Übersetzer, Vorsteuerpauschalierung: 1. Die Vorsteuerpauschalierung zum Zwecke der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens nach § 23 UStG i.V.m. § 70 UStDV für bestimmte Berufsgruppen erfordert, dass das FA den Unternehmer leicht und eindeutig einer der in § 70 UStDV genannten Berufsgruppe zuordnen kann. - 2. Übersetzer sind keine "Schriftsteller" im Sinne der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5. Eine einzelfallorientierte Zuordnung von Übersetzern zu dieser Berufsgruppe oder von Untergruppen der Übersetzer (Literaturübersetzer, Fachübersetzer), je nach der Übersetzungstiefe oder dem wissenschaftlichen Gehalt der Übersetzung, widerspricht dem Vereinfachungszweck. - Urt.; BFH 23.7.2009, V R 66/07; SIS 09 29 07
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist selbständige Übersetzerin und hat im
Streitjahr 2000 mehrere Bücher der Unterhaltungsliteratur aus
dem Englischen und Französischen ins Deutsche übersetzt.
Sie ermittelt ihre Gewinne nach § 4 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG).
In ihrer Umsatzsteuererklärung 2000
machte die Klägerin Vorsteuern in Höhe von 965,54 DM
geltend, die sie nach dem Durchschnittssatz von 2,6 % ihrer
Umsätze berechnet hatte, der nach § 23 des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) i.V.m. § 70 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) Anlage zu den
§§ 69 und 70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5 für die
Berufsgruppe der Schriftsteller gilt.
Demgegenüber berücksichtigte der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Vorsteuern lediglich in der durch Rechnungen nachgewiesenen
tatsächlichen Höhe von 417,30 DM.
Der hiergegen erhobenen Klage, mit der die
Klägerin geltend gemacht hatte, ihr stehe als
Übersetzerin ebenso wie einem Schriftsteller ein
Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen von
2,6 % zu, gab das Finanzgericht (FG) mit
den in EFG 2007, 1914 = SIS 07 36 78 veröffentlichten
Gründen statt.
Das FG führte aus, die Klägerin
könne den für Schriftsteller geltenden
Durchschnittssteuersatz geltend machen, weil sie geschriebene Werke
mit unterhaltendem Inhalt „geschaffen“ habe. Für
die Auslegung des Begriffs „Werk“ sei maßgeblich
auf das Urheberrecht abzustellen. Nach § 3 des Urhebergesetzes
(UrhG) würden Übersetzungen wie selbständige Werke
geschützt, wenn sie persönliche, geistige
Schöpfungen des Bearbeiters seien. Hiervon könne bei der
Übersetzung von Belletristik ausgegangen werden.
Urheberrechtlich komme es nicht auf ein besonderes literarisches
Niveau des Ursprungstextes an (Urteil des Bundesgerichtshofs vom
15.9.1999 I ZR 57/97, NJW 2000, 140 zur Übersetzung von
Comics). Im Unterschied zur urheberrechtlichen Sicht habe der
Bundesfinanzhof (BFH) in seinem zum pauschalierten
Betriebsausgabenabzug ergangenen Urteil vom 30.10.1975 IV R 142/72
(BStBl II 1976, 192 = SIS 76 01 01) für die Gleichsetzung
eines Übersetzers mit einem Schriftsteller die Erfüllung
bestimmter Mindestanforderungen verlangt. Hiernach genüge
allein die Übertragung von Texten in eine andere Sprache
nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass die Übersetzung durch
Elemente der Sprachschöpfung, der Nachschöpfung und des
kongenialen Erfassens der inhaltlichen und formalen Gedanken des
Autors geprägt sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt,
wie sich aus einer von der Klägerin vorgelegten Textanalyse
ergebe, in der sie näher erläutert habe, weshalb die
möglichst authentische Übertragung eines Ursprungswerkes
einen kreativen Umgang mit den Ursprungstexten erforderlich
mache.
Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. Das FG habe § 23 UStG i.V.m. der Anlage zu den
§§ 69 und 70 UStDV unzutreffend ausgelegt, weil die
Klägerin als Übersetzerin keine geschriebenen Werke mit
überwiegend wissenschaftlichem, unterhaltendem oder
künstlerischem Inhalt geschaffen habe. Auch unterscheide sich
die Tätigkeit eines Übersetzers hinsichtlich der
Aufwendungen von der eines Schriftstellers, der in vielen
Fällen zur Literaturrecherche Reisekosten, Milieustudien oder
Literaturrecherchen tätige. Nach der Gewinn- und
Verlustrechnung der Klägerin seien nur in sehr geringem Umfang
derartige Aufwendungen enthalten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Voraussetzung für die
Durchschnittsbesteuerung als Schriftsteller, die „Schaffung
eines geschriebenen Werkes“, sei erfüllt, weil § 3
UrhG Übersetzern denselben urheberrechtlichen Schutz wie
Autoren gewähre. Die hierfür erforderliche
Schöpfungstiefe sei zwar nicht bei Fachübersetzern,
jedoch bei Literaturübersetzern gegeben, die deshalb auch als
„Werkschaffende“ anzusehen seien. Die in der Anlage zu
den §§ 69 und 70 UStDV genannten Berufsgruppen seien weit
auszulegen, da in den Umsatzsteuer-Richtlinien (Abschn. 261 Abs. 6)
auch Komponisten als Schriftsteller anerkannt seien. Angesichts der
„offenkundigen Gleichbehandlungsmaxime“ des
Gesetzgebers, insbesondere der Gleichstellung der Übersetzer
mit den Schriftstellern in § 18 EStG, sei eine
Ungleichbehandlung zwischen Literaturübersetzern und
Schriftstellern nicht nachvollziehbar. Dies decke sich auch mit der
Wertung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, wonach die
Wahrnehmung von Rechten aus dem UrhG dem begünstigten
Steuersatz unterliege. Damit übereinstimmend seien im Verband
deutscher Schriftsteller sowohl Autoren als auch Übersetzer
zur Mitgliedschaft berechtigt.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
Das FG hat zu Unrecht den Vorsteuerabzug der
Klägerin nach den Durchschnittssätzen für
Schriftsteller bemessen, da die Berufsgruppe der Übersetzer
nicht zu der Berufsgruppe der Schriftsteller im Sinne der Anlage zu
den §§ 69 und 70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5
gehört.
1. Gemäß § 23 UStG kann das
Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates zur
Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens Gruppen von Unternehmern,
bei denen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen annähernd
gleiche Verhältnisse vorliegen und die nicht verpflichtet
sind, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher
Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen,
durch Rechtsverordnung Durchschnittssätze für die nach
§ 15 UStG abziehbaren Vorsteuerbeträge festsetzen. Nach
der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5
werden Durchschnittssätze in Höhe von 2,6 % bestimmt
für freiberuflich tätige Schriftsteller, „die
geschriebene Werke mit überwiegend wissenschaftlichem,
unterhaltendem oder künstlerischem Inhalt
schaffen“.
2. Entgegen der Rechtsauffassung des FG
gehören Übersetzer nicht zu der in der Anlage zu den
§§ 69 und 70 Abschn. A IV. Nr. 5 UStDV genannten
Berufsgruppe der Schriftsteller, denn Übersetzer schaffen
keine eigenen Werke, sondern übertragen fremde Werke in eine
andere Sprache. Auch ist die Berufsgruppe der Übersetzer
hinsichtlich ihrer verschiedenartigen Tätigkeitsbereiche
(Literaturübersetzer, Dolmetscher, Fachübersetzer) zu
uneinheitlich, als dass sie ohne Regelung des Verordnungsgebers in
der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV im Rahmen einer
Vereinfachungsregelung der Berufsgruppe der Schriftsteller
zugeordnet werden könnte.
a) Bei der Ermächtigung des § 23
UStG an den Verordnungsgeber zur Festlegung von
Durchschnittssätzen für bestimmte Berufsgruppen handelt
es sich um eine Ausnahmeregelung zum allgemeinen Grundsatz, wonach
Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG durch Vorlage von
Rechnungen im Einzelnen nachzuweisen sind. Ausnahmeregelungen sind
grundsätzlich eng auszulegen (Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften vom 14.6.2007 Rs. C-434/05,
Horizon College, Slg. 2007, I-4793, BFH/NV Beilage 2007, 389 = SIS 07 34 67 Rdnr. 16).
b) Gegen die Zuordnung der Übersetzer zu
den Schriftstellern spricht weiter, dass der Gesetzgeber in §
18 EStG in der Aufzählung der freien Berufe neben der
Berufsgruppe der Schriftsteller die Berufsgruppen der
„Dolmetscher und Übersetzer“ gesondert
benannt hat. Hätte er die Übersetzer bereits der
Berufsgruppe der Schriftsteller zugerechnet, hätte es der
gesonderten Nennung nicht bedurft. Wenn der Verordnungsgeber
darüber hinaus in § 70 UStDV die Vorsteuerpauschalierung
weiter einschränkt auf diejenigen Schriftsteller, die
„geschriebene Werke mit überwiegend
wissenschaftlichem, unterhaltendem oder künstlerischem Inhalt
schaffen“, kann - entgegen der Auffassung der
Klägerin - nicht davon ausgegangen werden, dass der Begriff
„Schriftsteller“ in der Anlage zu den
§§ 69 und 70 UStDV im Gegensatz zu § 18 EStG auch
die Übersetzer umfasst.
c) Auch die Regelung des § 3 UrhG, wonach
Übersetzungen als „Bearbeitung“ eines
Werkes und nicht - wie nach § 70 UStDV erforderlich - als
„Schaffung“ eines Werkes bezeichnet werden,
zeigt, dass der Gesetzgeber die Übersetzer nicht der
Berufsgruppe der Schriftsteller zurechnet. Inwieweit
Übersetzungen unter den Schutz des UrhG fallen, ist für
die hier zu entscheidende Frage, ob Übersetzer der Gruppe der
Schriftsteller zuzurechnen sind, unerheblich.
d) Die Unterscheidung zwischen der
Berufsgruppe der Übersetzer und der Schriftsteller durch den
Verordnungsgeber ist auch nicht willkürlich. Denn nach §
23 UStG setzt die Anwendung der Durchschnittssätze voraus,
dass bei einer Berufsgruppe hinsichtlich des Vorsteuerabzugs
annähernd gleiche Verhältnisse vorliegen. Wie das FA
zutreffend ausführt, kommen bei Schriftstellern, die eigene
Werke schaffen, in vielen Fällen Vorsteuerbeträge im
Zusammenhang mit einer Reisetätigkeit, bei Milieustudien oder
bei der Literaturrecherche in Betracht, die bei einer
Übersetzungstätigkeit regelmäßig fehlen.
e) Entgegen der Rechtsauffassung des FG ergibt
sich auch aus dem BFH-Urteil vom 30.10.1975 IV R 142/72 (BFHE 117,
456, BStBl II 1976, 192 = SIS 76 01 01) für die Anwendung des
Durchschnittssatzes beim Vorsteuerabzug nichts anderes. Die
Entscheidung betrifft die Frage, ob ein Übersetzer die im
Erlass eines Bundeslandes geregelte Betriebsausgabenpauschale
für eine hauptberufliche, selbständige
schriftstellerische oder journalistische Tätigkeit
beanspruchen kann. Dies bejaht die Entscheidung mit der
Begründung, zwar sei eine Übersetzungstätigkeit
grundsätzlich keine schriftstellerische Tätigkeit.
Ausnahmsweise könne jedoch die Tätigkeit als
international anerkannter Übersetzer wichtiger, insbesondere
lyrischer Werke der Weltliteratur der eigenschöpferischen,
schriftstellerischen Tätigkeit vergleichbar sein.
Eine einzelfallorientierte Entscheidung
widerspräche Inhalt und Zweck der Ermächtigung in §
23 UStG. Denn danach dürfen nur „zur Vereinfachung
des Besteuerungsverfahrens für Gruppen von Unternehmern, bei
denen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen annähernd die
gleichen Verhältnisse vorliegen“,
Durchschnittssätze für den Vorsteuerabzug festgesetzt
werden. Die Pauschalierungen in Abschn. A der Anlage zu den
§§ 69 und 70 UStDV sind Schätzungen i.S. von §
162 der Abgabenordnung, die auf den Erfahrungen der
Finanzbehörden für die benannten Berufsgruppen beruhen.
Denn es würde dem in § 23 UStG ausdrücklich
genannten Vereinfachungszweck widersprechen, wenn die Anwendung der
Vereinfachungsvorschrift des § 23 UStG i.V.m. § 70 UStDV
von Textanalysen oder dem im BFH-Urteil in BFHE 117, 456, BStBl II
1976, 192 = SIS 76 01 01 genannten Gutachten zur
Übersetzungstiefe abhinge.
f) Da in § 23 UStG die
Durchschnittssatzbesteuerung auf bestimmte Berufsgruppen
beschränkt ist, kann der Senat entgegen der Rechtsansicht der
Klägerin auch nicht bestimmte Untergruppen von nicht genannten
Berufen einer in § 70 UStDV genannten Berufsgruppe
gleichstellen. Die Unterscheidung zwischen
Literaturübersetzern, die die Klägerin
regelmäßig den Schriftstellern gleichstellen will, und
Fachübersetzern, denen die Klägerin nur ausnahmsweise die
nach dem UrhG erforderliche Schöpfungstiefe zuerkennt,
würde im Übrigen schon wegen der zusätzlichen
Abgrenzungsschwierigkeiten dem Vereinfachungszweck der Vorschrift
widersprechen.
3. Da das FA die von der Klägerin
tatsächlich nachgewiesenen Vorsteuerbeträge
berücksichtigt hat, war das Urteil des FG aufzuheben und die
Klage abzuweisen.