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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) führt aus China eine wässrige Lösung
(HEDP-60) ein, die - abgesehen von hier nicht beachtlichen geringen
Mengen anderer chemischer Substanzen - zu 60 % aus
Hydroxyethandiphosphonsäure (auch bezeichnet als
Etidronsäure, HEDP) und zu 40 % aus Wasser besteht. Der
Wasseranteil ist der verbleibende Rest des Wassers, das der aus den
flüssigen Ausgangsprodukten Phosphortrichlorid und
Essigsäure gewonnenen Masse an Polykondensaten im
Überschuss zugesetzt wird, um einerseits diese
vollständig in Etidronsäure umzuwandeln und andererseits
die entstandene Salzsäure durch Destillation aus dem Produkt
zu entfernen.
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Am 23.3.2012 erteilte der Beklagte und
Revisionskläger (das Hauptzollamt - HZA - ) der Klägerin
eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA), mit der die Ware
antragsgemäß in die Unterposition 2931 90 90 der
Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht wurde. Weiter wurde der
Zusatzcode 2501 vergeben, der für pharmazeutische Stoffe gilt,
die nicht nach Teil I Titel II C Nr. 1 i.V.m. Teil III Abschnitt II
Anhang 3 KN (in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 - VO
Nr. 1006/2011 - der Kommission vom 27.9.2011 zur Änderung von
Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die
zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen
Zolltarif, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 282/1, 734)
zollfrei eingeführt werden können.
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Mit ihrer (Sprung-)Klage wandte sich die
Klägerin lediglich gegen die Vergabe des Zusatzcodes 2501. Sie
meinte, es müsse der Zusatzcode 2500 für zollfrei
einzuführende pharmazeutische Stoffe vergeben werden. Die Ware
werde mit der CAS RN (Chemical Abstracts Service Registry Number)
2809-21-4 im Teil III Abschnitt II Anhang 3 KN unter der
Bezeichnung „Etidronsäure“ genannt und sei somit
vom Zoll befreit. Dass die Etidronsäure nur 60 % der
Gesamtsubstanz ausmache, sei unerheblich. Pharmazeutische
Substanzen müssten zwar grundsätzlich in reiner Form
vorliegen, um in den Genuss der Zollfreiheit zu kommen. Nur
Substanzen, die der Grundsubstanz nachträglich
hinzugefügt würden, führten dazu, dass die
pharmazeutische Substanz nicht mehr in Reinform vorliege. Nur mit
Hilfe des zugeführten Wassers könnten die
Polykondensat-Zwischenprodukte vollständig in die
gewünschte Grundsubstanz „Etidronsäure“
umgesetzt werden. Wasser sei damit Teil der Grundsubstanz
„Etidronsäure“.
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Das Finanzgericht (FG) hat der Klage
stattgegeben und das HZA verpflichtet, eine vZTA zu erteilen, mit
der die streitige Ware in die Unterposition 2931 90 90 KN unter
Anwendung des Zusatzcodes 2500 für zollfrei einzuführende
pharmazeutische Erzeugnisse eingereiht wird. Etidronsäure der
Warennummer 2931 90 90 KN sei in der VO Nr. 1006/2011 unter der CAS
RN als pharmazeutischer Stoff, für den Zollfreiheit gelte,
aufgeführt. Für diese Stoffe sei der Zusatzcode 2500 zu
verwenden. Bei der streitgegenständlichen Ware handele es sich
trotz des Wasseranteils von 40 % um Etidronsäure in diesem
Sinne. Unter Bezugnahme auf die vom Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) mit Urteil vom 17.2.2011 C-11/10 -
Marishipping and Transport - (Slg. 2011, I-677 = SIS 11 06 31)
vorgenommene Auslegung der Vorgängerverordnung zur VO Nr.
1006/2011, wonach die Zollbefreiung nur pharmazeutischen Substanzen
zugutekomme, die - abgesehen von eventuellen in diesen Substanzen
vorhandenen Verunreinigungen aus Rückständen - in reiner
Form vorlägen, denen also keine anderen Substanzen
hinzugefügt worden seien, ist es zu der Auffassung gelangt,
das Wasser könne nicht als eine der Etidronsäure im Sinne
des EuGH-Urteils hinzugefügte Substanz angesehen werden. Da
die bei der Herstellung ablaufende Reaktion noch nicht bis ins
Letzte bekannt und daher unklar sei, welche Wassermenge mindestens
benötigt werde, müsse zwingend Wasser im Überschuss
zugeführt werden, damit sichergestellt werde, dass sich die
Etidronsäure vollständig ausbilde. Unstreitig sei, dass
Etidronsäure durch Reduktion des Wassers eine feste,
kristalline Struktur bekomme, die jedoch wegen ihres
hygroskopischen Charakters gleichwohl noch Wasserreste enthalte und
sich an der Luft wieder verflüssige. Auch die vom Vertreter
des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundesfinanzverwaltung
vorgelegte Warenprobe sei, obwohl es sich um ein Pulver gehandelt
habe, als Hydrat, also als wasserhaltig, gekennzeichnet gewesen.
Das Wasser sei also eine für den Herstellungsprozess
notwendige und auch in dem fertig hergestellten Erzeugnis
zwangsläufig vorhandene Substanz, deren Anteil unterschiedlich
groß sein könne, die aber letztlich, wenn nicht gar als
Bestandteil der Ware, so doch zumindest als herstellungsbedingter
Rückstand angesehen werden müsse.
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Mit der Revision verteidigt das HZA seine
Auffassung, es handele sich bei der eingeführten Ware nicht um
reine und damit zollfrei einzuführende Etidronsäure. Der
EuGH habe im Urteil in Slg. 2011, I-677 die Anwendung der
Zollbefreiung nach Teil I Titel II C KN dahingehend
eingeschränkt, dass nur pharmazeutische Stoffe in reiner Form
eine Zollbefreiung erhalten könnten. Die Zollbefreiung als
Ausnahmeregelung sei eng auszulegen. Außerdem würden
nach den Leitlinien zur Anwendung der Internationalen Freinamen
(INN), Freinamen nur für einzelne Substanzen, nicht für
Mischungen vergeben. Im Streitfall besäßen beide Stoffe
eigene CAS-Nummern (Etidronsäure 2809-21-4 und Wasser
7732-18-5).
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Reine Etidronsäure der CAS-Nummer
2809-21-4 sei nach übereinstimmenden Aussagen in der
Fachliteratur ein kristalliner Feststoff mit einem Schmelzpunkt von
103° bis 105° C. Demgegenüber liege die
eingeführte Ware unstreitig in Form einer gallertartigen Masse
vor, aus der die kristalline Etidronsäure erst in einem
weiteren Arbeitsschritt gewonnen werden könne. Angesichts des
Wasseranteils von 40 % - der im Übrigen auf Wunsch der
Klägerin absichtlich im Erzeugnis belassen worden sei -,
handele es sich also um ein Rohprodukt, das bei der gebotenen engen
Auslegung von der Befreiungsvorschrift nicht erfasst werde. Reine
Etidronsäure liege in Form des Monohydrats vor, in welchem
Wassermoleküle in das Kristallgitter eingelagert seien,
während in der wässrigen Lösung die
Etidronsäure- und die Wassermoleküle statistisch verteilt
seien, sich also gerade kein Kristallgitter ausbilde.
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Die Klägerin hebt hervor, die enge
Auslegung der Befreiungsvorschrift durch das EuGH-Urteil in Slg.
2011, I-677 sei nicht übertragbar. In dem dort entschiedenen
Fall seien der Grundsubstanz nachträglich andere Substanzen
hinzugefügt worden, während vorliegend Wasser im
Überschuss noch während des Herstellungsprozesses dem
Reaktionsgemisch beigegeben werde, um überhaupt erst
Etidronsäure in Form der Ware HEDP-60 herstellen zu
können. Wässrige Lösungen könnten demnach reine
Substanzen im Sinne des EuGH-Urteils sein, wenn und soweit es sich
- wie hier - um herstellungsbedingte „Verunreinigungen aus
Rückständen“ handele, und zwar unabhängig von
der Menge der „Verunreinigung“. Entgegen der
naturwissenschaftlichen - und teilweise unrichtigen - Argumentation
des HZA habe der EuGH den Begriffen „reine Form“ und
„Verunreinigung aus Rückständen“ ein
juristisch wertendes Verständnis zugrunde gelegt, nach dem es
nicht auf den Aggregatzustand der Etidronsäure ankomme,
sondern allein darauf, ob die zusätzliche Substanz
während des Herstellungsprozesses oder erst nachträglich
dem Erzeugnis hinzugefügt worden sei. Im Übrigen ergebe
sich aus Anmerkung 1 d zu Kapitel 29 KN, dass die Zollfreiheit auch
für wässrige Lösungen gelte.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1
FGO).
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Die vZTA, mit der das Erzeugnis
„HEDP-60“ mit dem Zusatzcode 2501 in die
Unterposition 2931 90 90 KN eingereiht worden ist, ist
rechtmäßig.
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1. Der Klägerin kann nicht darin gefolgt
werden, dass sich die Zollfreiheit bereits aus der zolltariflichen
Einreihung der Ware HEDP-60 in die Unterposition 2931 90 90 KN
ergibt.
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Zwar trifft es zu, dass nach Anmerkung 1
Buchst. d zu Kapitel 29 KN zur Position 2931 KN „Andere
organisch-anorganische Verbindungen:“ auch wässrige
Lösungen gehören. Mit der zolltariflichen Einreihung in
die Unterposition 2931 90 90 KN ist aber keine Aussage darüber
getroffen, ob für wässrige Lösungen einer Substanz
Zollbefreiung gewährt wird. Diese Entscheidung ist vielmehr
eigenständig in Teil I Titel II C Nr. 1 Ziff. 1 KN geregelt.
Danach sind nur die pharmazeutischen Substanzen, die sowohl durch
die CAS RN identifiziert als auch durch die INN, aufgelistet im
Anhang 3, erfasst werden, von den Zöllen befreit.
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Etidronsäure der Warennummer 2931 90 90
KN ist in Anhang 3 der VO Nr. 1006/2011 unter der CAS RN 2809-21-4
als pharmazeutischer Stoff, für den Zollfreiheit gilt,
aufgeführt. Für diesen Stoff ist als Maßnahme
geregelt, dass der Zusatzcode 2500 zu verwenden ist, während
für „andere“, unter die Unterposition
fallende Waren der Zusatzcode 2501 zu verwenden ist.
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2. Entgegen der Auffassung des FG ist die zu
tarifierende Ware HEDP-60 nicht identisch mit der unter der CAS RN
2809-21-4 gelisteten Etidronsäure. Der entscheidende
Unterschied besteht darin, dass HEDP-60 nach den
ausdrücklichen und von der Klägerin nicht in Frage
gestellten Feststellungen des FG neben der Etidronsäure
zu 40 % aus Wasser besteht.
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Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG,
der Wasseranteil sei für die Zollbefreiung als
Etidronsäure nicht schädlich, weil Wasser eine für
den Herstellungsprozess notwendige und auch in dem fertig
hergestellten Erzeugnis zwangsläufig vorhandene Substanz
sei.
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Denn der hier zu beurteilende Wassergehalt der
Ware HEDP-60 ist gerade nicht das für die chemische Reaktion
erforderliche und verwendete Wasser, sondern der verbliebene
Überschuss. Erst durch eine Reduktion dieses
überschüssigen Wassers wird die feste kristalline
Struktur der Etidronsäure erreicht.
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Mit den Ausführungen im EuGH-Urteil in
Slg. 2011, I-677 lässt sich die Auffassung des FG nicht
begründen. Der EuGH hatte die Frage zu beantworten, ob einer
in der Liste der Substanzen in Anhang 3 des Teils III KN
aufgeführten pharmazeutischen Substanz, der andere,
insbesondere pharmazeutische, Substanzen hinzugefügt worden
sind, noch die Zollbefreiung zugutekommen kann, die anwendbar
gewesen wäre, wenn diese Substanz in reiner Form vorgelegen
hätte. Er legt die zollbefreiende Regelung der KN dahin aus,
dass Substanzen nicht zollbefreit sind, wenn sie - abgesehen von
eventuellen in diesen Substanzen vorhandenen Verunreinigungen aus
Rückständen - nicht in reiner Form vorliegen. Substanzen
wie die von ihm zu beurteilenden, die der Grundsubstanz in
unterschiedlichen Mengen hinzugefügt worden sind und die als
solche nicht Teil dieser Substanz oder des Erzeugnisses sind, aus
dem die Substanz gewonnen wurde, erkennt der EuGH nicht als solche
- der Zollbefreiung unschädliche - Verunreinigungen aus
Rückständen an.
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Anders als das FG kann der Senat diesen
Darlegungen nicht entnehmen, dass befreiungsschädlich
nur Substanzen sein können, die der Grundsubstanz
hinzugefügt wurden und die in keinem unmittelbaren
Zusammenhang mit der Herstellung des Erzeugnisses stehen. Eine
derart erweiternde Interpretation des EuGH-Urteils widerspricht der
vorangestellten Grundaussage, wonach die Bestimmung, die die
Anwendung einer Zollbefreiung vorsieht, eine Ausnahme von dem
Grundsatz darstellt, dass in die Europäische Union
eingeführte Erzeugnisse generell zollpflichtig sind, und sie
daher als abweichende Bestimmung eng auszulegen ist.
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Abgesehen davon ist der 40%ige Wasseranteil
der Ware HEDP-60 selbst unter Zugrundelegung der Auffassung des FG
nicht als unschädliche „Verunreinigung aus
Rückständen“ anzusehen. Zwar ist Wasser nach
den Feststellungen des FG Teil der Grundsubstanz der
Etidronsäure. Die reine Etidronsäure in ihrer festen,
kristallinen Struktur entsteht aber erst durch Reduktion des
Wassers. Auch wenn diese Substanz als chemisches Endprodukt ein
Monohydrat, also wasserhaltig ist, ist es nicht identisch mit der
wässrigen Lösung der Ware HEDP-60. Der Wasseranteil der
Ware HEDP-60 ist nach der chemischen Reaktion mit Wasser, die zur
Herstellung der Etidronsäure erforderlich war, als
Überschuss an Wasser verblieben. Er ist gerade nicht Teil der
„reinen“ Etidronsäure der CAS RN 2809-21-4,
sondern Teil der wässrigen Lösung der Etidronsäure,
die in der Liste des Anhang 3 zu Teil III KN nicht aufgeführt
ist.
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Der Einwand der Klägerin,
Etidronsäure sei in der vorliegenden Lösung am besten
stabil zu halten und damit in dieser Form handelbar, ändert
daran ebenfalls nichts. Der EuGH hat die Zollbefreiung für
eine pharmazeutische Grundsubstanz (dort Chitosan) verneint, der
andere Substanzen zum Schutz (vor Oxydation) beigefügt waren,
um ihre Haltbarkeit zu verlängern, jedenfalls wenn es (wie
dort vom EuGH festgestellt und vorliegend unstreitig)
grundsätzlich möglich ist, die Substanz durch
Vakuumverpackung zu schützen. Anders als das FG meint, kann es
keinen Unterschied machen, dass im Streitfall Wasser Teil der
Grundsubstanz Etidronsäure ist und nicht - wie im Fall des
EuGH als „Fremdsubstanz“ - zu einem Zweck
zugeführt wurde, der für die Herstellung unerheblich ist.
Denn wie oben bereits erörtert, ist der Wassergehalt von
HEDP-60 gerade nicht das Wasser, welches für die Herstellung
der Etidronsäure erforderlich war, sondern die zu ihrem Schutz
belassene „Umhüllung“.
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