Vermietung, Totalüberschussprognose, Sonderabschreibungen: Geltend gemachte Sonderabschreibungen nach den §§ 1, 3 und 4 FördG sind nicht in eine befristete Totalüberschussprognose (zehn Jahre) einzubeziehen, wenn die nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der voraussichtlichen Dauer der Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 FördG vollständig abgeschrieben werden (Anschluss an und Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 9.7.2002 IX R 57/00, BFHE 199 S. 422, BStBl 2003 II S. 695 = SIS 02 93 35). - Urt.; BFH 25.6.2009, IX R 24/07; SIS 09 29 09
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, deren Zweck der Erwerb des Rathauses der
Stadt X, dessen Sanierung und anschließende Vermietung an die
Stadt war.
Mit notariellem Erbbaurechtsvertrag vom
14.9.1995 bestellte die Stadt X der Klägerin gegen einen
jährlichen Erbbauzins von ... DM ein Erbbaurecht an ihrem zum
Rathaus gehörenden Grundstück. Das Erbbaurecht endete
spätestens am 31.12.2010, jedoch war die Stadt X berechtigt,
das Erbbaurecht schon zum 31.12.2005 zu beenden. Zum Zeitpunkt
seines Erlöschens hatte die Stadt X an die Klägerin eine
Entschädigung in Höhe von ... Mio. DM zu leisten, die
seitens der Stadt durch den Einsatz von Eigen- oder
Fördermitteln zur Sanierung reduziert werden konnte.
In einem den Erbbaurechtsvertrag
begleitenden Mietvertrag vermietete die Klägerin der Stadt X
das Rathaus bis zum 31.12.2005 gegen einen jährlichen Mietzins
von ca. ... Mio. DM; auch der Mietzins verringerte sich durch den
Einsatz von Eigen- oder Fördermitteln zur Sanierung. Die Stadt
hatte das Optionsrecht, das Mietverhältnis bis zum 31.12.2010
zu verlängern. Im November 2005 hoben die Klägerin und
die Stadt X den Erbbaurechtsvertrag mit Wirkung zum 31.12.2005 auf;
die Stadt übte ihre Verlängerungsoption nicht
aus.
Für die Jahre 1995 bis 2005
erklärte die Klägerin u.a. wegen der Inanspruchnahme von
Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG)
Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung
in Höhe von insgesamt ... Mio. EUR; bei Ansatz von Absetzungen
für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) hätte sich ein
Totalüberschuss ergeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) stellte für das Streitjahr 2001
zunächst negative Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung für die Klägerin einheitlich und gesondert
fest. Später ersetzte das FA diesen Bescheid durch negativen
Feststellungsbescheid.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil (EFG 2007, 1951
= SIS 07 29 94) im Wesentlichen aus, der Klägerin habe die
Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt, da sie bei einem
Prognosezeitraum von zehn Jahren und unter Einbeziehung der
Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz einen
Totalverlust erzielt habe.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und die Verletzung
des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des
Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung und den
geänderten Bescheid für 2001 über die einheitliche
und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen
aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es ist der Ansicht, dass der Klägerin
die Einkünfteerzielungsabsicht fehle. Angesichts der von
vornherein nur auf zehn Jahre befristeten Vermietung des Rathauses
an die Stadt seien die Sonderabschreibungen nach dem
Fördergebietsgesetz in die Prognose einzubeziehen; dies
führe zu einem Totalüberschuss an Werbungskosten. Nach
der Zielsetzung des Fördergebietsgesetzes führe die
Inanspruchnahme von Sonder- und Restwertabschreibung über zehn
Jahre zudem nicht zu einem endgültigen Steuervorteil, sondern
nur zu einem Stundungseffekt wegen der sich anschließenden
Ausgleichsphase. Diese könne aber nicht (mehr) eintreten, weil
die Klägerin das Rathaus nach zehn Jahren an die Stadt
verkauft habe.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Das FG hat zu Unrecht entschieden, der Klägerin habe die
Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt. Zwar ist es
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG der Prognose,
ob ein Totalüberschuss erzielt werden soll, einen
Prognosezeitraum von zehn Jahren zugrunde gelegt hat. Aber die
Sonderabschreibungen nach §§ 1, 3, 4 FördG sind
nicht in die Prognose einzubeziehen.
1. Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung
überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche
Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der
Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.12.2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235,
BStBl II 2005, 211 = SIS 05 08 92).
a) Nach dem Regelungszweck dieser Norm ist bei
einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit
grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der
Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen
Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über
längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse
ergeben (z.B. BFH-Urteil vom 19.4.2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24,
BStBl II 2005, 754 = SIS 05 39 39, m.w.N.). Dagegen kann sich ein
Beweisanzeichen für das Fehlen der
Einkünfteerzielungsabsicht daraus ergeben, dass der
Steuerpflichtige in der Zeit seiner nicht auf Dauer angelegten
Vermietungstätigkeit kein positives Gesamtergebnis erreichen
kann. Es kommt dann nicht darauf an, aus welchen Gründen (z.B.
der Lebensführung i.S. von § 12 EStG) er den
Werbungskostenüberschuss hinnimmt. Ob im Einzelfall Indizien
gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage
der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem FG
obliegt (BFH-Urteil vom 9.7.2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl
II 2003, 695 = SIS 02 93 35, m.w.N.).
b) Ob ein Gesamtüberschuss zu erzielen
ist, ergibt sich aus einer den Zeitraum der tatsächlichen
Vermögensnutzung umfassenden Totalüberschussprognose. Bei
der Ermittlung des „Totalüberschusses“ ist
von den Ergebnissen auszugehen, die sich nach den
einkommensteuerrechtlichen Vorschriften voraussichtlich ergeben
werden. Ob negative Einkünfte aufgrund von steuerrechtlichen
Subventions- und Lenkungsnormen - die bei einer auf Dauer
angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich außer
Ansatz bleiben - bei einer wegen befristeter
Vermietungstätigkeit entsprechend befristeten Prognose zu
berücksichtigen sind, richtet sich nach dem mit den
betreffenden Normen verbundenen Zweck sowie der Art der
Förderung. Würde dieser verfehlt, wenn man die
Auswirkungen der Vorschrift bei der Prüfung der
Einkünfteerzielungsabsicht berücksichtigte, dürfen
die negativen Einkünfte nicht in die Prognose einfließen
(BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695 = SIS 02 93 35,
m.w.N.).
c) Geltend gemachte Sonderabschreibungen nach
den §§ 1, 3, 4 FördG sind dann nicht in eine
befristete Prognose einzubeziehen, wenn die nachträglichen
Herstellungskosten innerhalb der voraussichtlichen Dauer der
Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3
FördG vollständig abgeschrieben werden.
aa) Zwar sind Sonderabschreibungen nach §
4 Abs. 1, 2 FördG als die Normal-AfA übersteigende
Abschreibungen in eine - auf wenige Jahre - befristete Prognose
einzubeziehen. Die Sonderabschreibungen ziehen (nur) die
steuerrechtlichen Wirkungen der AfA nach vorn mit dem Charakter
einer Steuerstundung, um dem Steuerpflichtigen einen Anreiz zu
Investitionen i.S. des § 3 FördG zu geben. Dieser Vorteil
wird in späteren Zeiträumen dadurch ausgeglichen, dass
der Steuerpflichtige in der sich an den Begünstigungszeitraum
(vgl. § 7a Abs. 1 Satz 1 EStG, § 4 Abs. 1 Satz 2
FördG) anschließenden Ausgleichsphase nach § 7a
Abs. 9 EStG oder der Sonderregelung des § 4 Abs. 3 FördG
nur noch geminderte AfA-Beträge geltend machen kann (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695 = SIS 02 93 35).
bb) Das Einbeziehen der Sonderabschreibungen
nach §§ 1, 3, 4 FördG - einschließlich der
Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG - in die
Prognose würde den Förderzweck des
Fördergebietsgesetzes jedoch dann verfehlen, wenn die
nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der
voraussichtlichen Dauer der Vermietungstätigkeit
gemäß § 4 Abs. 3 FördG vollständig
abgeschrieben werden. Nachträgliche Herstellungskosten,
insbesondere „anschaffungsnahe Aufwendungen“ an
Gebäuden und anderen unbeweglichen Wirtschaftsgütern im
Fördergebiet, sollen als Sonderabschreibungen über einen
Zeitraum von zehn Jahren bei der Ermittlung der Einkünfte
abgezogen werden können (BTDrucks 12/562, S. 72). Entsprechend
dieser Zielsetzung räumt der Gesetzgeber dem Steuerpflichtigen
einen Steuervorteil ein, den er endgültig behalten darf, auch
wenn er das Gebäude - nach Ablauf des
Begünstigungszeitraums und der sich anschließenden
Ausgleichsphase, also nach vollständiger Abschreibung - nicht
mehr zur Einkünfteerzielung nutzt. Denn § 4 Abs. 3
FördG, der eine Sonderregelung gegenüber § 7a Abs. 9
EStG enthält (Blümich/Stuhrmann, § 4 FördG Rz
24), verkürzt die sich an den Begünstigungszeitraum
anschließende Ausgleichsphase und damit den
Abschreibungszeitraum insgesamt; der damit verbundene Steuervorteil
ist unabhängig von einem weiteren Ausgleich. Diese Sichtweise
steht im Einklang mit den im BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl II
2003, 695 = SIS 02 93 35 entwickelten Grundsätzen, zumal
diesem Urteil - anders als im Streitfall - eine auf nur fünf
Jahre befristete Vermietung mit Eigennutzungsvorbehalt zugrunde
lag.
2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwar
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG der Prognose,
ob ein Totalüberschuss erzielt werden soll, einen
Prognosezeitraum von zehn Jahren zugrunde gelegt hat. Jedoch hat es
rechtsfehlerhaft die Sonderabschreibungen nach §§ 1, 3, 4
FördG in die Prognose einbezogen.
a) Die Würdigung des FG, es sei von einer
voraussichtlichen Nutzung des an die Stadt X vermieteten Rathauses
durch die Klägerin bis zum 31.12.2005 auszugehen, ist
möglich und damit gemäß § 118 Abs. 2 FGO
für das Revisionsgericht bindend. Nach der vertraglichen
Gestaltung konnte die Klägerin das Rathaus nicht aufgrund
eigener Entscheidung über diesen Termin hinaus zur Erzielung
von (Miet-)Einkünften nutzen. Die Nutzung des Rathauses nach
diesem Zeitpunkt hing vielmehr allein vom Willen der Stadt X ab,
die ihre Verlängerungsoption (bis zum 31.12.2010) aber nicht
ausübte. Entsprechend konnte die Klägerin das Rathaus
auch nicht an einen Dritten weitervermieten, da die Stadt X
zugleich berechtigt war, das Erbbaurecht der Klägerin
(vorzeitig) zum 31.12.2005 zu beenden. Entgegen der Ansicht der
Klägerin durfte das FG in seine Würdigung auch den erst
nach Beginn der Vermietung eingetretenen Umstand einbeziehen, dass
die Stadt ihre Verlängerungsoption tatsächlich nicht
ausübte. Zukünftig eintretende Faktoren sind in die
Beurteilung einzubeziehen, wenn sie - wie im Streitfall nach der
vertraglichen Gestaltung - bei objektiver Betrachtung vorhersehbar
waren (BFH-Urteil vom 6.11.2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II
2002, 726 = SIS 02 03 94, m.w.N.).
b) Die Sonderabschreibungen waren entgegen der
Ansicht des FG nicht in die Prognose einzubeziehen, weil
nachträgliche Herstellungskosten der Klägerin nach §
4 Abs. 3 FördG bis zum Ablauf der zehnjährigen Mietzeit
vollständig abzuschreiben waren.
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache
ist indes nicht spruchreif. Zur Nachholung der erforderlichen
Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurückverwiesen. Das FG hat nicht festgestellt,
in welcher Höhe der Klägerin durch den Umbau und die
Sanierung des Rathauses nachträgliche Herstellungskosten
entstanden sind, deren Restwert nach § 4 Abs. 3 FördG
abzuschreiben ist.
4. Ist die Revision bereits aus sachlichen
Gründen erfolgreich, kommt es auf den - im Übrigen nicht
schlüssig - geltend gemachten Verfahrensfehler nicht an.