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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) stellt Damenoberbekleidung
her und war im Besitz einer im August 2000 erteilten Bewilligung
für die passive Veredelung entsprechender Vormaterialien als
Waren der vorübergehenden Ausfuhr zur Verarbeitung zu
Bekleidung als Veredelungserzeugnisse. Ohne von dieser Bewilligung
Gebrauch zu machen, führte die Klägerin von Juni bis
November 2005 in 37 Fällen in Mazedonien hergestellte
Damenoberbekleidung in das Zollgebiet der Gemeinschaft ein, die
wegen vorgelegter Präferenznachweise zum Zollsatz
„frei“ abgefertigt wurde.
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Nachdem die Klägerin das Hauptzollamt
X (HZA X) im Februar 2006 unterrichtet hatte, dass bei fünf
der genannten 37 Einfuhren (Anlage 8 zum späteren
Prüfungsbericht vom 3.1.2008) die Zollpräferenz wegen
Verwendung von Stoffen türkischen Ursprungs zu Unrecht in
Anspruch genommen worden sei, erhob das HZA X den auf die
Einfuhrwaren entfallenden Zoll mit Bescheid vom 8.2.2006 nach,
wobei es die Abgaben unter Gewährung der für
Veredelungserzeugnisse des passiven Veredelungsverkehrs
vorgesehenen teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben
(gemäß Art. 150 Abs. 2 des Zollkodex - ZK - ) und in
Anwendung der sog. Mehrwertmethode (Art. 153 ZK)
festsetzte.
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Nach dem Beginn einer Prüfung bei der
Klägerin im Oktober 2006 beantragte sie mit Schreiben vom
7.12.2007 die Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK für
sämtliche Einfuhren von Bekleidung aus Mazedonien. Aufgrund
der im Prüfungsbericht vom 3.1.2008 festgehaltenen
Prüfungsergebnisse war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Hauptzollamt - HZA - ) jedoch der Ansicht, dass der Zoll für
alle 37 Einfuhrsendungen (Anlagen 7 und 8 zum Prüfungsbericht)
ohne die für Veredelungserzeugnisse des passiven
Veredelungsverkehrs vorgeschriebene Abgabenberechnung festzusetzen
sei, und erhob mit Bescheid vom 4.7.2008 die entsprechenden
Einfuhrabgaben nach; die weiteren mit diesem Einfuhrabgabenbescheid
festgesetzten Abgaben sind nicht mehr im Streit.
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Das Finanzgericht (FG) wies die nach
erfolglosem Einspruch erhobene Klage aus den in der ZfZ 2010,
Beilage 2, 19 veröffentlichten Gründen ab, soweit sich
diese gegen die Nacherhebung des Zolls für die in den Anlagen
7 und 8 zum Prüfungsbericht aufgeführten Einfuhren
richtet.
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Mit ihrer Revision macht die Klägerin
geltend, dass Art. 150 Abs. 2 ZK auch in Fällen wie dem
Streitfall Anwendung finden könne, in denen die Waren nicht in
das Zollverfahren der passiven Veredelung übergeführt
worden seien, denn zu den einzuhaltenden Bedingungen für die
vollständige oder teilweise Befreiung von Einfuhrabgaben
gehöre auch die Überführung der Waren in dieses
Zollverfahren. Die Dienstvorschrift zur passiven Veredelung sehe
auch Entsprechendes vor, wenn das passive Veredelungsverfahren
wegen einer für die Einfuhrware erwarteten Zollpräferenz
nicht in Anspruch genommen werde.
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II. Die Revision ist nur insoweit
begründet, als die Klage gegen die gemäß Anlage 8
zum Prüfungsbericht festgesetzten Einfuhrabgaben abgewiesen
worden ist (3.). Im Übrigen ist die Revision unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Der angefochtene
Einfuhrabgabenbescheid ist, soweit er die in der Anlage 7 zum
Prüfungsbericht aufgeführten Einfuhren betrifft,
rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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1. Der erkennende Senat geht mit dem FG davon
aus, dass die mit dem angefochtenen Bescheid vom 4.7.2008
festgesetzte Einfuhrzollschuld gemäß Art. 201 Abs. 1
Buchst. a ZK durch Überführung der Einfuhrwaren in den
zollrechtlich freien Verkehr entstanden ist, weil die seinerzeit
zur Erlangung der beantragten Zollpräferenz vorgelegten
Warenverkehrsbescheinigungen EUR.1 wegen Verwendung türkischer
Ursprungswaren bei der Warenherstellung unrichtig waren, und dass
die bei der Einfuhrabfertigung wegen der vorgelegten
Präferenzbescheinigung nicht erhobenen Abgaben
gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachzuerheben waren. Gegen die
diesbezüglichen Ausführungen des FG in dem angefochtenen
Urteil, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird,
erhebt die Revision keine rechtlichen Einwendungen.
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2. Das FG hat auch zu Recht entschieden, dass
die für wieder eingeführte Veredelungserzeugnisse
vorgesehene vollständige oder teilweise Befreiung von den
Einfuhrabgaben nicht zu gewähren ist, denn die für die
aus Mazedonien eingeführten Textilien verwendeten
Vormaterialien sind nicht in das Zollverfahren der passiven
Veredelung übergeführt worden. Art. 150 Abs. 2 ZK, der
ausnahmsweise auch bei Nichterfüllung der Bedingungen oder
Verpflichtungen in Verbindung mit dem Verfahren der passiven
Veredelung die vollständige oder teilweise Abgabenbefreiung
ermöglicht, sofern die Versäumnisse ohne wirkliche Folgen
für das reibungslose Funktionieren des passiven
Veredelungsverfahrens geblieben sind, findet daher im Streitfall
keine Anwendung.
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a) Indem Art. 150 Abs. 2 ZK für die
Berechnung der Höhe einer entstandenen Zollschuld vorschreibt,
dass die Abgabenbefreiung für Veredelungserzeugnisse im
passiven Veredelungsverkehr grundsätzlich nicht zu
gewähren ist, wenn Bedingungen oder Verpflichtungen in
Verbindung mit diesem Zollverfahren nicht erfüllt werden,
jedoch Ausnahmen gestattet, soweit diese Verfehlungen keine
wirklichen Folgen für das Verfahren der passiven Veredelung
hatten, entspricht er Art. 204 Abs. 1 ZK, der hinsichtlich der
Entstehung der Zollschuld in gleicher Weise bei Nichterfüllung
der sich aus der vorübergehenden Verwahrung oder aus der
Inanspruchnahme eines bestimmten Zollverfahrens ergebenden
Pflichten bzw. Fehlen der Voraussetzungen für die
Überführung in dieses Zollverfahren die Zollschuld
entstehen lässt, es sei denn, dass sich die Verfehlungen
nachweislich auf die vorübergehende Verwahrung oder das
betreffende Zollverfahren nicht wirklich ausgewirkt haben. Beide
Vorschriften geben im Fall für die Entstehung bzw. Höhe
der Zollschuld relevanter Verfehlungen dem Zollschuldner die
Möglichkeit nachzuweisen, dass die Verfehlung keine Auswirkung
auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden
Zollverfahrens hatte (so auch: Kielmann in Dorsch, Zollrecht, Art.
150 Rz 6). Ebenso wie bei Art. 204 Abs. 1 ZK sich die Pflichten und
Bedingungen, deren Nichterfüllung zur Entstehung der
Zollschuld führt, aus der vorübergehenden Verwahrung oder
aus der Inanspruchnahme des Zollverfahrens ergeben, in das die
Waren übergeführt worden sind (vgl. Witte, Zollkodex, 5.
Aufl., Art. 204 Rz 3, 26 f.), ist auch der Wortlaut des Art. 150
Abs. 2 ZK dahin zu verstehen, dass es sich bei den dort genannten
Bedingungen und Verpflichtungen um solche handelt, die sich aus der
(bereits erfolgten) Inanspruchnahme des Zollverfahrens der passiven
Veredelung ergeben (ebenso: Kielmann in Dorsch, a.a.O., Rz 8;
Witte, a.a.O., Art. 150 Rz 17; a.A. offenbar: Müller-Eiselt,
Der Veredelungsverkehr, I 41/16 f.).
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Anders als die Revision meint, wird ihre
Auslegung des Art. 150 Abs. 2 ZK durch dessen englische
Sprachfassung nicht gestützt. Die englischen Worte
„relating to (sich beziehen auf) the outward processing
procedure“ unterscheiden sich von der deutschen Wendung
„in Verbindung mit dem Verfahren der passiven
Veredelung“ nicht in einer Weise, die es nahe legt, auch
die fehlende Überführung von Ausfuhrwaren in das
Verfahren der passiven Veredelung als eine nicht erfüllte
Bedingung oder Verpflichtung in Verbindung mit diesem Verfahren
anzusehen. Darüber hinaus kommt der englischen Sprachfassung
auch kein Vorrang zu. Vielmehr ist eine unionsrechtliche
Bestimmung, falls ihre Sprachfassungen voneinander abweichen,
anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung, zu
der sie gehört, auszulegen (Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union - EuGH - vom 24.10.1996 C-72/95, Slg. 1996,
I-5403).
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Der Zweck der Regelung ist es - wie
ausgeführt -, dass im Verfahren der passiven Veredelung
auftretende Versäumnisse ausnahmsweise dann keine
schädlichen Auswirkungen auf die vollständige oder
teilweise Befreiung von den Einfuhrabgaben haben, wenn sie auch
ohne negative Auswirkungen auf das Funktionieren des Verfahrens
geblieben sind. Unterstützt wird dieses Verständnis durch
den Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht. Sie findet sich im
Gliederungsabschnitt „III. Durchführung des
Verfahrens“ (der passiven Veredelung), der Vorschriften
über die Bestimmung der Frist zur Wiedereinfuhr der
Veredelungserzeugnisse, über die durch die Abgabenbefreiung
begünstigte Person sowie über die unterschiedlichen
Methoden zur Berechnung der Abgabenbefreiung enthält, die alle
einen bereits eröffneten passiven Veredelungsverkehr
betreffen. Dementsprechend schreibt Art. 150 Abs. 2 ZK vor, dass
die vollständige oder teilweise Befreiung von den
Einfuhrabgaben (für notwendigerweise bereits in den passiven
Veredelungsverkehr übergeführte Gemeinschaftswaren und
daraus hergestellte Veredelungserzeugnisse) nicht gewährt
wird, wenn eine der Bedingungen oder Verpflichtungen in Verbindung
mit diesem Verfahren nicht erfüllt ist. Dass außerdem
für Waren, die sich gar nicht im Zollverfahren der passiven
Veredelung befinden, keine vollständige oder teilweise
Befreiung von den Einfuhrabgaben nach den Vorschriften über
den passiven Veredelungsverkehr gewährt werden kann, ist eine
Selbstverständlichkeit, die keiner ausdrücklichen
Erwähnung bedurfte. Soweit also Art. 150 Abs. 2 ZK von seiner
Rechtsfolge der Versagung der Abgabenbefreiung eine Ausnahme
vorsieht, falls Versäumnisse ohne wirkliche Folgen für
das Funktionieren des Verfahrens geblieben sind, bezieht er
sich auf unterlaufene Versäumnisse in einem bereits
eröffneten Verfahren der passiven Veredelung und gestattet
keine Abgabenbefreiung für Veredelungserzeugnisse, deren
Vormaterialien nicht als Waren der vorübergehenden Ausfuhr in
das Zollverfahren der passiven Veredelung übergeführt
worden sind (ebenso: Witte, a.a.O., Art. 150 Rz 17; sowie
Berufungsentscheidung des österreichischen unabhängigen
Finanzsenats vom 12.11.2004 ZRV/0002-Z2L/02; und nachgehend:
Erkenntnis des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs vom
18.12.2006 2004/16/0279).
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Welche Versäumnisse im Verfahren der
passiven Veredelung als solche angesehen werden können, die
ohne Folgen für das reibungslose Funktionieren des Verfahrens
geblieben sind, machen die in Abs. 96 der Dienstvorschrift
„Passive Veredelung“ (Vorschriftensammlung der
Bundesfinanzverwaltung Z 16 01) genannten Beispiele deutlich (vgl.
auch: Deimel, Heilung von Verfehlungen im Zusammenhang mit der
passiven Veredelung nach Art. 150 Abs. 2 ZK, ZfZ 2011, 92). Wenn es
in Abs. 94 Unterabs. 3 dieser Dienstvorschrift heißt, dass
eine Heilung über Art. 150 Abs. 2 ZK bewirkt werden
könne, soweit wegen der erwarteten Begünstigung der
Einfuhr aufgrund der Ausstellung von Präferenznachweisen eine
Überführung in die passive Veredelung nicht stattgefunden
habe, kann dem aus den vorgenannten Gründen nicht gefolgt
werden. Es mag verschiedene Ursachen dafür geben, weshalb
Gemeinschaftswaren, welche in Drittländern be- oder
verarbeitet werden sollen, nicht in das Zollverfahren der passiven
Veredelung übergeführt werden. Weshalb einer der insoweit
denkbaren Gründe, nämlich eine für die wieder
eingeführten Veredelungserzeugnisse erwartete
Zollpräferenz, zu privilegieren ist, indem in einem solchen
Fall die Ausnahmeregelung in Art. 150 Abs. 2 ZK zur Anwendung
gelangt, ist nicht erkennbar.
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Der Senat hält es für zweifelsfrei,
dass Art. 150 Abs. 2 ZK nicht im Sinne der Auffassung der Revision
ausgelegt werden kann und sieht deshalb keine Verpflichtung, die
Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. EuGH-Urteil
vom 6.10.1982 283/81 - CILFIT -, Slg. 1982, 3415, 3430).
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b) Wenn somit für Waren, die in ein
Drittland ausgeführt wurden und in veredelter Form wieder in
das Zollgebiet der Union eingeführt werden, deren
Überführung in das Verfahren der passiven Veredelung
versäumt wurde, so lässt sich dieses Versäumnis nur
durch eine Ungültigerklärung der Ausfuhranmeldung und
ihre Ersetzung durch eine Anmeldung zur passiven Veredelung
bereinigen. Das Unionsrecht sieht mit den Vorschriften der Art. 66
ZK i.V.m. Art. 251 Nr. 1c Anstrich 2 und Art. 508 der
Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) unter den dort
beschriebenen Voraussetzungen die Möglichkeit einer
rückwirkenden Bewilligung eines Zollverfahrens mit
wirtschaftlicher Bedeutung mit anschließender
Ungültigerklärung der irrtümlich abgegebenen
Zollanmeldung vor, wenn der Zollbeteiligte im Zeitpunkt der
Warenausfuhr nicht im Besitz einer solchen Bewilligung war (vgl.
dazu auch Beispiel Nr. 5 zu Art. 508 Abs. 3 ZKDVO der Leitlinien
der Kommission in Verbindung mit Titel III „Zollverfahren
mit wirtschaftlicher Bedeutung“ (...), Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften 2001 Nr. C 269/1).
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Soweit in der Literatur die Ansicht vertreten
wird, diese Vorschriften seien auch zur Bereinigung solcher
Fälle (wie dem Streitfall) entsprechend anzuwenden, in denen
die Bewilligung eines passiven Veredelungsverkehrs erteilt wurde,
ihr Inhaber es aber gleichwohl irrtümlich (z.B. in Erwartung
einer späteren Einfuhrabfertigung zum Präferenzzollsatz)
unterlassen hat, Waren der vorübergehenden Ausfuhr zur
Überführung in die passive Veredelung anzumelden, (Witte,
a.a.O., Art. 150 Rz 18; ebenso Witte/Henke, a.a.O., Art. 85 Rz 31),
handelt es sich nicht um eine Auslegung des Art. 150 Abs. 2 ZK,
sondern um eine mit dem Argument des Erst-recht-Schlusses
begründete Anwendung der Art. 251 Nr. 1c Anstrich 2 und Art.
508 ZKDVO (so Witte, a.a.O., Art. 150 Rz 17, der es für die
Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK als unverzichtbar ansieht, dass
die Vormaterialien wirksam in das Verfahren der passiven Veredelung
übergeführt worden sind).
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Folgt man dieser Auffassung, sind aber
jedenfalls auch für diese Fälle einer bereits
vorliegenden Bewilligung des passiven Veredelungsverkehrs die
Voraussetzungen des entsprechend anzuwendenden Art. 508 ZKDVO zu
beachten, denn es besteht kein Grund, den Zollbeteiligten, der von
einer ihm erteilten Bewilligung eines passiven Veredelungsverkehrs
bei der Ausfuhr der Vormaterialien keinen Gebrauch macht,
hinsichtlich einer nachträglichen
„Umstellung“ seiner Ausfuhr auf einen passiven
Veredelungsverkehr besserzustellen als denjenigen, der im Zeitpunkt
der Ausfuhr nicht im Besitz einer Bewilligung war (vgl.
Witte/Henke, a.a.O., Art. 85 Rz 31, 32; ebenso: Witte, a.a.O., Art.
150 Rz 18, der auf das Nichtvorliegen betrügerischer Absicht
oder grober Fahrlässigkeit gemäß Art. 508 Abs. 3
Buchst. a ZKDVO hinweist).
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c) Im Streitfall kommt danach für die von
der Anlage 7 zum Prüfungsbericht erfassten Einfuhren auch bei
entsprechender Anwendung des Art. 508 ZKDVO eine teilweise
Befreiung von den Einfuhrabgaben für Veredelungserzeugnisse
des passiven Veredelungsverkehrs nicht in Betracht, weil die
mögliche Rückwirkung einer solchen Bewilligung den
Zeitraum, in dem die jeweiligen Vormaterialien ausgeführt
wurden, nicht erfasst.
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Hinsichtlich der zeitlichen Reichweite einer
rückwirkenden Bewilligung ist Art. 508 ZKDVO dreistufig
aufgebaut (Witte/ Henke, a.a.O., Art. 85 Rz 28 ff.): Die
Bewilligung wird frühestens ab dem Datum der Vorlage des
Antrags auf Erteilung der Bewilligung wirksam (Art. 508 Abs. 1
Unterabs. 2 ZKDVO). Im Fall einer vorausgegangenen, aber
abgelaufenen Bewilligung kann die erneuerte Bewilligung mit
Rückwirkung bis zu dem Zeitpunkt, an dem die vorausgegangene
unwirksam wurde, erteilt werden (Art. 508 Abs. 2 ZKDVO). In jedem
Fall, also auch in dem des vorgenannten Abs. 2, kann sich aber die
Rückwirkung ausnahmsweise nur auf einen Zeitraum von
längstens einem Jahr vor dem Zeitpunkt der Antragstellung
erstrecken, sofern eine wirtschaftliche Notwendigkeit nachgewiesen
wird (Art. 508 Abs. 3 ZKDVO).
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Da im Streitfall der (einem Antrag
gemäß Art. 508 ZKDVO entsprechende) Antrag der
Klägerin vom 7.12.2007 stammt, werden auch bei entsprechender
Anwendung des Art. 508 Abs. 3 ZKDVO alle streitigen Ausfuhren
gemäß Anlage 7 zum Prüfungsbericht von der nach
dieser Vorschrift längstmöglichen Rückwirkung nicht
erfasst. Die Frage, ob die übrigen in Art. 508 Abs. 3 ZKDVO
genannten Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind - was
insbesondere hinsichtlich der Voraussetzungen gemäß Art.
508 Abs. 3 Buchst. a und c ZKDVO zweifelhaft erscheint -, bedarf
daher keiner Entscheidung.
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3. Der Senat hat erwogen, ob hinsichtlich der
fünf Einfuhren der Anlage 8 zum Prüfungsbericht die
Unterrichtung des HZA X im Februar 2006 über die insoweit zu
Unrecht in Anspruch genommene Zollpräferenz als ein dem Antrag
gemäß Art. 508 ZKDVO entsprechender Antrag auf
Berechnung der Abgaben nach dem Verfahren der passiven Veredelung
angesehen werden kann, so dass die betroffenen Ausfuhren der
Vormaterialien evtl. noch innerhalb der rückwirkenden
Jahresfrist des Art. 508 Abs. 3 ZKDVO liegen könnten.
Wäre dies der Fall und sähe man die übrigen
Voraussetzungen dieser Vorschrift als erfüllt an, hätte
das HZA X die Einfuhrabgaben für die fünf Einfuhren in
zutreffender Höhe buchmäßig erfasst, so dass
weitere Abgaben nicht - wie mit dem angefochtenen Bescheid vom
4.7.2008 geschehen - hätten nacherhoben werden können.
Wäre dies nicht der Fall, stünde der Nacherhebung
jedenfalls Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK entgegen, weil dann die
buchmäßige Erfassung der Einfuhrabgaben mit einem
geringeren als dem geschuldeten Betrag auf einem Irrtum des HZA X
beruhte, der von der Klägerin vernünftigerweise nicht
erkannt werden konnte, da die Anwendung des Art. 150 Abs. 2 ZK auf
Fälle der vorliegenden Art seinerzeit nicht geklärt war
und nach der Dienstvorschrift „Passive
Veredelung“ sogar als zulässig anzusehen war.
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Die Nacherhebung der Einfuhrabgaben
gemäß Anlage 8 zum Prüfungsbericht ist somit in
jedem Fall rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren
Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
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