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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) begehrt Ausfuhrerstattung für eine Partie von
rund 25 Tonnen Schweinefleisch, die sie am 9.7.1999 zur Ausfuhr
angemeldet hat. Sie hat dabei eine von der Bundesanstalt für
Landwirtschaft und Ernährung (BLE) am 7.7.1999 nach der
Verordnung (EG) Nr. 1370/95 der Kommission vom 16.6.1995 mit
Durchführungsvorschriften für die Ausfuhrlizenzen im
Sektor Schweinefleisch (Amtsblatt der Europäischen
Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 133/9; im Folgenden: VO Nr. 1370/95)
erteilte Lizenz vorgelegt.
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Die VO Nr. 1370/95, die hier in der Fassung
der VO (EG) Nr. 1719/98 (ABlEG Nr. L 215/58) anzuwenden ist, macht
die Ausfuhr von Erzeugnissen des Sektors Schweinefleisch, für
die eine Ausfuhrerstattung beantragt wird, von der Vorlage einer
solchen Ausfuhrlizenz mit Vorausfestsetzung der Erstattung
abhängig. Nach ihrem Art. 3 Abs. 1 sind die Anträge auf
solche Ausfuhrlizenzen von Montag bis Freitag jeder Woche
einzureichen; erteilt werden die Ausfuhrlizenzen nach Art. 3 Abs. 3
grundsätzlich erst am Mittwoch der darauffolgenden Woche,
sofern die Kommission nicht bis dahin gemäß Art. 3 Abs.
4 Satz 1 Spiegelstrich 2 „die noch nicht beschiedenen
Anträge“ ablehnt.
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Abweichend von diesem Verfahren besteht
nach Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1370/95 auf Antrag des Marktbeteiligten
die Möglichkeit, eine Lizenz sofort zu erteilen, wobei - wie
im Streitfall geschehen - der Lizenz ein in der Verordnung
vorformulierter Vorbehalt einer Maßnahme nach Art. 3 Abs. 4
beizufügen ist. Ergreift die Kommission keine solche
Maßnahme, wird die Lizenz ab dem eben bezeichneten Mittwoch
für gültig erklärt; anderenfalls soll sie
entsprechend einer solchen Maßnahme geändert werden
(Art. 4 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1). Die Erstattung wird bei solchen
sog. Sofortlizenzen gemäß Art. 4 Abs. 5 frühestens
15 Arbeitstage nach dem Tag der Lizenzerteilung
gewährt.
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Mit der Verordnung (EG) Nr. 1526/1999 vom
13.7.1999 zur Bestimmung des Umfangs, in dem den
Ausfuhrlizenzanträgen für Erzeugnisse des Sektors
Schweinefleisch stattgegeben wird (ABlEG Nr. L 178/6; im Folgenden:
VO Nr. 1526/1999), hat die Kommission „unerledigte ...
Ausfuhrlizenzanträge, ... für die ab 14. Juli und ab
21.7.1999 Ausfuhrlizenzen erteilt werden müssten“,
abgelehnt. In den Erwägungsgründen hat sie dies damit
begründet, dass eine bevorstehende Änderung der
Erstattungssätze zur Folge habe, dass Lizenzen für
spekulative Zwecke beantragt würden; außerdem würde
die Erteilung von Lizenzen für die vom 5. bis 9. Juli und vom
12. bis 13. Juli beantragten Mengen eine Überschreitung der
Mengen zur Folge haben, die für einen normalen Absatz
erforderlich wären.
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Die der Klägerin erteilte Lizenz war
unter dem bereits erwähnten Vorbehalt mit folgendem Wortlaut
gestellt:
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„Ausfuhrlizenz, erteilt unter
Vorbehalt der besonderen Maßnahmen gemäß Art. 3
Abs. 4 VO (EG) Nr. 1370/95; Erstattung frühestens 15
Arbeitstage nach dem Tag der Erteilung zu
gewähren.“
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Mit Bescheid vom 16.7.1999 hat die BLE der
Klägerin mitgeteilt, dass diese Eintragung gemäß
Art. 4 Abs. 3 Buchst. b eben genannter Verordnung gestrichen und
durch die Eintragung „Ausfuhrlizenz ohne Anspruch auf
Erstattung“ ersetzt werde. Das hiergegen von der
Klägerin angestrengte Rechtsbehelfsverfahren ruht.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Hauptzollamt - HZA - ) hat den Erstattungsantrag der Klägerin
abgelehnt. Er ist jedoch vom Finanzgericht (FG) auf Klage
verpflichtet worden, der Klägerin Ausfuhrerstattung in
Höhe von rund 10.000 EUR zu gewähren. Das FG urteilte,
die Gewährung von Ausfuhrerstattung sei zwar gemäß
Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom
15.4.1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften
für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen
(ABlEG Nr. L 102/11) sowie Art. 13 Abs. 11 der Verordnung (EWG) Nr.
2759/75 des Rates vom 29.10.1975 über die gemeinsame
Marktorganisation für Schweinefleisch (ABlEG Nr. L 282/1; im
Folgenden: VO Nr. 2759/75) von der Vorlage einer Ausfuhrlizenz mit
Vorausfestsetzung der Erstattung abhängig. Die Klägerin
sei jedoch im Zeitpunkt der Ausfuhranmeldung im Besitz einer
solchen Ausfuhrlizenz gewesen. Daran ändere weder der
vorgenannte Bescheid der BLE noch Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95
etwas. Die in der der Klägerin erteilten Lizenz enthaltene
Bedingung entfalte nämlich keine Rückwirkung in der Form,
dass der sich aus der Ausfuhrlizenz ergebende Erstattungsanspruch
ex tunc entfalle. Die Änderung einer Lizenz könne nicht
rückwirkend in eine auflösend bedingt gewährte
Rechtsposition eingreifen und Art. 4 VO Nr. 1370/95 stelle auch
nicht eine unter Vorbehalt erteilte Lizenz einem unerledigten
Lizenzantrag gleich, welcher nach Art. 1 der VO Nr. 1526/1999 mit
den Ausfuhrlizenzanträgen, für die ab dem 14. Juli und ab
dem 21.7.1999 Lizenzen erteilt werden müssten, abzulehnen
gewesen wäre. Auch der letzte Satz eingangs genannten
Vorbehalts habe für den Erstattungsanspruch keine Bedeutung;
er besage nur etwas über den Zeitpunkt der
Erstattungsgewährung, ohne selbst auf
Erstattungsvoraussetzungen hinzuweisen.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die
Revision des HZA, zu deren Begründung vorgetragen
wird:
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Eine Sofortlizenz, wie sie der
Klägerin erteilt worden sei, stehe in Bezug auf ihre
Gültigkeit unter einem Vorbehalt, welcher sicherstelle, dass
der Kommission die ihr sonst vor der Lizenzerteilung
eingeräumte Bedenkzeit verbleibe. Für den Zeitraum
zwischen der (sofortigen) Lizenzerteilung und dem Mittwoch der
darauffolgenden Woche stehe also auch eine Sofortlizenz unter dem
Vorbehalt, dass die Kommission keine Maßnahmen nach Art. 3
Abs. 4 VO Nr. 1370/95 ergreift. Das habe das FG verkannt, wenn es
meine, die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Ausfuhranmeldung
eine gültige Ausfuhrlizenz besessen.
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Im Streitfall habe die Kommission
nämlich eine solche Maßnahme in Gestalt der VO Nr.
1526/1999 ergriffen. Diese lehne ihrem Wortlaut nach nur
unerledigte Lizenzanträge ab, wolle aber damit nicht etwa die
Inhaber von Sofortlizenzen besserstellen als solche, die eine
Lizenz im regulären Verfahren nach Art. 3 VO Nr. 1370/95
beantragt (und noch nicht erhalten) haben. Aus dem bei einer
Sofortlizenz eingetragenen Vorbehalt besonderer Maßnahmen der
Kommission werde für den Marktbeteiligten deutlich, dass er
mit der Inanspruchnahme der Lizenz ein wirtschaftliches Risiko
eingeht, weil auch er erst an dem Mittwoch, welcher auf die
Antragswoche folgt, eine gesicherte Rechtsposition hinsichtlich des
Erhalts von Ausfuhrerstattung erlange.
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Das HZA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
des HZA zurückzuweisen.
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Sie hält die Auslegung und Anwendung
der vorgenannten Verordnung in dem Urteil des FG für
zutreffend und beruft sich insbesondere darauf, dass Art. 3 Abs. 4
Satz 1 Spiegelstrich 2 VO Nr. 1370/95 nur die Ablehnung „der
noch nicht beschiedenen“ Anträge vorsehe.
Maßnahmen der Kommission nach Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95
versagten jedoch, wenn eine Ausfuhrlizenz bereits erteilt worden
und aufgrund dieser Lizenz die Ware zur Ausfuhr angemeldet worden
ist. Art. 4 VO Nr. 1370/95 enthalte keine Regelung, wonach dann die
bereits erworbene Rechtsposition wieder beseitigt werden soll. Das
komme noch klarer in der VO Nr. 1526/1999 zum Ausdruck, die sich
nur auf die Ablehnung „unerledigter“ Anträge
beziehe. Eine solche Beschränkung gebiete überdies der
Grundsatz der Rechtssicherheit.
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Die Klägerin ist darüber hinaus
der Ansicht, dass die VO Nr. 1526/1999 ungültig ist. Sie leide
an einem schweren Begründungsfehler, weil sie sich auf die
Verordnung (EWG) Nr. 2777/75 stütze, welche die
Geflügelfleisch-, nicht die Schweinefleischmarktordnung
regele. Sie sei auch zu spät erlassen worden, nämlich
nicht am Dienstag, dem 13. Juli - dem Tag, auf den sie nach dem
Verordnungstitel datiert ist -, sondern erst am Mittwoch, dem 14.
Juli - dem Tag der Ausgabe des Amtsblatts, in dem sie
veröffentlicht worden ist - . Nach Art. 3 Abs. 3 VO Nr.
1370/95 seien Ausfuhrlizenzen jedoch am Mittwoch zu erteilen, wenn
die Kommission nicht „bis dahin“, d.h. vor Beginn des
Mittwochs, besondere Maßnahmen nach Art. 3 Abs. 4 VO Nr.
1370/95 ergriffen habe.
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Die VO Nr. 1526/1999 verletze darüber
hinaus das Diskriminierungsverbot. Für Rindfleisch habe damals
eine Regelung bestanden, dass Lizenzanträge für eine
Menge von höchstens 25 Tonnen ohne Vorbehalt sofort beschieden
werden könnten. Eine entsprechende, im Streitfall anwendbare
Regelung für Schweinefleisch habe gefehlt. Sie sei erst durch
die Verordnung (EG) Nr. 2399/1999 der Kommission vom 11.11.1999 zur
Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/95 ... (ABlEG Nr. L
290/18; im Folgenden: VO Nr. 2399/1999) getroffen worden, deren
materielle Voraussetzungen - insbesondere hinsichtlich der
Geringfügigkeit der Exportmenge - das strittige Geschäft
der Klägerin erfülle. Diese Regelung sei zwar für
den Streitfall noch nicht anwendbar, die VO Nr. 1370/95 habe jedoch
insoweit eine offensichtliche Lücke enthalten, die unter den
Gesichtspunkten der Gleichbehandlung, der Zielsetzung der
Mengenbeschränkungen sowie der Billigkeit geschlossen werden
müsse. Dies gelte umso mehr, als es keinen Grund gebe,
zwischen der Erteilung einer Sofortlizenz im Rindfleischsektor und
im Schweinefleischsektor zu differenzieren.
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Weiterhin sei die VO Nr. 1526/1999 aus
folgendem Grunde unwirksam: Die Ermächtigungsgrundlage des
Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 beziehe sich in erster Linie auf die
Einhaltung mengenmäßiger Beschränkungen, wie sie
sich aus internationalen Übereinkommen ergäben. Hingegen
stelle die Begründung der VO Nr. 1526/1999 nicht darauf ab,
dass die vorliegenden Anträge die international festgelegten
Mengen überschritten, sondern sie äußere nur die
vage Vermutung, dass eine solche Mengenüberschreitung
eintreten könne. Das reiche für die Anwendung des Art. 3
Abs. 4 VO Nr. 1370/95 nicht aus.
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Im Übrigen bezweifelt die
Klägerin, dass eine Mengenüberschreitung angesichts eines
Exportvolumens von fast 900.000 Tonnen für das Jahr 1999/2000
bei im Zeitraum vom 5. bis 9.7.1999 gestellten Lizenzanträgen
für ca. 35 Tonnen gedroht habe. Ferner habe die Kommission bei
Erlass der VO Nr. 1526/1999 unzulässigerweise nicht nur die
vorausgegangene Woche, sondern auch den Montag und Dienstag vor
Inkrafttreten der Verordnung miteinbezogen. Allein zur
Einschränkung des erstattungsfähigen Ausfuhrvolumens im
Interesse der Begrenzung der Ausgaben der Gemeinschaft habe
überdies entgegen der Auffassung des HZA eine besondere
Maßnahme nicht getroffen werden dürfen.
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Schließlich sei die VO Nr. 1526/1999
auch mangels einer ausreichenden Begründung ungültig.
Abgesehen davon, dass Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95, der bei einer
Ausgabenüberschreitung besondere Maßnahmen der
Kommission vorsehe, in der Rats-VO Nr. 2759/75 keine Grundlage
habe, könne sich eine relevante Ausgabenüberschreitung im
Sinne jener Vorschrift nur aus einer Mengenüberschreitung
ergeben, die jedoch nicht vorgelegen und auch nicht gedroht habe.
Dementsprechend sei die VO Nr. 1526/1999 auch mit
„Problemen“ und einer angeblich bevorstehenden
Beantragung von Ausfuhrlizenzen für spekulative Zwecke
begründet worden. Die Probleme seien nicht konkretisiert,
Letzteres sei nur eine „allgemeine Vermutung“. Für
die Klägerin sei dementsprechend kein Risiko erkennbar
gewesen, dass die Kommission von der Ermächtigung des Art. 3
Abs. 4 VO Nr. 1370/95 - erstmals seit 1995 - Gebrauch machen werde.
Überdies liege die vorgenannte Begründung außerhalb
des Ermächtigungsrahmens. Die VO Nr. 1526/1999 habe den
Vorbehalt des Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 missbraucht, um
verbindlich im Voraus fixierte Ausfuhrerstattungen nicht zahlen zu
müssen.
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Endlich sei die VO Nr. 1526/1999 auch wegen
Verstoßes gegen die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit unwirksam.
Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, Art. 3 Abs. 4 ebenso
wie Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1370/95 dahin auszulegen, dass die
Ablehnung eines Antrags und die Rückforderung einer Lizenz zu
unterbleiben haben, wenn von der Ausfuhrlizenz bereits Gebrauch
gemacht und damit von dem Ausführer die erwartete
Ausfuhrerstattung bereits vorfinanziert worden ist.
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Auch habe der Grundsatz, dass das den
Ausführer am wenigsten belastende Mittel gewählt werden
müsse, geboten, lediglich gemäß § 3 Abs. 4
Satz 1 Spiegelstrich 1 VO Nr. 1370/95 die Mengen, für welche
Lizenzen gewährt wurden, durch einen einheitlichen Prozentsatz
zu kürzen. Trotz dieses - zur Erreichung des von der
Kommission angestrebten Ziels der Verhinderung einer
Mengenüberschreitung tauglichen und ausreichenden - Mittels,
Lizenzanträge abzulehnen, verstoße es gegen den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil es mit dem
Ziel der Ausgabebeschränkung ein nicht legitimes Ziel verfolge
- Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 diene nur der Einhaltung von
Mengenbeschränkungen -, und gegen das
Übermaßverbot. Da die Klägerin die durch die
Maßnahme der Kommission betroffene Menge schon exportiert
hatte, sei eine Mengenbeschränkung überdies nicht mehr
durchsetzbar gewesen.
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Die Maßnahme der Kommission
führe im Übrigen zu einer ungerechtfertigten finanziellen
Last für die Klägerin. Das Institut der Sofortlizenz
solle die Exporteure in die Lage versetzen, für die
Wahrnehmung von Geschäften kurzfristig Entscheidungen
über die Lizenzerteilung zu erhalten. Der Exporteur müsse
dann aber auch die Sicherheit haben, keinen Schaden zu erleiden,
wenn er die Sofortlizenz im Rahmen eines Exportgeschäfts
einsetze. Sonst sei die Sofortlizenz ein totes Instrument, weil
kein Exporteur das Risiko übernehmen könne, später
keine Ausfuhrerstattung zu erhalten. Dem habe die VO Nr. 2399/1999
später auch Rechnung getragen.
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II. Die Revision des HZA ist begründet
und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG verletzt
Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO); es ist auch nicht im Ergebnis
richtig (§ 126 Abs. 4 FGO), denn die hier einschlägigen
Rechtsvorschriften sind nicht nichtig.
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1. Die der Klägerin gemäß Art.
4 Abs. 1 VO Nr. 1370/95 erteilte sog. Sofortlizenz stand
ausdrücklich unter dem Vorbehalt, dass die Kommission nicht
gemäß Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 sog. besondere
Maßnahmen ergreifen werde, wie es dann jedoch
tatsächlich geschehen ist. Dass in dem - hier eingetretenen -
Fall, dass besondere Maßnahmen ergriffen werden, eine
Sofortlizenz nicht gemäß Art. 4 Abs. 2 VO Nr. 1370/95
für gültig zu erklären, sondern gemäß
Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1370/95 zurückzufordern und zu
ändern ist, ergibt sich klar und eindeutig aus den eben
genannten Vorschriften. Dass nämlich Sofortlizenzen nicht
generell - unabhängig davon, wann von ihnen Gebrauch gemacht
wird - vor den genannten besonderen Maßnahmen sicher sind
und, sobald erteilt, nicht mehr geändert werden dürfen,
liegt ohnehin auf der Hand und bedarf im Grunde keiner näheren
Ausführung; es nähme nämlich, wie die Revision
überzeugend vorträgt, bei Sofortlizenzen der Kommission
die Bedenkzeit, die sie benötigt, um über die
Erforderlichkeit besonderer Maßnahmen zu entscheiden, was ihr
der in Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 1370/95 vorgeschriebene Vorbehalt bei
solchen Lizenzen jedoch gerade ermöglichen soll.
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Von der Anwendung des Art. 4 Abs. 3 VO Nr.
1370/95 nur solche Sofortlizenzen auszunehmen, von denen bereits -
durch die Ausfuhr der betreffenden Waren - Gebrauch gemacht worden
ist, wenn die Kommission besondere Maßnahmen ergreift -
worauf die Argumentation des FG hinausläuft -, bietet der
Wortlaut der Vorschriften keinerlei Anhaltspunkt. Es lässt
sich insbesondere auch nicht daraus folgern, dass die VO Nr.
1526/1999 nur von Ausfuhrlizenzanträgen spricht, auf welche
Lizenzen noch erteilt werden müssten, bzw. von
„unerledigten“ Lizenzanträgen; denn dass
die Anordnung, solche Anträge abzulehnen, die Folge hat, dass
bereits erteilte Sofortlizenzen zurückzufordern und zu
ändern sind, ergibt sich aus Art. 4 VO Nr. 1370/95 und ist
zumindest wegen der aufgrund dieser Vorschrift erforderlichen
entsprechenden Anwendung der VO Nr. 1526/1999 geboten, welche
ersichtlich die Behandlung bereits erteilter Sofortlizenzen nicht
besonders regelt. Es ist auch nicht erkennbar, was den
Verordnungsgeber hätte veranlasst haben können und was
unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes
überhaupt zulassen würde, die Inhaber frühzeitig
ausgenutzter Sofortlizenzen entgegen dem Bestreben, der Kommission
eine Kontrolle über den Umfang der Lizenzerteilung zu
ermöglichen, in dem von der Klägerin für richtig
gehaltenen Umfang besserzustellen als alle anderen Exporteure. Ob
es zutrifft, dass sonst die Sofortlizenz für den Handel keinen
Gewinn bringt - wie die Klägerin offenbar meint -, kann
dahinstehen; es könnte allemal nicht rechtfertigen, mit der
Erteilung einer Sofortlizenz Rechtsvorteile zu verbinden, die nach
dem deutlich erkennbaren Willen des Gemeinschaftsrechts mit ihr
nicht verbunden sein sollen.
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Auch Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 Buchst. b VO
Nr. 1370/95, wo von dem Fall die Rede ist, dass „die
Lizenzanträge abgelehnt wurden“, stellt die
Richtigkeit dieses Normverständnisses nicht in Frage. Vielmehr
bezieht sich diese Wendung ersichtlich nicht auf die (in den
Fällen des Art. 4 Abs. 3 VO Nr. 1370/95 notwendigerweise
bereits erteilte) Sofortlizenz des betreffenden Beteiligten,
sondern auf die Entscheidung der Kommission, noch nicht beschiedene
(„normale“) Anträge abzulehnen (Art. 3 Abs.
4 Satz 1 Anstrich 2 VO Nr. 1370/95), welche die Folge hat, dass
bereits erteilte (Sofort-)Lizenzen zurückgefordert werden
(Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 VO Nr. 1370/95).
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Für die abweichende Auffassung des FG
lässt sich nach alledem allenfalls die - vom FG
tatsächlich aufgrund des „allgemeinen
verwaltungsverfahrensrechtlichen bzw. abgabenrechtlichen
Verständnisses“ angestellte - Überlegung
anführen, eine einem Bescheid beigefügte auflösende
Bedingung wie der Vorbehalt, welcher der der Klägerin
erteilten Lizenz beigefügt war, könne nicht
rückwirkend Rechtspositionen beseitigen, sondern nur - von dem
Zeitpunkt aus gesehen, in dem die Bedingung eintritt - in die
Zukunft wirken. Diese Auffassung ist indes unzutreffend und vom FG
auch nicht mit irgendwelchen nachvollziehbaren Erwägungen
begründet worden. Das von ihm allein in Anspruch genommene
allgemeine Verständnis ist dem erkennenden Senat nicht
geläufig und konnte in Rechtsprechung und Schrifttum auch
nicht nachgewiesen werden. Dass eine Bedingung eine auflösende
ist, besagt nämlich nur, dass der Bescheid, dem sie
beigefügt ist, solange Rechtswirkung hat, bis die Bedingung
eintritt. Ob dann der Bescheid als von Anfang an unwirksam zu
behandeln ist oder nur seine Wirkung für die weitere Zukunft
einbüßt, hängt von der inhaltlichen Fassung der
betreffenden Bedingung, nicht von ihrer Qualifikation als
auflösende Bedingung ab. Es gibt auch keinen allgemeinen
gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, der es verböte, eine
Begünstigung unter eine Bedingung zu stellen, die, wenn sie
eintritt, dem Begünstigten rückwirkend die
Begünstigung nimmt, oder der dies zumindest dann verböte,
wenn der Begünstigte im Hinblick auf die ihm bedingt
gewährte Begünstigung bereits irreversible
Vermögensdispositionen getroffen hat. Auf den Grundsatz der
Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes könnte er sich
jedenfalls nicht berufen; mag er doch im Hinblick auf die ihm
(bedingt) gewährte Begünstigung irreversible
Dispositionen erst treffen, wenn er sich sicher ist, dass die
Bedingung nicht eintreten wird.
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2. Die hier einschlägigen Regelungen der
VO Nr. 1370/95 und die VO Nr. 1526/1999 sind entgegen der
Auffassung der Klägerin auch nicht unwirksam.
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a) Jene stellt für die Lizenzerteilung
mit dem Institut der Sofortlizenz ein Instrument zur
Verfügung, das unter Umständen mit einem - wie die
Klägerin meint, für den Ausführer
unerträglichen - Risiko verbunden ist, welches der
Lizenzantragsteller jedoch von Anfang an kennt und welches ihn, wie
erwähnt, veranlassen mag, von einer Ausfuhr aufgrund einer
Sofortlizenz jedenfalls solange abzusehen, bis er sich aufgrund des
Zeitablaufs oder irgendwelcher Informationen, über die er
verfügt, sicher glauben kann, dass die Lizenz nicht
zurückgefordert wird. Dieses Risiko dem Ausführer bei
kleinen Ausfuhrmengen zu ersparen, wie es in der
Rindfleischmarktordnung und später auch in der
Schweinefleischmarktordnung geschehen ist, war die Gemeinschaft
nicht durch den Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, der sie
nicht zur Gewährung von Ausfuhrerstattungen nach überall
gleichen Regeln verpflichtet, sondern ihr einen weiten
Gestaltungsspielraum insbesondere bei der Formulierung solcher
Bedingungen lässt, die der Ausführer von vornherein kennt
und auf die er sich nicht einlassen muss, um überhaupt sein
Ausfuhrgeschäft wirtschaftlich verwirklichen zu
können.
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Dass die erst später eingeführte
Regelung, dass Sofortlizenzen für bis zu 25 Tonnen
Schweinefleisch bedingungslos erteilt werden können, nicht -
wie die Klägerin meint - schon im Streitfall im Wege der
Lückenfüllung angewandt werden kann, bedarf angesichts
des gerade wegen der abweichenden Regelung in der
Rindfleischmarktordnung offensichtlichen Fehlens einer vom
Verordnungsgeber unbeabsichtigten Regelungslücke keiner
weiteren Ausführung; dass eine entsprechende Regelung für
die Schweinefleischexporte zu treffen schlicht vergessen worden
wäre, fehlt es an einem ausreichenden Anhaltspunkt.
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b) Die VO Nr. 1526/1999 hat die Erteilung von
Lizenzen für den hier betroffenen Zeitraum wirksam abgelehnt
und damit die Rückforderung bereits erteilter Lizenzen wirksam
angeordnet. Der von der Klägerin gerügte
Begründungsmangel - versehentliche Berufung auf die
Geflügelfleisch- statt auf die Schweinefleischmarktordnung -
ist schon nach dem Verordnungstitel offensichtlich und von einem
verständigen Marktteilnehmer leicht durch Interpolation zu
korrigieren; er beeinträchtigt daher die Wirksamkeit der
Verordnung nicht. Die VO Nr. 1526/1999 entbehrt auch nicht einer
ausreichenden Begründung; die Erwägungen, welche die
Kommission zur Ablehnung der dort näher bezeichneten
Lizenzanträge veranlasst haben, sind genau bezeichnet,
wofür ohne Bedeutung ist, ob sie - wie die Klägerin meint
und worauf sogleich zurückzukommen ist - möglicherweise
nicht tragen und einen Missbrauch des in der VO Nr. 1370/95
vorgesehenen Instruments der besonderen Maßnahmen erkennen
lassen.
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Dass die Verordnung nicht rechtzeitig ergangen
wäre, ist ebenfalls unzutreffend. Eine Sofortlizenz kann
aufgrund besonderer Maßnahmen der Kommission
zurückgefordert werden, welche zwar nicht vor Beginn des
Mittwochs einer Woche, sondern erst am Mittwoch selbst, jedoch vor
Erteilung der betreffenden Ausfuhrlizenzen im Amtsblatt
veröffentlicht werden, von welcher Erteilung im ersten
Halbsatz des Art. 3 Abs. 3 VO Nr. 1370/95 die Rede ist. Nicht auf
den Zeitpunkt der Erteilung, sondern auf den Beginn des Mittwochs
abzustellen, legt nämlich weder der Wortlaut der Vorschrift
nahe, noch kann es nach deren Sinn und Zweck ernstlich in Betracht
kommen. Dass es der Verordnung darauf ankam, dem Ausführer
bereits in der Nacht vor dem Mittwoch Rechtssicherheit über
die Chancen auf Erteilung der Lizenz zu geben, kann schwerlich
angenommen werden.
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Dementsprechend sind Sofortlizenzen
zurückzufordern und zu ändern, wenn besondere
Maßnahmen getroffen worden sind, bevor die Lizenzen (am
Mittwoch) für gültig erklärt worden sind.
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c) Die VO Nr. 1526/1999 hält sich auch im
Rahmen der Regelungsbefugnisse, welche der Kommission aufgrund des
Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 und der VO Nr. 2759/75, die in diesem
Zusammenhang in der Fassung der Änderungs-Verordnung (EG) Nr.
3290/94 (ABlEG Nr. L 349/105) anzuwenden ist, zustehen. Sie
verletzt keine übergeordneten Rechtsgrundsätze des
Gemeinschaftsrechts, insbesondere nicht den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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Vorgenannte
„Ermächtigungsgrundlage“ der VO Nr. 1370/95
mag - wie die Klägerin meint - in erster Linie um der
Einhaltung mengenmäßiger Beschränkungen willen
erteilt worden sein, wie sie sich aus internationalen
Übereinkommen ergeben. Sie nennt aber ausdrücklich auch
das Ziel der Ausgabenbeschränkung als Anlass für
besondere Maßnahmen der Kommission. Dass sich eine
künftige Mengenüberschreitung ebenso wie das Volumen
künftiger Ausgaben für Ausfuhrerstattungen nur - wie die
Klägerin formuliert - „vermuten“ lassen,
liegt in der Natur der Sache. Es kann angesichts des der Kommission
bei wirtschaftslenkenden Maßnahmen der hier streitigen Art
zustehenden besonders weiten Prognosespielraums nicht beanstandet
werden, wenn die Kommission Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 anwendet,
ohne eine Mengen- oder Ausgabenüberschreitung durch
nachprüfbare Tatsachen fundiert voraussagen zu können.
Dass bei einer solchen Prognose die unmittelbar zuvor (Montag und
Dienstag) gewonnenen Erkenntnisse berücksichtigt werden, ist
sachgemäß und der Kommission durch die
einschlägigen Vorschriften nicht verboten.
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Es trifft auch entgegen der Darstellung der
Klägerin nicht zu, dass die VO Nr. 2759/75 der Kommission
nicht gestattet, bei der Ausgestaltung der Lizenzvorschriften neben
der Notwendigkeit, international verpflichtende
Mengenbeschränkungen zu beachten, welche Notwendigkeit durch
Art. 13 Abs. 11 VO Nr. 2759/75 ausdrücklich hervorgehoben
wird, das Interesse der Gemeinschaft an einer angemessenen
Beschränkung ihrer Ausgaben für Ausfuhrerstattungen zu
berücksichtigen. Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 VO Nr. 2759/75
sieht vor, dass für Ausfuhren eine Lizenz gefordert werden
kann, und überlässt es der Kommission in Art. 8 Abs. 2 VO
Nr. 2759/75, die
„Durchführungsbestimmungen“ zu erlassen.
Dass es das Gemeinschaftsrecht in einem solchen Fall gestattet,
dass bei Erlass einer diesbezüglichen
(Durchführungs-)Verordnung die allgemeinen Interessen der
Gemeinschaft berücksichtigt werden, kann nicht zweifelhaft
sein.
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Die Kommission war schließlich auch
weder durch Art. 3 Abs. 4 VO Nr. 1370/95 noch durch den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit gehalten, das den einzelnen
Ausführer am wenigsten belastende Mittel zu ergreifen und
lediglich die Mengen, für welche Lizenzen gewährt wurden,
durch einen einheitlichen Prozentsatz zu kürzen. Art. 3 Abs. 4
VO Nr. 1370/95 sieht zwischen den drei dort alternativ vorgesehenen
besonderen Maßnahmen kein Rangverhältnis vor und der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet auch nicht
etwa, Marktteilnehmer zu belasten, um andere schonen zu
können. Das gilt jedenfalls insoweit, als diese durch die
betreffenden Maßnahmen der Gemeinschaft nicht schwer und
unerträglich belastet werden, wovon bei einem Ausführer
keine Rede sein kann, der im ungesicherten Vertrauen auf eine
bedingt erteilte Sofortlizenz bei seinem Ausfuhrgeschäft den
Erhalt von Ausfuhrerstattung als sicher einkalkuliert.
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3. Da das HZA nach alledem der Klägerin
zu Recht keine Ausfuhrerstattung gewährt hat, ist das Urteil
des FG, das zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, aufzuheben und
die Klage abzuweisen.
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