Zuckermais, Anbau als gärtnerische Nutzung: Der Anbau von Zuckermais ist bewertungsrechtlich als gärtnerische Nutzung zu beurteilen. - Urt.; BFH 16.6.2009, II R 54/06; SIS 09 25 85
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind in GbR Inhaber eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs, der ihnen durch
Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1997 zugerechnet wurde und
für den vor diesem Stichtag zuletzt auf den 1.1.1993 ein
Einheitswert von 302.600 DM festgestellt worden war. Nachdem der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) Kenntnis
von einer Vergrößerung der in dem Betrieb
bewirtschafteten Flächen erlangt hatte, nahm es auf den
1.1.1997 eine Wertfortschreibung vor.
Mit der Einspruchsentscheidung setzte das
FA den festgestellten Einheitswert auf 354.900 DM herab. Es
rechnete dabei von der Eigentumsfläche rund 9 ha der
landwirtschaftlichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 Nr.
1 Buchst. a des Bewertungsgesetzes (BewG) und rund 54 ha ebenso wie
die gepachteten Flächen von rund 94 ha der gärtnerischen
Nutzung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d i.V.m. § 40
Abs. 2 BewG zu, und zwar dem Gemüsebau der
Intensitätsstufe 2 gemäß Abschn. 6.07 Abs. 1 Nr. 2
der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Richtlinien zur
Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens -
BewRL - (Teile 5 bis 7) vom 17.1.1968 (BStBl I 1968, 223).
Demgegenüber waren die Kläger der Ansicht, bei dem auf
einer Fläche von insgesamt rund 104 ha in landwirtschaftlicher
Fruchtfolge betriebenen Anbau von Zuckermais handle es sich um
Gemüsebau der Intensitätsstufe 1 gemäß Abschn.
6.07 Abs. 1 Nr. 1 BewRL und somit um eine landwirtschaftliche
Nutzung (Abschn. 1.08 Abs. 2 BewRL vom 17.11.1967, BStBl I 1967,
397).
Mit der Klage hielten die Kläger an
ihrer bewertungsrechtlichen Beurteilung des Anbaus von Zuckermais
fest. Sie trugen vor, die von ihnen geernteten Maiskolben gelangten
zu je zwei Stück verpackt in den Lebensmittelhandel.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch
das in EFG 2006, 1806 = SIS 06 43 03 veröffentlichte Urteil
statt und setzte den Einheitswert auf den 1.1.1997 auf 219.000 DM
herab. Zur Begründung führte es aus, der innerhalb einer
landwirtschaftlichen Fruchtfolge erfolgende Anbau von sog. Zucker-
oder Gemüsemais sei der landwirtschaftlichen Nutzung i.S. des
§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BewG zuzurechnen. Es handle sich
dabei um eine Unterart des Maises, der auch nach den
Kulturarten-Codes der Europäischen Union zum Getreide und zur
Pflanzenfamilie der Gräser zähle. Der Zuckermais passe
als Pflanze in keine der herkömmlichen Gemüsekategorien
und werde ebenso wie der Futtermais großflächig mit
Maschineneinsatz angebaut und geerntet. Erst nach der Ernte ergebe
sich aufgrund der verschiedenen Verarbeitung ein Unterschied in der
aufzuwendenden Arbeitsleistung.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung der §§ 33 und 34 BewG. Der Anbau von
Zuckermais rechne zur gärtnerischen Nutzung.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Entgegen der Ansicht des FG lagen die Voraussetzungen
für die vom FA im angefochtenen Feststellungsbescheid in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vorgenommene Wertfortschreibung
zu Lasten der Kläger vor. Der vom FA in der
Einspruchsentscheidung festgestellte Einheitswert ist
zutreffend.
1. Der Anbau von Zuckermais stellt auch dann
Gemüsebau i.S. von § 40 Abs. 2, § 48a Satz 1 Nr. 2
und § 59 Abs. 2 BewG und somit eine gärtnerische Nutzung
i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BewG dar, wenn er im
Rahmen einer landwirtschaftlichen Fruchtfolge vorgenommen wird.
a) Der Wirtschaftsteil eines Betriebs der
Land- und Forstwirtschaft (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 BewG) umfasst
gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 BewG u.a. die land- und
forstwirtschaftlichen Nutzungen. Dazu zählen u.a. die
landwirtschaftliche Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BewG)
und die gärtnerische Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d
BewG). Zur gärtnerischen Nutzung rechnen nach § 40 Abs. 2
BewG der Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzenbau, der Obstbau und
die Baumschulen.
Unter Gemüsebau ist dabei der Anbau von
Kulturpflanzen zu verstehen, die üblicherweise als ganze oder
- so der Regelfall - in bestimmten Teilen in frischem oder
konserviertem Zustand ohne weitere Verarbeitung etwa zu Mehl,
Grieß, Flocken (z.B. Haferflocken), Zucker, Öl, Bier
oder anderen alkoholischen
Getränken der menschlichen Ernährung
dienen, sofern es sich nicht um den Anbau von Obst,
Grundnahrungsmitteln (Kartoffeln) oder Spargel (Sonderkultur nach
§ 40 Abs. 2 BewG) handelt.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, geht
§ 40 Abs. 2 BewG von einer gegenüber der
landwirtschaftlichen Nutzung ohne Hopfen erhöhten
Ertragsfähigkeit aus, und zwar auf der Grundlage der
Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 27
BewG). Die jeweils tatsächlich erzielten Erträge spielen
danach ebenso wenig eine Rolle wie die Anbaumethoden und die
botanische Einordnung der angebauten Kulturpflanzen (ähnlich
Urteile des Niedersächsischen FG vom 22.11.1974 I 34/72, EFG
1975, 238; vom 6.6.1989 I 383/84, EFG 1989, 558, und vom 8.7.2003 1
K 341/00, EFG 2003, 1760 = SIS 03 51 15; Urteil des FG des Landes
Brandenburg vom 31.7.1997 5 K 1617/96 Gr, EFG 1998, 16). Auf
gemeinschaftsrechtliche Zuordnungen kommt es ebenfalls nicht an, da
sie anderen Zwecken als der Bewertung nach dem BewG dienen.
b) Der Anbau von Zuckermais im Betrieb der
Kläger ist danach als Gemüsebau zu beurteilen. Die
erzeugten Maiskolben waren für den Lebensmittelhandel und
somit ohne weitere Verarbeitung etwa zu Mehl oder Grieß
für die menschliche Ernährung bestimmt. Um ein
Grundnahrungsmittel oder Obst handelt es sich nicht. Die an den
Maiskolben befindlichen Körner werden üblicherweise als
Bestandteil von Mischgemüse oder gemischtem Salat, aber auch
für sich allein verzehrt. Das ist entscheidend. Auf die von
den Klägern tatsächlich erzielten Erträge kommt es
ebenso wenig an wie auf die Produktionsmethoden und die botanische
Einordnung des Zuckermaises.
Entgegen der Ansicht der Kläger kann der
Anbau des Zuckermaises in ihrem Betrieb nicht dem Gemüsebau
der Intensitätsstufe 1 gemäß Abschn. 6.07 Abs. 1
Nr. 1 BewRL und somit der landwirtschaftlichen Nutzung zugeordnet
werden. Nach dieser Verwaltungsvorschrift ist der Anbau von
Kopfkohl (Weiß-, Rot- und Wirsingkohl), Pflückerbsen und
Pflückbohnen nach landwirtschaftlicher Anbaumethode im Rahmen
der landwirtschaftlichen Fruchtfolge als Hauptkultur nicht der
gärtnerischen, sondern der landwirtschaftlichen Nutzung
zuzurechnen und entsprechend zu bewerten. Wenn - was hier keiner
abschließenden Entscheidung bedarf - diese
Verwaltungsvorschrift mit den maßgebenden Vorschriften des
BewG, insbesondere mit § 40 Abs. 2 BewG, vereinbar sein sollte
(ablehnend Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 1989, 558),
kann sie allenfalls als Ausnahmeregelung angesehen werden, die die
Rechtsprechung nicht auf andere Gemüsearten entsprechend
anwenden kann (Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2003,
1760 = SIS 03 51 15).
c) Da das FG dies verkannt hat, war die
Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif. Die in § 22
BewG bestimmten Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung zu
Lasten der Kläger sind erfüllt.
a) Der Einheitswert wird nach § 22 Abs. 1
BewG u.a. dann neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der in
DM ermittelte und auf volle 100 DM abgerundete Wert, der sich
für den Beginn eines Kalenderjahrs ergibt, von dem
entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben
um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 5.000 DM, oder um
mehr als 100.000 DM abweicht. Eine Fortschreibung ist nach §
22 Abs. 4 Satz 1 BewG vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird,
dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. Der Fortschreibung
werden vorbehaltlich des § 27 BewG (Maßgeblichkeit der
Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt) die
Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde gelegt
(§ 22 Abs. 4 Satz 2 BewG). Fortschreibungszeitpunkt ist nach
§ 22 Abs. 4 Satz 3 BewG bei einer Änderung der
tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahrs,
das auf die Änderung folgt, und bei einer gemäß
§ 22 Abs. 3 BewG erfolgenden Fortschreibung zur Beseitigung
eines Fehlers der letzten Feststellung der Beginn des
Kalenderjahrs, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, bei
einer Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der
Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Feststellungsbescheid erteilt
wird (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11.3.1998 II R
5/96, BFH/NV 1998, 1070, m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen für die vom FA
vorgenommene Wertfortschreibung nach oben sind gegeben. Die
Vergrößerung der bewirtschafteten Fläche stellt
eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar.
Die Abweichung des in der Einspruchsentscheidung festgestellten
Einheitswerts von dem auf den 1.1.1993 festgestellten Einheitswert
erfüllt die in § 22 Abs. 1 BewG bestimmten Anforderungen
an eine Wertfortschreibung nach oben. Eine Fortschreibung zur
Fehlerbeseitigung war mangels fehlerhafter Einordnung des
Zuckermaises nicht veranlasst und hätte im Übrigen auf
den Stichtag 1.1.1997 noch nicht vorgenommen werden
dürfen.