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I. Mit Schreiben vom 16.10.2012 hat der
Kläger, der nicht zu den in § 62 Abs. 2 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichneten Personen gehört,
beantragt, das Land Berlin zu verurteilen, ihm wegen der
unangemessenen Dauer des von ihm geführten finanzgerichtlichen
Verfahrens 4 K 4012/11 eine Entschädigung zu gewähren. Er
wurde durch das Schreiben der Geschäftsstelle des für
Entschädigungsklagen zuständigen Senats des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 29.10.2012 darauf hingewiesen, dass
wegen des beim BFH bestehenden Vertretungszwangs bereits die
Klageschrift von einer vertretungsberechtigten Person oder
Gesellschaft verfasst sein müsse, da die Klage ansonsten
unzulässig sei.
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Der Kläger ist demgegenüber der
Auffassung, wegen der nicht besonders komplizierten Materie bestehe
kein Grund für einen Vertretungszwang. Der BFH habe zudem
gemäß § 155 Satz 2 FGO in den
Entschädigungsklagen gemäß §§ 198 ff. des
Gerichtsverfassungsgesetzes ( - GVG - ; eingefügt durch Art. 1
des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren -
ÜberlVfRSchG - vom 24.11.2011, BGBl I 2011, 2302) die
Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug
anzuwenden. Da nach der FGO grundsätzlich kein
Vertretungszwang in Verfahren der ersten Instanz bestehe,
könne kein Vertretungszwang gelten. Dieser verstoße
ohnehin gegen Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der
Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK).
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II. Die Entschädigungsklage ist
unzulässig.
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1. Sie wurde nicht von einer
postulationsfähigen Person oder Gesellschaft erhoben.
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a) Vor dem BFH muss sich jeder Beteiligte,
sofern es sich nicht um eine juristische Person des
öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch
einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten,
Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als
Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt
sind auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und 3 des
Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln (§
62 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO).
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b) Dieser Vertretungszwang gilt auch bei
Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer
gemäß §§ 198 ff. GVG, für die in Bezug
auf die finanzgerichtlichen Verfahren ausschließlich der BFH
zuständig ist (§ 155 Satz 2 FGO). Auch bei den
Entschädigungsklagen sind die allgemeinen
Verfahrensvorschriften des Zweiten Teils der FGO, zu denen der in
§ 62 Abs. 4 FGO geregelte Vertretungszwang gehört,
anzuwenden (allgemeine Meinung, vgl.
Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen
Gerichtsverfahren, Teil 2 E. § 155 Rz 9; Brandis in Tipke/
Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 155 FGO Rz 17;
Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 155 FGO Rz 129;
Mack/ Wollweber, Steuerberatung 2012, 7; Steinhauff, juris
PraxisReport Steuerrecht 48/2012, Anm. 4, D; siehe
ausdrücklich zum Vertretungszwang bei
Entschädigungsverfahren vor den Oberlandesgerichten und dem
Bundesgerichtshof Gesetzentwurf des ÜberlVfRSchG, BTDrucks
17/3802, 25). Die in § 155 Satz 2 Halbsatz 2 FGO angeordnete
entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Verfahren im
ersten Rechtszug bezieht sich nur auf die §§ 63 bis 94a
FGO. Diese explizite Anordnung war notwendig geworden, weil der BFH
bislang erstinstanzlich nicht zuständig war.
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2. Entgegen der Auffassung des Klägers
verstößt der in § 62 Abs. 4 FGO normierte
Vertretungszwang nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere
nicht gegen Art. 6 EMRK.
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a) Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK hat jede
Person ein Recht darauf, dass über Streitigkeiten in Bezug auf
ihre zivilrechtlichen Ansprüche und Verpflichtungen von einem
unabhängigen Gericht in einem fairen Verfahren in angemessener
Frist verhandelt wird. Durch den Vertretungszwang des § 62
Abs. 4 FGO wird Art. 6 Abs. 1 EMRK - unbeschadet der Frage, ob
diese Regelung auf Entschädigungsklagen gemäß
§§ 198 ff. GVG überhaupt anwendbar ist - nicht
verletzt.
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aa) Es ist anerkannt, dass der Zugang zum
Gericht durch Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht absolut gewährleistet
wird (so Urteil des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte - EGMR - vom 21.2.1975 4451/70 -
Golder/Großbritannien -, Europäische Grundrechte
Zeitschrift - EuGRZ - 1975, 91), sondern inhärenten
Beschränkungen unterliegt (Peukert in Frowein/ Peukert,
EMRK-Kommentar, 3. Aufl., Art. 6 Rz 64). Dabei darf jedoch die in
Art. 6 EMRK gegebene Garantie nicht in ihrem Wesensgehalt
angetastet werden (EGMR-Urteile vom 28.5.1985 8225/78 -
Ashingdane/Großbritannien -, EuGRZ 1986, 8, Rz 57, und vom
10.5.2001 29392/95 - Z u.a./Großbritannien -, Zentralblatt
für Jugendrecht 2005, 154, Rz 93). Die Beschränkungen
müssen im Interesse einer geordneten Rechtspflege erforderlich
sein, ein berechtigtes Ziel verfolgen und
verhältnismäßig sein (EGMR-Urteil vom 18.2.1999
26083/94 - Waite u. Kennedy/Deutschland -, NJW 1999, 1173, Rz 59;
Meyer-Ladewig, EMRK, Handkommentar, 3. Aufl., Art. 6 Rz 37).
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bb) Der vor dem BFH bestehende
Vertretungszwang dient zum einen dem Schutz des Gerichts vor einer
Belastung mit Rechtsmitteln, deren Erfolgsaussichten die
Beteiligten nach ihrer Vorbildung nicht richtig einzuschätzen
in der Lage sind und folglich auch nicht richtig und fachkundig zu
führen wissen; zum anderen kommt er aber auch dem Schutz der
Rechtssuchenden zugute, die sich durch einen Angehörigen der
in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Berufsgruppen vertreten
lassen müssen (BFH-Beschluss vom 19.1.2012 VI B 98/11, BFH/NV
2012, 759 = SIS 12 10 51, m.w.N.). Die Einschränkung des
Zugangs zum Gericht durch den Vertretungszwang wird zudem dadurch
gemildert, dass ein Steuerpflichtiger bei Bedürftigkeit
Anspruch auf Prozesskostenhilfe gemäß § 142 FGO
i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat und ihm
für den Fall, dass er keinen zur Vertretung bereiten
Prozessbevollmächtigten findet, ein Notanwalt gemäß
§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 78b ZPO beizuordnen ist.
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Der Anwaltszwang für bestimmte Verfahren
bzw. bei bestimmten Gerichten ist auch vom EGMR als unbedenklich
angesehen worden (vgl. Urteile vom 24.11.1986 9063/80 - Gillow/
Großbritannien -, Entscheidungen des Europäischen
Gerichtshofs für Menschenrechte 3, 306, Rz 69, und vom
10.5.2007 76680/01 - A.S./Deutschland -, juris, Rz 107 ff.). Das
gilt nicht nur für Berufungs- oder Revisionsverfahren, sondern
auch für den Vertretungszwang in einem - wie im Streitfall
gegebenen - erstinstanzlichen Verfahren (vgl. die bei Frowein/
Peukert, a.a.O., Art. 6 Rz 65 in Fußnote 191 zitierte
EGMR-Rechtsprechung).
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b) Der Vertretungszwang ist
verfassungsgemäß. Er verstößt nicht gegen die
Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG), da
die Anrufung des BFH dadurch weder unzumutbar noch in sachlich
nicht zu rechtfertigender Weise erschwert wird (vgl. jüngst
BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 759 = SIS 12 10 51, m.w.N., sowie
Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11.10.1976 1
BvR 373/76, HFR 1977, 33). Auch wird der Kläger durch §
62 Abs. 4 FGO nicht in unzulässiger Weise in seiner
allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG
eingeschränkt, da der Vertretungszwang der
Funktionsfähigkeit des BFH sowie dem Schutz des
Steuerpflichtigen dient (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl.
u.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2012, 759 = SIS 12 10 51, m.w.N.;
siehe auch oben unter II.2.a bb). § 62 Abs. 4 FGO verletzt
ebenfalls nicht den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103
Abs. 1 GG), denn der Vertretungszwang erweist sich aufgrund des mit
ihm verbundenen Entlastungszwecks „als nicht sachlich
ungerechtfertigt“ (BVerfG-Beschluss vom 20.8.1992 2 BvR
1000/92, HFR 1992, 729 zur Vorgängervorschrift des Art. 1 Nr.
1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs;
BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2012, 759 = SIS 12 10 51, und vom
12.11.2008 X B 203/08, Zeitschrift für Steuern und Recht 2009,
R44).
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c) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
führt § 62 Abs. 4 FGO auch zu keinem Verstoß gegen
Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen
Union. Danach kann sich jede Person beraten, verteidigen und
vertreten lassen. Mit dieser Bestimmung wird dem Einzelnen das
Recht eingeräumt, sich vor Gericht vertreten zu lassen. Das
Recht, sich beraten, verteidigen und vertreten zu lassen, nimmt den
Mitgliedstaaten jedoch nicht die Möglichkeit, aus
verfahrensökonomischen Gründen vor bestimmten Gerichten
einen Vertretungszwang vorzusehen (siehe BFH-Beschlüsse vom
22.7.2010 V S 8/10, BFH/NV 2010, 2095 = SIS 10 32 45, und in BFH/NV
2012, 759 = SIS 12 10 51).
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