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I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) erwarb durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom
18.12.2000 von der Stadt ein Grundstück. Um die beabsichtigte
gewerbliche Nutzung zu ermöglichen, hatte die Stadt noch den
Flächennutzungsplan zu ändern und einen Bebauungsplan
aufzustellen. Außerdem waren aus Gründen des
Naturschutzes auf einem anderen Grundstück
Ausgleichsmaßnahmen („Waldumwandlung“)
vorzunehmen. Die anteiligen Kosten dieser Ausgleichsmaßnahmen
von 40.000 DM übernahm die Klägerin neben dem nach
Quadratmetern berechneten Kaufpreis. Der Kaufvertrag wurde unter
der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens des Bebauungsplans
abgeschlossen. Die Bedingung trat mit Rechtskraft des Plans am
21.9.2002 ein.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) sah in der Kostentragung für die
Ausgleichsmaßnahmen eine sonstige Leistung i.S. des § 9
Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) und setzte auf
dieser Grundlage die Steuer mit Bescheid vom 24.10.2002 fest. Nach
erfolglosem Einspruch führte das Klageverfahren zunächst
in der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2007 durch
Erklärung des FA zu Protokoll des Gerichts bei einer
Bemessungsgrundlage von 169.810 DM zu einer Herabsetzung der Steuer
auf 3.038,61 EUR (5.943 DM).
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In dem verbliebenen Streitpunkt, ob die
Übernahme der Kosten der Ausgleichsmaßnahmen zur
Gegenleistung gehöre, folgte das Finanzgericht (FG) der
Klägerin, die das verneinte, und gab der Klage insoweit statt.
Es berief sich dabei mit seiner in EFG 2008, 1814 = SIS 08 30 46
veröffentlichten Entscheidung auf die Verfügung der
Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover vom 29.12.1999 S 4521 -155-StH
563, S 4521 -10-StO 243 (Steuererlasse in Karteiform,
Grunderwerbsteuergesetz 1983, § 9 Nr. 108 = SIS 00 05 57),
wonach Zahlungen zur Ablösung von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen nach dem Niedersächsischen
Naturschutzgesetz vom 11.4.1994 - NNatG - (Niedersächsisches
Gesetz- und Verordnungsblatt 1994, 155) im Zusammenhang mit einem
Grundstückserwerb nicht zur Gegenleistung gehören, und
setzte die Steuer weiter auf 2.322,80 EUR (4.543 DM) herab. Die
Klägerin habe mit der Kostentragung eine eigene gesetzliche
Verpflichtung erfüllt; diese Kosten hätte sie
gemäß den §§ 10 und 12 NNatG auch ohne
ausdrückliche Erwähnung im Kaufvertrag zu tragen
gehabt.
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Mit der Revision rügt das FA
fehlerhafte Anwendung der §§ 8 Abs. 1 und 9 Abs. 1 Nr. 1
GrEStG. Anders als in dem o.a. Erlass vorausgesetzt sei im
Streitfall die Stadt als Grundstücksveräußerin
nicht untere Naturschutzbehörde. Deren Aufgaben seien vielmehr
vom Landkreis wahrzunehmen. Die gesetzliche Verpflichtung zu
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen gemäß den
§§ 10 und 12 NNatG habe nicht die Klägerin
getroffen, sondern die Stadt, da diese durch die von ihr betriebene
Änderung des Flächennutzungsplans und Aufstellung eines
Bebauungsplans Verursacher der veränderten
Grundflächennutzung i.S. des § 12 Abs. 1 i.V.m. § 7
Abs. 1 NNatG sei. Gleichwohl sei die Vornahme von Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen nach dem NNatG keine der
Grundstückserschließung vergleichbare öffentliche
Aufgabe der Gemeinden. Daher gehe die Bezugnahme des FG auf den
o.a. Erlass fehl.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Die Kosten für die erforderliche
Ausgleichsmaßnahme sind Teil der Gegenleistung i.S. des
§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und damit der Bemessungsgrundlage
(§ 8 Abs. 1 GrEStG).
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1. Entgegen der Ansicht der Beteiligten und
des FG konnte im Streitfall ein öffentlich-rechtlicher
Anspruch auf Erstattung der Kosten für die
Ausgleichsmaßnahme der Waldumwandlung an anderer Stelle -
wenn überhaupt - nur gemäß § 135a des
Baugesetzbuchs (BauGB) und nicht etwa auf der Grundlage des NNatG
entstehen.
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a) Die naturschutzrechtlichen
Eingriffsregelungen mit ihrem Grundprinzip von Eingriff, Ausgleich
und Ersatz, wie sie bundesrechtlich nunmehr in den
Rahmenvorschriften der §§ 18 und 19 des
Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 25.3.2002 (BGBl I 2002,
1193) - zuvor § 8 BNatSchG i.d.F. der Neubekanntmachung vom
21.9.1998 (BGBl I 1998, 2994) - und landesrechtlich in den
§§ 7 bis 12 NNatG enthalten sind, sind gemäß
der weiteren Rahmenregelung des § 21 BNatSchG - zuvor
wortgleich § 8a BNatSchG a.F. - nicht anwendbar, wenn aufgrund
der Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von
Bauleitplänen (§ 1 Abs. 2 BauGB) Eingriffe in Natur und
Landschaft zu erwarten sind und deshalb über die Vermeidung,
den Ausgleich und den Ersatz nach den Vorschriften des BauGB zu
entscheiden ist. Hintergrund der Regelung ist, dass die Belange des
Naturschutzes und der Landschaftspflege nur einmal geprüft
werden sollen. Flächennutzungspläne und
Bebauungspläne erfüllen auch nicht etwa selbst die
Voraussetzungen eines Eingriffs i.S. der §§ 18 und 19
BNatSchG bzw. der §§ 7 ff. NNatG; sie bereiten derartige
Eingriffe ggf. lediglich vor (so Lorz/ Müller/Stöckel,
Naturschutzrecht, Kommentar, 2. Aufl. 2003, § 21 Rz 6).
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b) Nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB ist
eine Kostentragungspflicht des Vorhabenträgers oder
Eigentümers davon abhängig, dass die Maßnahmen zum
Ausgleich an anderer Stelle dem Eingriffsgrundstück nach
§ 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet worden sind. Ist dies geschehen,
bestimmt § 135a Abs. 3 BauGB, die Kosten können geltend
gemacht werden, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe zu
erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen.
Die Erstattungspflicht entsteht mit der Herstellung der
Maßnahmen zum Ausgleich durch die Gemeinde.
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2. Im Streitfall sollte die durch den zu
erwartenden Eingriff erforderlich werdende Ausgleichsmaßnahme
der „Waldumwandlung“ nicht auf dem erworbenen
Grundstück, sondern an anderer Stelle erfolgen. Eine
öffentlich-rechtliche Verpflichtung, die Kosten zu erstatten,
konnte daher gemäß § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB unter
den Voraussetzungen des Abs. 3 der Vorschrift nur entstehen, wenn
die Ausgleichsmaßnahme dem von der Klägerin erworbenen
Grundstück nach § 9 Abs. 1a BauGB zugeordnet worden ist.
Ob dies geschehen ist, ist nicht festgestellt, kann aber auf sich
beruhen.
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a) Ist eine Zuordnung unterblieben, hat sich
die Stadt des Rechts, den Vorhabenträger oder Eigentümer
nach § 135a BauGB zu den Kosten der Ausgleichsmaßnahme
heranzuziehen, begeben (vgl. Söfker in
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Kommentar,
§ 9 Rz 238; Löhr in Battis/ Krautzberger/Löhr,
Baugesetzbuch, Kommentar, 11. Aufl. 2009, § 9 Rz 98b;
Mitschang in Zeitschrift für deutsches und internationales
Bau- und Vergaberecht - ZfBR - 2005, 644, 646). Wollte die Stadt
die Kosten in diesem Fall nicht selbst tragen, war sie darauf
angewiesen, die Kosten vertraglich abzuwälzen. Die
kaufvertragliche Übernahme der Kosten wäre dann ohne
weiteres Teil des Kaufpreises i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
und damit in die Bemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs.
1 GrEStG einzubeziehen.
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b) Ist im Streitfall eine Zuordnung erfolgt,
rechnet die kaufvertragliche Übernahme der Ausgleichskosten
ebenfalls zur Gegenleistung, da die Stadt sich verpflichtet hatte,
die noch erforderliche Ausgleichsmaßnahme durchzuführen
und das Grundstück naturschutzrechtlich geordnet auf die
Klägerin zu übertragen. Erwerbsgegenstand war daher das
Grundstück mit dem an anderer Stelle ausgeglichenen Eingriff.
Zwar betraf die an anderer Stelle noch durchzuführende
Ausgleichsmaßnahme nicht einen in der Zukunft noch zu
schaffenden tatsächlichen (körperlichen) Zustand des zu
übertragenden „Eingriffsgrundstücks“
(vgl. dazu Sack in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar,
16. Aufl. 2007, § 9 Rz 136 ff.; Hofmann,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 8 Rz 7;
Pahlke/ Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005,
§ 8 Rz 3); die Ausgleichsmaßnahme an anderer Stelle
wirkt aber auf die Nutzbarkeit des zu übertragenden
„Eingriffsgrundstücks“ in einer Weise ein,
die einer tatsächlichen Veränderung des
Grundstückszustands vergleichbar ist. Sie gestattet
nämlich auf dem zu übertragenden Grundstück den
Eingriff in das Landschaftsbild oder den Naturhaushalt (§ 1a
Abs. 3 Satz 1 BauGB) als tatsächliches Geschehen. Damit gelten
für die vertragliche Übernahme der Kosten einer dem
„Eingriffsgrundstück“ zugeordneten
Ausgleichsmaßnahme nach § 135a Abs. 2 BauGB bei der
Anwendung der §§ 8 und 9 GrEStG dieselben Grundsätze
wie bei der Übernahme der Erschließungskosten.
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