Möglicherweise sind in Ihrem Browser Cookies deaktiviert. Stellen Sie sicher, dass Cookies aktiviert sind.
Beitrittsaufforderung an BMF, nachträgliche Anschaffungskosten nach zivilrechtlicher Neuordnung des Kapitalersatzrechts durch das MoMiG
Beitrittsaufforderung an BMF, nachträgliche Anschaffungskosten nach zivilrechtlicher Neuordnung des Kapitalersatzrechts durch das MoMiG: Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen nach Inkrafttreten des MoMiG Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungs- oder Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen sind. - Urt.; BFH 11.1.2017, IX R 36/15; SIS 17 04 10
Kapitel:
Unternehmensbereich > Betriebsaufgabe, Veräußerung, Anteilsübertragung
Fundstellen
-
BFH 11.01.2017, IX R 36/15 (ECLI:DE:BFH:2017:B.110117.IXR36.15.0)
BStBl 2017 II S. 683
BFHE 256 S. 336
DStR 2017 S. 648
BFH/NV 2017 S. 674
Anmerkungen:
zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 20.6.2017
-/- in GmbH-Stpr 8/2017 S. 245
-/- in NWB 13/2017 S. 913
B. Rätke in BBK 8/2017 S. 360
E. Ratschow in BFH/PR 6/2017 S. 187
H. Weber-Grellet in FR 13/2017 S. 635
Normen
[MoMiG] Art. 1, Art. 9
[EStG] § 17 Abs. 2, § 17 Abs. 4
[FGO] § 122 Abs. 2 Satz 3
[InsO] § 39 Abs. 1 Nr. 5, § 135
[HGB] § 255 Abs. 1 Satz 2
Zitiert in... / geändert durch...
-
Thüringer FG 21.10.2021, SIS 23 13 96, Berücksichtigung der Inanspruchnahme aus einer vor Eintritt der Krise der GmbH übernommenen und in der Kr...
Fachaufsätze
-
LIT 03 44 24 K. Dorn, NWB 24/2017 S. 1796: Nachträgliche Anschaffungskosten i. S. des § 17 EStG durch Bürgschaftsinanspruchnahme? - Lit.; K. Dorn, N...
Das Bundesministerium der Finanzen wird
aufgefordert, dem Verfahren IX R 36/15 beizutreten.
1
|
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2011) vom Beklagten
und Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Seit Ende des Jahres 2003 war der
Vater des Klägers alleiniger Gesellschafter und
Geschäftsführer einer GmbH. Der Kläger war zu diesem
Zeitpunkt Angestellter der GmbH. Im Februar 2010 wurden dem
Kläger die Anteile an der GmbH im Wege der vorweggenommenen
Erbfolge übertragen.
|
|
|
2
|
Zur Umgestaltung der
Geschäftsräume gewährte die B-Bank (Bank) der GmbH
im Jahr 2006 Darlehen in Höhe von 51.600 EUR, 20.000 EUR und
99.000 EUR. Dabei stellte die Bank die Gewährung des Kredits
u.a. unter die Bedingung, dass der Kläger selbstschuldnerische
Bürgschaften bis zum Höchstbetrag von 170.000 EUR
übernahm. Am 28.3.2006 wurde ein entsprechender
Bürgschaftsvertrag geschlossen. Darüber hinaus hat sich
der Kläger am 11.4.2006 für ein weiteres Darlehen der
GmbH bei einer weiteren Bank in Höhe von 52.000 EUR
unentgeltlich und selbstschuldnerisch verbürgt. Während
die GmbH in den Jahren 2003 und 2004 einen Verlust von 2.026,35 EUR
und von 549,17 EUR aufwies, machte sie im Jahr 2005 einen Gewinn
von 14.668,35 EUR und im Jahr 2006 einen solchen von 2.618,92 EUR.
Im Jahr 2007 erzielte die GmbH einen Verlust von 117.652,91 EUR, in
den Jahren 2008 und 2009 wiederum Gewinne von 18.714,31 EUR und von
39.128,62 EUR.
|
|
|
3
|
Nachdem die Ende des Jahres 2010 bis Anfang
des Jahres 2011 geführten Verhandlungen über den Verkauf
der GmbH-Anteile an den langjährig für die GmbH
tätigen Handelsvertreter gescheitert waren und dieser
stattdessen einen eigenen Betrieb in unmittelbarer Nähe der
Geschäftsräume der GmbH eröffnet hatte, drohte der
GmbH der Ausfall von Aufträgen in erheblichem Umfang. Der vom
Kläger sodann im Februar 2011 für die GmbH gestellte
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde am
19.5.2011 mangels Masse abgelehnt. In der Folgezeit wurde der
Kläger persönlich für die Verbindlichkeiten der GmbH
aus den von ihm übernommenen Bürgschaften in Anspruch
genommen.
|
|
|
4
|
In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Jahr 2011 machten die Kläger einen
Veräußerungsverlust in Höhe von 176.156,85 EUR aus
der Auflösung der GmbH nach § 17 Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend. Diesen errechneten sie aus
einem Verlust der vom Rechtsvorgänger übernommenen
Stammeinlage in Höhe von 27.000 EUR, nachträglichen
Anschaffungskosten aus der Inanspruchnahme aus den
Bürgschaften in Höhe von insgesamt 140.610,40 EUR und
verschiedenen Kosten in Höhe von 8.545,78 EUR, die der
Kläger für die GmbH übernommen hatte. Im
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr setzte das FA den
Auflösungsverlust lediglich mit 17.975 EUR an. Das FA lehnte
insbesondere die Berücksichtigung der Aufwendungen aus der
Inanspruchnahme der vom Kläger geleisteten Bürgschaften
ab, da sich die GmbH im Zeitpunkt der
Bürgschaftsübernahme nicht in einer Krise befunden habe.
Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
|
|
|
5
|
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit
seinem in EFG 2015, 1271 = SIS 15 14 80 veröffentlichten
Urteil im hier streitigen Umfang statt. Entgegen der Auffassung des
FA seien bei der Ermittlung des Auflösungsverlusts die
Aufwendungen des Klägers aus der Inanspruchnahme der
Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten zu
berücksichtigen. Denn die Übernahme der Bürgschaft
sei gesellschaftlich veranlasst gewesen. Dem stehe nicht entgegen,
dass der Kläger im Zeitpunkt der
Bürgschaftsübernahme noch nicht Gesellschafter gewesen
sei, da er die Bürgschaft erkennbar als künftiger
Gesellschafter übernommen habe. Auf die Frage, ob die
übernommenen Bürgschaften als eigenkapitalersetzend im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anzusehen sind, komme
es nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des
GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)
vom 23.10.2008 (BGBl I 2008, 2026) nicht mehr an. Im Übrigen
seien jedoch die Bürgschaften im Streitfall auch unter
Zugrundlegung der bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze als
krisenbestimmt und somit als eigenkapitalersetzend
anzusehen.
|
|
|
6
|
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 1, 2
und 4 EStG) rügt. Entgegen der Auffassung des FG seien die
bisherigen Rechtsgrundsätze grundsätzlich weiterhin
anzuwenden. Auch unter Geltung des MoMiG sei der Gesellschafter
einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich frei in der
Entscheidung, ob er der Gesellschaft Eigen- oder Fremdkapital zur
Verfügung stelle. Die Beurteilung der Frage, ob eine
Finanzierungshilfe des Gesellschafters als nachträgliche
Anschaffungskosten zu berücksichtigen sei, richte sich
maßgeblich danach, ob ein ordentlicher und gewissenhafter
Kaufmann das Risiko einer vergleichbaren Finanzierungshilfe
eingegangen wäre. Dabei komme dem Merkmal der Krise weiterhin
entscheidende Bedeutung zu. In einer solchen Krise habe sich aber
die GmbH im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaften
nicht befunden. Darüber hinaus sei bereits zweifelhaft, ob die
Bürgschaft vom Kläger überhaupt wie vom FG
angenommen als künftiger Gesellschafter oder nicht vielmehr
aus familiären Gründen übernommen worden ist. Selbst
wenn man dem FG in seiner Beurteilung grundsätzlich folgen
wollte, sei bei der Ermittlung der anzusetzenden
nachträglichen Anschaffungskosten zu berücksichtigen,
dass der Kläger bei Bürgschaftsübernahme noch nicht
Gesellschafter gewesen sei. Bis zum Erwerb der Gesellschaftsanteile
hätte der Kläger im Falle einer Insolvenz wie jeder
andere Gläubiger behandelt werden müssen. Daher
müsse für die Ermittlung der nachträglichen
Anschaffungskosten auf den Wert der Rückgriffsforderung im
Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile abgestellt werden. Diese sei aber
wegen der sich abzeichnenden Insolvenz der GmbH mit 0 EUR zu
bewerten.
|
|
|
7
|
Das FA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG vom 10.3.2015 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
8
|
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
9
|
II. Der Senat nimmt das Revisionsverfahren zum
Anlass, sich grundlegend mit der Rechtsfrage zu befassen, ob, unter
welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls in welchem Umfang
Aufwendungen des Gesellschafters aus einer zugunsten der
Gesellschaft geleisteten Finanzierungshilfe auch nach Inkrafttreten
des MoMiG als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen der
Ermittlung eines Veräußerungs- oder
Auflösungsverlusts nach § 17 EStG zu berücksichtigen
sind. Vor diesem Hintergrund hält es der Senat für
angezeigt, das Bundesministerium der Finanzen (BMF) an diesem
Revisionsverfahren zu beteiligen und zum Beitritt aufzufordern
(§ 122 Abs. 2 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung).
|
|
|
|
|