffungskosten sein, z.B. wenn er die Erbanteile anderer
Miterben erwirbt. Verteilen die Miterben dagegen das
Gemeinschaftsvermögen unter sich, um die Gemeinschaft zu
beenden, liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen
Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungs- und
Veräußerungsgeschäft. Bei einer derartigen
Realteilung des Nachlasses ist der übernehmende Miterbe
entsprechend § 11d Abs. 1 Satz 1 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung auf die
Fortführung der von der Erbengemeinschaft anzusetzenden
Anschaffungskosten oder Herstellungskosten verwiesen. Wie sich das
dem Miterben entsprechend seiner Erbquote zugeteilte
Nachlassvermögen zusammensetzt, hat keine Bedeutung. Die
wertmäßige Angleichung kann auch dadurch bewirkt werden,
dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft
übernimmt. Auch soweit dabei sein rechnerischer Anteil an den
Verbindlichkeiten überschritten wird, führt dies noch
nicht zu Anschaffungskosten. Übersteigt aber der Wert des
Erlangten den Wert seines Erbanteils und muss der begünstigte
Erbe deshalb an einen oder mehrere Miterben Ausgleichszahlungen
leisten, bilden sie für ihn Anschaffungskosten (vgl. Beschluss
des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 332, BStBl II 1990,
837 = SIS 90 21 12).
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c) Die Feststellung, in welcher Weise sich die
Miterben zur Beendigung der Erbengemeinschaft auseinandergesetzt
haben, ob es sich dabei insgesamt um eine steuerneutrale
Realteilung oder teilweise um Anschaffungs- und
Veräußerungsvorgänge handelt und in Bezug auf
welche Nachlassgegenstände dies der Fall ist, obliegt dem FG
als Tatsacheninstanz.
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2. Nach Maßgabe dieser Grundsätze
kann die Entscheidung des FG keinen Bestand haben.
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a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen,
dass im Streitfall zivilrechtlich eine Nachlassspaltung eingetreten
ist. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG
(vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der Kläger zusammen mit
seiner Mutter und seinen drei Schwestern Erbe nach seinem im Mai
1990 verstorbenen Vater, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in
der Bundesrepublik Deutschland hatte. Zum Nachlass gehörten
u.a. drei in den „alten“ Bundesländern
gelegene Grundstücke sowie das mit einem Mehrfamilienhaus
bebaute und im Zeitpunkt des Erbfalls auf dem Gebiet der ehemaligen
DDR gelegene Grundstück W. Zivilrechtlich richtet sich die
Erbfolge demnach grundsätzlich nach den Vorschriften des
Bürgerlichen Gesetzbuches. Für die erbrechtlichen
Verhältnisse des in der ehemaligen DDR gelegenen
Grundstücks W ist hingegen noch das Zivilgesetzbuch der DDR
(ZGB-DDR) maßgebend (vgl. z.B. Beschlüsse des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 30.11.1994 IV ZR 49/94, Zeitschrift
für das Gesamte Familienrecht 1995, 481, m.w.N.; vom 4.10.1995
IV ZB 5/95, BGHZ 131, 22, unter III.1., und Bayerisches Oberstes
Landesgericht, Beschluss vom 5.7.2002 1Z BR 45/01, NJW 2003, 216).
Neben der Erbengemeinschaft, zu welcher der in den alten
Bundesländern belegene Nachlass gehörte, bestand damit
eine personengleiche weitere Erbengemeinschaft, die
gemäß § 400 Abs. 1 ZGB-DDR das Gesamteigentum an
dem Grundstück W in der ehemaligen DDR innehatte (vgl. hierzu
BGH-Beschluss vom 24.1.2001 IV ZB 24/00, BGHZ 146, 310, unter
B.II.2.; Filtzinger in Rißmann, Die Erbengemeinschaft, 2.
Aufl., Teil 3 § 22 Rz 57).
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b) Zu Unrecht hat das FG aber angenommen, die
Nachlassspaltung sei ohne Weiteres auch der ertragsteuerlichen
Beurteilung der Erbauseinandersetzung zugrunde zu legen. Eine so
weitgehende Bindung an das Zivilrecht besteht indes nicht. Den
Miterben steht es vielmehr frei, ob sie die Nachlassspaltung bei
der Auseinandersetzung ihrer Gemeinschaften beachten. Sie
können der zivilrechtlichen Nachlassspaltung folgen und jede
Erbengemeinschaft getrennt auseinandersetzen. Dann kommt es
für die ertragsteuerliche Beurteilung auf die jeweilige
Auseinandersetzung an. Die Miterben können sich aber auch
unter Einbeziehung beider bzw. aller Erbengemeinschaften in einem
einheitlichen Vorgang in der Weise auseinandersetzen, dass sie
sämtliche Nachlassgegenstände gleichzeitig
vollständig unter sich verteilen. Ist dies - wie vorliegend -
der Fall, so ist aber auch für die ertragsteuerliche
Beurteilung, ob insgesamt eine neutrale Realteilung oder ob
teilweise Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge
anzunehmen sind, auf diesen einheitlichen Vorgang und auf den
gesamten Nachlass abzustellen. Bei dieser Gestaltung erhalten die
Miterben mehr Möglichkeiten, sich unter Einbeziehung
sämtlicher Nachlassgegenstände steuerneutral
auseinanderzusetzen, als wenn sie an die zivilrechtliche
Nachlassspaltung gebunden wären. Das FG ist von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil kann deshalb keinen
Bestand haben.
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3. Die Sache ist nicht spruchreif. Von seinem
Standpunkt aus zu Recht hat das FG bisher nicht vollständig
festgestellt, wie sich die Miterben im Zuge der Auflösung der
beiden Erbengemeinschaften auseinandergesetzt haben. Dies wird es
im zweiten Rechtsgang nachholen müssen, um abschließend
beurteilen zu können, inwieweit und ggf. bezüglich
welcher Objekte dabei Anschaffungs- und
Veräußerungsvorgänge verwirklicht worden sind.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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