Pfennigbasar, gemeinnütziger Verein, keine Schätzung der Überschüsse: Überschüsse eines gemeinnützigen Vereins aus der Veranstaltung eines Pfennigbasars, auf dem von den Mitgliedern gesammelte gebrauchte Gegenstände verkauft werden, können nicht nach § 64 Abs. 5 AO geschätzt werden. - Urt.; BFH 11.2.2009, I R 73/08; SIS 09 15 24
I. Streitig ist, ob Überschüsse
aus der Veranstaltung eines Pfennigbasars für gebrauchte
Gegenstände gemäß § 64 Abs. 5 der
Abgabenordnung (AO) geschätzt werden können.
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), ein eingetragener Verein, dient nach seiner Satzung
der Förderung der Völkerverständigung. Er
veranstaltet regelmäßig einen Pfennigbasar, für den
er durch seine ehrenamtlichen Vereinsmitglieder gebrauchte
Gegenstände aller Art sammelt, unter anderem Kleidung,
Bücher und Haushaltsgeräte. Die gesammelten
Gegenstände werden auf dem Pfennigbasar unter
flohmarktähnlichen Bedingungen verkauft. Der Überschuss
aus dem Pfennigbasar wird für wohltätige Zwecke
gespendet.
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2002
aus der Veranstaltung des Pfennigbasars Einnahmen in Höhe von
42.579 EUR und einen Überschuss in Höhe von 30.008 EUR.
In der Steuererklärung für das Streitjahr beantragte er,
den Überschuss nach § 64 Abs. 5 AO in Höhe des
branchenüblichen Reingewinns von 20 % der Einnahmen auf 7.341
EUR zu schätzen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) lehnte die vom Kläger beantragte
Schätzung nach § 64 Abs. 5 AO ab und setzte im
Körperschaftsteuerbescheid und im Gewerbesteuermessbescheid
für das Streitjahr den vom Kläger erzielten
Überschuss in Höhe von 30.008 EUR an.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren wies
das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die Klage mit Urteil
vom 16.7.2008 10 K 282/05 = SIS 08 42 59 ab.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt, das angefochtene
Urteil, die Einspruchsentscheidung sowie den
Körperschaftsteuerbescheid und den Gewerbesteuermessbescheid
für das Streitjahr aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass
die Überschüsse aus dem vom Kläger im Streitjahr
veranstalteten Pfennigbasar nicht nach § 64 Abs. 5 AO
geschätzt werden können.
1. Gemäß § 64 Abs. 5 AO
können Überschüsse aus der Verwertung unentgeltlich
erworbenen Altmaterials außerhalb einer ständig
dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle, die der
Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer unterliegen, in
Höhe des branchenüblichen Reingewinns geschätzt
werden. Die Anwendung des § 64 Abs. 5 AO setzt voraus, dass
die Überschüsse in einem steuerpflichtigen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einer Körperschaft
anfallen, die - wie im Streitfall der Kläger -
steuerbegünstigte Zwecke i.S. des § 51 AO verfolgt
(Koenig in Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, § 64 Rz 26; Tipke in
Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 64 AO
Rz 20).
2. Bei dem vom Kläger veranstalteten
Pfennigbasar handelt es sich um einen steuerpflichtigen
wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 14 AO). Nach den
bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) wurden auf
dem jährlich durchgeführten Pfennigbasar gebrauchte
Gegenstände verkauft, die zuvor von den Mitgliedern des
Klägers gesammelt worden waren. Mit der Sammlung und
Weiterveräußerung dieser Gegenstände übte der
Kläger eine selbständige nachhaltige Tätigkeit aus,
durch die er Einnahmen und andere wirtschaftliche Vorteile erzielte
und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung
hinausging (vgl. zu Altkleidersammlungen Senatsurteile vom
26.2.1992 I R 149/90, BFHE 167, 147, BStBl II 1992, 693 = SIS 92 11 53; vom 10.6.1992 I R 76/90, BFH/NV 1992, 839).
Der Pfennigbasar diente in seiner
Gesamtrichtung nicht der Verwirklichung der
satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke des
Klägers, sondern der Beschaffung zusätzlicher Mittel
für die hierauf gerichtete Tätigkeit des Klägers.
Die Sammlung und Weiterveräußerung der gebrauchten
Gegenstände begründet damit keinen Zweckbetrieb i.S. des
§ 65 AO (vgl. Senatsurteile in BFHE 167, 147, BStBl II 1992,
693 = SIS 92 11 53; in BFH/NV 1992, 839).
3. Das FG hat zutreffend angenommen, dass
§ 64 Abs. 5 AO auf den Pfennigbasar des Klägers nicht
anwendbar ist. Im Streitfall hat der Kläger nach den
Feststellungen des FG auf dem Pfennigbasar gebrauchte
Gegenstände aller Art verkauft, zu denen unter anderem
Kleidung, Bücher und Haushaltsgeräte gehörten. Eine
Verwertung von Altmaterial liegt nicht vor, wenn es im Rahmen eines
Basars oder Flohmarkts zu einem Einzelverkauf gebrauchter Sachen
kommt (allgemeine Meinung; vgl. Sauer in Beermann/Gosch, AO/FGO,
§ 64 AO Rz 64; Blümich/von Twickel, EStG/KStG/GewStG,
§ 5 KStG Rz 201; Sauter/Voigt de Oliveira in Erle/Sauter,
Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl., § 5 Rz 302; Fischer
in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 64 AO Rz 77;
Anwendungserlass zur Abgabenordnung, Nr. 25 zu § 64 Abs.
5).
a) Der Tatbestand des § 64 Abs. 5 AO
erfasst nur die Verwertung von Altmaterial. Unter der Verwertung
von Altmaterial ist die Veräußerung von
Gegenständen zu verstehen, die - wie Altkleider, Altpapier und
Schrott (vgl. Senatsurteile in BFHE 167, 147, BStBl II 1992, 693 =
SIS 92 11 53; in BFH/NV 1992, 839; Woitschell in Ernst & Young,
KStG, § 5 Rz 577; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O., § 64 AO
Rz 20; Koenig in Pahlke/Koenig, a.a.O., § 64 Rz 26;
Blümich/von Twickel, ebenda) - nur noch einen Altmaterialwert
haben. § 64 Abs. 5 AO findet damit seinem Wortlaut nach keine
Anwendung auf den Einzelverkauf gebrauchter Sachen, die
darüber hinaus noch einen Gegenstandswert aufweisen.
b) Die enge Auslegung des § 64 Abs. 5 AO
wird durch die Gesetzesmaterialien bestätigt, aus denen sich
eindeutig ergibt, dass der Gesetzgeber die Schätzung nach
§ 64 Abs. 5 AO nur auf Überschüsse aus
Altmaterialsammlungen, nicht aber auf den Einzelverkauf gebrauchter
Sachen auf Basaren und Flohmärkten erstrecken wollte (Jost in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 5
Abs. 1 Nr 9 KStG nF Rz 265). Entgegen der Auffassung des
Klägers kann der Wille des Gesetzgebers im Streitfall zur
Auslegung des § 64 Abs. 5 AO herangezogen werden, da er im
Wortlaut der Vorschrift einen hinreichend bestimmten Ausdruck
gefunden hat (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom
17.5.1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 130; vom 16.12.1981
1 BvR 898/79 u.a., BVerfGE 59, 128, 153; Senatsbeschluss vom
3.9.1999 I B 169/98, BFH/NV 2000, 42 = SIS 00 50 39, unter II.B.2.
der Gründe, m.w.N.).
§ 64 Abs. 5 AO ist durch das Gesetz zur
Verbesserung und Vereinfachung der Vereinsbesteuerung
(Vereinsförderungsgesetz) vom 18.12.1989 (BGBl I 1989, 2212,
BStBl I 1989, 499) eingefügt worden. Im ursprünglichen
Gesetzentwurf der Bundesregierung war die Vorschrift nicht
enthalten; sie wurde erst im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens auf Empfehlung des Finanzausschusses ins
Vereinsförderungsgesetz aufgenommen (Beschlussempfehlung und
Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 11/5582, S. 8). Der
Finanzausschuss nahm hierbei einen Ergänzungsvorschlag des
Bundesrates auf, nach dem sich die Schätzung auf
„Überschüsse aus der Verwertung gespendeter und
gesammelter Sachen“ erstrecken sollte. Der Bundesrat
wollte mit diesem Vorschlag neben Altmaterialsammlungen
ausdrücklich auch Flohmärkte und Basare in die
Schätzung einbeziehen (Gesetzentwurf der Bundesregierung,
BTDrucks 11/4176, S. 15 f., Stellungnahme des Bundesrates; vgl.
auch Gesetzentwurf des Landes Baden-Württemberg zur
Vereinfachung der Vereinsbesteuerung, BRDrucks 132/85, S. 9).
Der Vorschlag des Bundesrates wurde von der
Bundesregierung unter Verweis auf Wettbewerbsgesichtspunkte und
Abgrenzungsprobleme abgelehnt (Gegenäußerung der
Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BTDrucks
11/4305, S. 1 f.). Im Finanzausschuss wurde den Bedenken der
Bundesregierung dadurch Rechnung getragen, dass die vom Bundesrat
vorgeschlagene Regelung auf Altmaterialsammlungen begrenzt wurde.
Auf die Einbeziehung von Verkaufsveranstaltungen wie Basaren und
Flohmärkten in die Schätzung des Überschusses wurde
- abweichend vom Vorschlag des Bundesrates - mit der
Begründung verzichtet, dass diese zu schwierigen
Abgrenzungsproblemen führe und unter
Wettbewerbsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt sei
(Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks
11/5582, S. 31, Einzelbegründung zu § 64 Abs. 5 AO;
Kröger, DStZ 1990, 79, 83; Fischer in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 64 AO Rz 2; Scholtz
in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 64 Rz 25).
c) Entgegen der Auffassung des Klägers
lässt sich die Einbeziehung des Einzelverkaufs gebrauchter
Sachen in die Schätzung nach § 64 Abs. 5 AO weder aus dem
Zweck der Vorschrift selbst noch aus übergreifenden Zwecken
des Gemeinnützigkeitsrechts ableiten.
aa) § 64 Abs. 5 AO bezweckt die
Vereinfachung der Vereinsbesteuerung, indem der Überschuss aus
der Verwertung von Altmaterial unter Berücksichtigung fiktiver
Lohnaufwendungen niedriger geschätzt wird, als er ohne diese
Lohnaufwendungen tatsächlich ist (Woitschell in Ernst &
Young, a.a.O., § 5 Rz 576; Scholtz in Koch/Scholtz, ebenda;
Bott in Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2. Aufl.,
§ 7 Rz 307; Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses, ebenda). Die Schätzung sollte die bis zur
Einführung der Vorschrift in der Praxis vielfach anzutreffende
Gestaltung, Löhne an die ehrenamtlichen Helfer der Vereine zu
zahlen, die von diesen als Spenden zurückgezahlt wurden,
entbehrlich machen (Thiel/Eversberg, DB 1990, 344, 347;
Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008,
§ 7 Rz 42; Rader in Leopold/Madle/Rader, Abgabenordnung,
§ 64 Rz 24; Märkle/Alber, Der Verein im Zivil- und
Steuerrecht, 12. Aufl., S. 231; Tipke in Tipke/Kruse, a.a.O.,
§ 64 AO Rz 20).
Eine Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens
wird nur erreicht, wenn die Schätzung des Überschusses
auf Altmaterialsammlungen beschränkt wird. Die Einbeziehung
des Einzelverkaufs gebrauchter Sachen auf Verkaufsveranstaltungen
wie Basaren und Flohmärkten führt dagegen zu schwierigen
Abgrenzungsproblemen bei der Aufteilung von Einnahmen und Ausgaben,
wenn dort sowohl gekaufte als auch unentgeltlich erworbene
Gegenstände verkauft werden (Thiel/Eversberg, ebenda;
Blümich/von Twickel, a.a.O., § 5 KStG Rz 201; Woitschell
in Ernst & Young, ebenda; Fischer in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 64 AO Rz 77;
Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, ebenda).
bb) Die Beschränkung des § 64 Abs. 5
AO auf Altmaterialsammlungen ist ferner auch aus
Wettbewerbsgründen erforderlich (Scholtz in Koch/Scholtz,
ebenda; Rader in Leopold/Madle/ Rader, ebenda; Müller in
Pump/Leibner, Abgabenordnung, Kommentar, § 64 Rz 80). Im
Hinblick auf die Altmaterialsammlungen wird die
Wettbewerbssituation dadurch ausgeräumt, dass die
Schätzung nach § 64 Abs. 5 AO nur dann zulässig ist,
wenn die Verwertung des Altmaterials außerhalb einer
ständig dafür vorgehaltenen Verkaufsstelle erfolgt
(Thiel/Eversberg, ebenda; Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses, ebenda; kritisch Hüttemann in Walz,
Gemeinnützigkeitsrecht – Quo vadis?, S. 2, 7). Im
Gegensatz dazu führt die Anwendung des § 64 Abs. 5 AO auf
den Überschuss aus dem Verkauf von - gebrauchten -
Einzelhandelswaren wie Spielzeug, Textilien, Sport- und
Elektrogeräten stets zu ungerechtfertigten
Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der steuerbegünstigten
Körperschaften (Blümich/von Twickel, ebenda; Woitschell
in Ernst & Young, ebenda; Beschlussempfehlung und Bericht des
Finanzausschusses, ebenda; vgl. auch Gutachten der
Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung
des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, Schriftenreihe des
BMF, Heft 40, 1988, S. 211 f.). Dies gilt entgegen der Auffassung
des Klägers auch für den vom Kläger veranstalteten
Pfennigbasar.
cc) Dem Kläger kann schließlich
nicht darin gefolgt werden, dass sich eine weite Auslegung des
§ 64 Abs. 5 AO aus dem kulturpolitischen Nebenzweck des
Gemeinnützigkeitsrechts ergebe, da die Ausgaben des
Klägers gemeinnützigen Zwecken dienten.
Steuerbegünstigte Körperschaften dürfen zwar nach
§ 64 Abs. 1 AO einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
unterhalten, um Mittel für die Verwirklichung ihrer
steuerbegünstigten Zwecke zu erwirtschaften. Die
Körperschaft hat die im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb
erzielten Überschüsse gemäß § 55 Abs. 1
Nr. 1 Satz 1 AO für ihre satzungsmäßigen
steuerbegünstigten Zwecke zu verwenden.
Die Mittelverwendung für
steuerbegünstigte Zwecke rechtfertigt es jedoch nicht, bei der
Auslegung der in § 64 AO enthaltenen
Vereinfachungsvorschriften für die Besteuerung der
wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe den auch im
Gemeinnützigkeitsrecht geltenden Grundsatz der
Wettbewerbsneutralität (Jachmann in Beermann/Gosch, a.a.O., AO
Vor §§ 51-68 Rz 52; Leisner-Egensperger in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., AO Vor §§ 51-68 Rz
40; Hüttemann, a.a.O., § 1 Rz 94 f.; vgl. § 65 Nr. 3
AO) unberücksichtigt zu lassen. Der Gesetzgeber hat die
Bedeutung der Wettbewerbsneutralität für die Begrenzung
dieser Vereinfachungsvorschriften nicht nur im Rahmen des durch das
Vereinsförderungsgesetz eingefügten § 64 Abs. 5 AO,
sondern auch in jüngeren Gesetzgebungsverfahren
anlässlich der Einfügung des § 64 Abs. 6 AO (vgl.
Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 14/4626, S. 7 f.,
Einzelbegründung zu § 64 Abs. 6 AO) und der Anhebung der
Besteuerungsgrenze des § 64 Abs. 3 AO (vgl. Gesetzentwurf der
Bundesregierung, BTDrucks 16/5200, S. 22, Einzelbegründung zu
§ 64 Abs. 3, und S. 30, Gegenäußerung der
Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates) wiederholt
hervorgehoben.