Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen
Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen

Steuergesetz, Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch BVerfG, Änderung

Steuergesetz, Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch BVerfG, Änderung: 1. Die Änderung eines Steuerbescheids wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen gemäß § 173 AO kommt nicht in Betracht, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen nicht anders hätte entscheiden können. - 2. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Steuergesetzes durch das BVerfG ist keine Tatsache i.S. von § 173 AO. - Urt.; BFH 12.5.2009, IX R 45/08; SIS 09 29 11

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 12.05.2009, IX R 45/08
    BStBl 2009 II S. 891

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 29.10.2009
    erl in StuB 19/2009 S. 745
    T.C. in DStZ 21/2009 S. 794
    B.H. in BFH/PR 12/2009 S. 486
    B.H. in StC 12/2009 S. 11
    KAM in Stbg 6/2010 S. M 15
Normen
[AO 1977] § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 173 Abs. 1, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Köln, 12.06.2008, SIS 08 37 11, Spekulationsgewinn, Erhebungsdefizit, Vollzugsdefizit, Neue Tatsache
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Hamburg 28.4.2017, SIS 17 19 60, Einheitswert für Grundsteuer, Gebäudekriterien bei Containern: 1. Für die Einordnung einer vermieteten Co...
  • FG Köln 25.2.2016, SIS 16 10 34, Rückwirkendes Splitting für Lebenspartnerschaften nur für noch nicht bestandskräftige Bescheide: Die Besc...
  • BMF 31.1.2014, SIS 14 08 32, AEAO, Neubekanntmachung: Das Bundesfinanzministerium hat die Neufassung des Anwendungserlasses zur Abgabe...
  • FG Baden-Württemberg 25.5.2012, SIS 12 26 53, Keine Änderung eines bestandskräftigen Vollabhilfebescheides wegen rückwirkender Neuregelung der Abziehba...
  • FG München 21.11.2011, SIS 12 03 12, Remittance-Base-Besteuerung ist Vorzugsbesteuerung: 1. Die britische Besteuerung nach dem Remittance-Base...
  • FG Düsseldorf 26.11.2010, SIS 11 20 95, Keine steuerliche Berücksichtigung von Optionsprämien bei Verfall der Option: 1. Der Besteuerungstatbesta...
  • FG Düsseldorf 10.11.2010, SIS 13 00 38, Keine steuerliche Berücksichtigung von Optionsprämien bei Verfall der Option: 1. Der Besteuerungstatbesta...
  • BMF 28.7.2010, SIS 10 19 17, AEAO, Änderung Juli 2010: Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung vom 2.1.2008 (BStBl 2008 I S. 26 = SIS ...
  • FG Düsseldorf 17.3.2010, SIS 10 16 93, Pflichtveranlagung gem. § 46 Abs. 2 Nr. 3 a EStG, Verfassungswidrigkeit aufgrund normativen oder struktur...
  • FG Münster 13.8.2009, SIS 10 03 35, Keine rückwirkende Korrektur von bestandskräftigen Umsatzsteuerbescheiden wegen der Umsatzsteuerfreiheit ...

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten, wurden für das Streitjahr 1998 u.a. wegen Einkünften aus Spekulationsgeschäften in Höhe von 30.816 DM (Kläger) und 3.378 DM (Klägerin) - zuletzt mit Änderungsbescheid vom 15.5.2001 - bestandskräftig zur Einkommensteuer veranlagt. Im Juni 2004 beantragten die Kläger die Änderung dieses Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO), da das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Besteuerung von Spekulationsgewinnen mit Urteil vom 9.3.2004 in den Jahren 1997 und 1998 für verfassungswidrig erklärt habe. Da die Erklärung im Jahr 2000 eingereicht worden sei, sei die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen. Der gegen die Zurückweisung des Antrags erhobene Einspruch blieb ohne Erfolg.

 

Das Finanzgericht (FG) hat in seinem in EFG 2008, 1593 = SIS 08 37 11 veröffentlichten Urteil der Klage stattgegeben. Zwar sei die Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes durch das BVerfG keine neue Tatsache i.S. von § 173 AO, wohl aber das vom BVerfG hinsichtlich des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG) festgestellte Vollzugs- bzw. Erhebungsdefizit. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) hätte bei ursprünglicher Kenntnis dieses Vollzugsdefizits den angefochtenen Bescheid nicht erlassen dürfen. Das BVerfG habe ein Vollzugsdefizit und damit eine Tatsache festgestellt, die letztlich dazu geführt habe, dass § 23 EStG nichtig sei. Bei § 173 AO handele es sich um eine besondere gesetzliche Regelung i.S. von § 79 Abs. 2 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (BVerfGG).

 

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der dieses die Verletzung materiellen Rechts rügt. Insbesondere liege keine neue Tatsache vor. Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Rechtsnorm sei dem BVerfG vorbehalten; solange es eine verfassungskonform zustande gekommene Norm nicht für verfassungswidrig erkläre, sei diese anzuwenden.

 

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

 

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der finanzgerichtlichen Entscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Zu Unrecht hat das FG das vom BVerfG im Urteil vom 9.3.2004 2 BvL 17/02 (BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59) festgestellte Vollzugsdefizit bei der Besteuerung von Spekulationsgewinnen in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 als eine Tatsache i.S. von § 173 AO qualifiziert und eine Verpflichtung des FA angenommen, den Einkommensteuerbescheid 1998 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.

 

1. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO liegen im Streitfall nicht vor.

 

a) Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide u.a. zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen erst nachträglich bekannt werden. Ein Steuerbescheid darf aber nicht wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden, wenn das FA bei ursprünglicher Kenntnis der Tatsachen nicht anders entschieden hätte. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO scheidet daher aus, wenn die Unkenntnis der später bekannt gewordenen Tatsache für die ursprüngliche Veranlagung nicht ursächlich (rechtserheblich) gewesen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15.3.2007 III R 57/06, BFH/NV 2007, 1461 = SIS 07 23 83; vom 19.10.2006 III R 31/06, BFH/NV 2007, 392 = SIS 07 06 54; BFH-Beschluss vom 10.10.2007 VI B 48/06, BFH/NV 2008, 191 = SIS 08 07 52, m.w.N.). Rechtfertigender Grund für die Durchbrechung der Bestandskraft nach § 173 AO ist nicht die Unrichtigkeit der Steuerfestsetzung, sondern der Umstand, dass das FA bei seiner Entscheidung von einem unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Eine nachträgliche Berücksichtigung neuer Tatsachen ist zu unterscheiden von der Korrektur von Rechtsfehlern. Über den Umweg des § 173 Abs. 1 AO dürfen solche weder zu Lasten noch zu Gunsten des Steuerpflichtigen berichtigt werden. Diesem Kriterium der Rechtserheblichkeit trägt auch § 79 Abs. 2 BVerfGG Rechnung, wonach selbst die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zur Durchbrechung von Rechts- und Bestandskraft regelmäßig nicht ausreicht.

 

b) Diesen Grundsätzen entspricht das FG-Urteil nicht.

 

aa) Die Feststellung der Verfassungswidrigkeit von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG durch das BVerfG stellt, wovon auch das FG zutreffend ausgeht, keine neue Tatsache i.S. von § 173 AO dar, sondern hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG).

 

bb) Auch bei der Feststellung des Vollzugs- bzw. Erhebungsdefizits hat das BVerfG in seinem Urteil in BVerfGE 110, 94, BStBl II 2005, 56 = SIS 04 13 59 auf den Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und der nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel abgestellt. Zur Gleichheitswidrigkeit führt danach nicht ohne weiteres die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen, wohl aber das normative Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts. Das festgestellte Vollzugs- und Erhebungsdefizit ist danach normativer, nicht tatsächlicher Art.

 

cc) Zudem hätte das FA auch bei Kenntnis des Vollzugsdefizits für Spekulationsgewinne keine andere Entscheidung treffen dürfen. Vielmehr hätte es bis zur Entscheidung des BVerfG § 23 EStG anwenden müssen. Gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) sind alle Rechtsnormen, jedenfalls soweit es nicht offensichtlich an den Mindestvoraussetzungen ihrer Wirksamkeit fehlt, bis zu ihrer Aufhebung durch das zuständige Rechtsetzungsorgan oder bis zu einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung als gültig zu behandeln (Sommermann, in: v. Mangold/ Klein/Stark, GG II, 5. Aufl., Art. 20 Abs. 3 Rz 271, m.w.N.). Das Verwerfungsmonopol kommt insoweit gemäß Art. 100 Abs. 1 GG allein dem BVerfG zu. Ein formelles nachkonstitutionelles Gesetz wie § 23 EStG verliert seine Bindungswirkung gegenüber der Exekutive (Administrative) i.S. von Art. 20 Abs. 3 GG erst, wenn seine Nichtigkeit durch das BVerfG festgestellt wurde. Nur dies entspricht auch § 79 Abs. 2 BVerfGG.

 

2. Im Streitfall sind auch keine anderen Korrekturvorschriften einschlägig.

 

§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO war bei Erlass des angegriffenen Steuerbescheides nicht einschlägig, da die Vereinbarkeit von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG mit dem Grundgesetz erst durch den Vorlagebeschluss des BFH vom 16.7.2002 IX R 62/99 (BFHE 199, 451, BStBl II 2003, 74 = SIS 03 01 47) Gegenstand eines Verfahrens vor dem BVerfG wurde.

 

Die Entscheidung des BVerfG stellt auch, worauf das FG zutreffend verweist, kein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO dar (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 21.3.1996 XI R 36/95, BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399 = SIS 96 13 26).