Die Beschwerde der Klägerin wegen
Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Hessischen
Finanzgerichts vom 23.3.2016 9 K 1614/15 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
1
|
I. 1. Nach Vorlage eines
Vermögensverzeichnisses durch die Klägerin und
Beschwerdeführerin (Klägerin), das Verbindlichkeiten in
Höhe von 873.878,89 EUR aufwies, denen mehrere Immobilien mit
geschätzten Verkehrswerten von 585.000 EUR
gegenüberstanden, hat die Beklagte und Beschwerdegegnerin (die
Steuerberaterkammer) nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 des
Steuerberatungsgesetzes (StBerG) die Bestellung der Klägerin
als Steuerberaterin widerrufen, wobei darauf hingewiesen wurde,
dass aufgrund einer Anzeige seit dem 13.7.2015 gegen die
Klägerin in England ein Insolvenzverfahren (Bankruptcy)
geführt werde.
|
|
|
2
|
Die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) urteilte, dass aufgrund der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin
ein Vermögensverfall zu vermuten sei. Dessen Eröffnung in
England sei unbeachtlich. Zudem habe die Klägerin den Eintritt
des Vermögensverfalls nicht widerlegt. Selbst nach dem Verkauf
der Immobilien würden erhebliche Verbindlichkeiten verbleiben.
Unzureichend sei der Vortrag, dass die Klägerin nicht mehr als
Einzelsteuerberaterin, sondern als Geschäftsführerin und
Alleingesellschafterin einer Steuerberatungsgesellschaft tätig
sei. Abgesehen davon ergebe sich ihre Unzuverlässigkeit in
eigenen Angelegenheiten aus den erheblichen
Steuerrückständen und aus der Verurteilung der
Klägerin wegen vollendeter und versuchter Steuerhinterziehung
zu einer erheblichen Geldstrafe.
|
|
|
3
|
Mit ihrer Beschwerde begehrt die
Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher
Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO
- ) und zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative
1 FGO). Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, ob die
Eröffnung eines Bankruptcy-Verfahrens nach englischem Recht
anders als eine Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht die
Vermutung des Vermögensverfalls widerlege oder gar nicht erst
zu begründen geeignet sei. Fehlerhaft habe das FG die
Besonderheiten des Insolvenzverfahrens nach Part IX Insolvency Act
1986 wissentlich außer Acht gelassen und die Wirkungen nach
Art. 17 der Verordnung (EU) 2015/848 (VO Nr. 2015/848) des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.5.2015 über
Insolvenzverfahren (Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L
141/19) unberücksichtigt gelassen, die darin bestünden,
dass eine Restschuldbefreiung automatisch und bereits nach einem
Jahr eintrete. Nur aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung
könne die Dauer verlängert werden. Die das Urteil
tragende Aussage des FG, es sei ungewiss, ob die Klägerin eine
Restschuldbefreiung erlangen könne, sei daher falsch. Wenn bei
einem Insolvenzverfahren nach deutschem Recht schon die
Ankündigung der Restschuldbefreiung und das Zustandekommen
eines Insolvenzplans die Vermutung des Vermögensverfalls
widerlegten, müsse dies auch für die Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens nach englischem Recht gelten.
|
|
|
4
|
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg, denn der
aufgeworfenen Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung
zu.
|
|
|
5
|
1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann
grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie
klärungsbedürftig ist. Das ist sie, wenn ihre
Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass mehrere Lösungen
vertretbar sind (vgl. Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung,
8. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu fordernden
Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn sich die
Beantwortung der Rechtsfrage ohne Weiteres aus dem klaren Wortlaut
und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage
offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner
Entscheidung getan hat, wenn die Rechtslage also eindeutig ist
(ständige Rechtsprechung, vgl. Beschlüsse des
Bundesfinanzhofs vom 18.12.1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl
II 1999, 231 = SIS 99 06 54, und vom 31.5.2000 X B 111/99, BFH/NV
2000, 1461 = SIS 00 61 16).
|
|
|
6
|
2. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die
Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in
Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die
Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein
Vermögensverfall wird u.a. vermutet, wenn ein
Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters
eröffnet ist. Nach den Feststellungen des FG ist über das
Vermögen der Klägerin in England ein Insolvenzverfahren
(Bankruptcy) nach Part IX Insolvency Act 1986 eröffnet worden.
Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein Insolvenzverfahren
eines anderen Mitgliedstaats, das in Anhang A VO Nr. 2015/848
aufgeführt ist. Nach Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 2015/848 sind die
Mitgliedstaaten verpflichtet, die Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens durch ein zuständiges Gericht eines
Mitgliedstaats anzuerkennen, sobald die Entscheidung im Staat der
Verfahrenseröffnung wirksam ist. Mit der VO Nr. 2015/848 wird
das Ziel einer Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der
Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung und die
Vermeidung eines sog. Forum Shopping verfolgt. Wesentlicher
Bestandteil der Strategie ist die gegenseitige Anerkennung von
Hauptinsolvenzverfahren, d.h. Insolvenzverfahren, die in dem
Mitgliedstaat eröffnet worden sind, in dessen Hoheitsgebiet
der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen
Interessen hat (Art. 3 Abs. 1 VO Nr. 2015/848).
|
|
|
7
|
Vor dem Hintergrund, dass die Eröffnung
eines Insolvenzverfahrens regelmäßig die
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzt (§ 17 Abs.
1 der Insolvenzordnung - InsO -, Section 272 (1) Insolvency Act
1986), hat der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zum
Schutz der Mandanteninteressen eine Regelung getroffen, die im Fall
der im Rahmen eines Insolvenzverfahrens festgestellten
Zahlungsunfähigkeit widerlegbar einen Vermögensverfall
unterstellt. Das Gesetz geht beim Vorliegen eines solchen
Vermögensverfalls ohne Weiteres davon aus, dass aufgrund der
desolaten wirtschaftlichen Situation des Steuerberaters die
Interessen der Auftraggeber gefährdet sind
(Senatsentscheidungen vom 4.3.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563,
BStBl II 2004, 1016 = SIS 04 21 13, und vom 22.9.1992 VII R 43/92,
BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203 = SIS 93 03 36). Denn bei
ungeordneten Vermögensverhältnissen besteht die Gefahr,
dass der Steuerberater zur Erlangung eines finanziellen Vorteils
seine beruflichen Pflichten verletzen und die Interessen seiner
Mandanten nicht mit der erforderlichen Unabhängigkeit und
Nachhaltigkeit verfolgen könnte. Dies gilt insbesondere in
Anbetracht des Umstands, dass der Steuerberater oftmals Fremdgelder
verwaltet und zu diesem Zweck Treuhandkonten unterhält.
|
|
|
8
|
Dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG
ist nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift lediglich auf nach den
Bestimmungen der InsO eröffnete Insolvenzverfahren Anwendung
finden soll. Vielmehr gebieten Ziel und Zweck der Regelung eine
Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auch auf Insolvenzverfahren,
die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union
eröffnet worden sind, zumal die Mitgliedstaaten mit der
Verabschiedung der VO Nr. 2015/848 deutlich zum Ausdruck gebracht
haben, dass sie den in anderen Mitgliedstaaten eröffneten
Insolvenzverfahren gleiche Wirkungen beimessen, weshalb - zumindest
aus verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten - eine gegenseitige
Anerkennung für notwendig erachtet wurde. Es ist kein Grund
ersichtlich, warum ein nach englischem Recht eröffnetes
Insolvenzverfahren, das ebenso wie ein nach deutschem Recht
eröffnetes Insolvenzverfahren die Zahlungsunfähigkeit des
Schuldners belegt, bei der Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4
StBerG keine Berücksichtigung finden sollte. Das FG hat somit
zu Recht entschieden, dass im Streitfall allein der Umstand, dass
das Insolvenzverfahren über das Vermögen der
Klägerin in England eröffnet wurde, für die
Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG unbeachtlich ist. Aus
diesem Grund kommt der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage keine
grundsätzliche Bedeutung zu.
|
|
|
9
|
3. Soweit die Klägerin beanstandet, dass
die tragende Begründung des FG hinsichtlich der Annahme und
Bestätigung eines Insolvenzplans und einer Restschuldbefreiung
in Anbetracht der zu berücksichtigenden Bestimmungen des
Insolvency Act 1986 falsch sei, wendet sie sich gegen eine
vermeintlich unzutreffende Rechtsanwendung. Angebliche Fehler bei
der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten
Einzelfall rechtfertigen jedoch für sich gesehen nicht die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
(Senatsbeschluss vom 6.10.2003 VII B 130/03, BFH/NV 2004, 215 = SIS 04 05 02), denn das prozessuale Rechtsinstitut der
Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, die Richtigkeit
finanzgerichtlicher Urteile umfassend zu gewährleisten.
|
|
|
10
|
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
|