USt-Voranmeldungen, Dauerfristverlängerung, Widerruf, Verrechnung der Sondervorauszahlung: Wird die Dauerfristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen widerrufen und die Sondervorauszahlung auf die Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum, für den die Fristverlängerung gilt, angerechnet, ist der insoweit nicht verbrauchte Betrag der Sondervorauszahlung nicht zu erstatten, sondern mit der Jahressteuer zu verrechnen. Nur soweit die Sondervorauszahlung auch durch diese Verrechnung nicht verbraucht ist, entsteht ein Erstattungsanspruch. - Urt.; BFH 16.12.2008, VII R 17/08; SIS 09 14 86
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem am 20.4.2004 über
das Vermögen einer GmbH (Schuldnerin) eröffneten
Insolvenzverfahren.
Im Februar 2004 beantragte die Schuldnerin
eine Dauerfristverlängerung für die Abgabe der
Umsatzsteuer-Voranmeldungen und meldete deshalb die hierfür
gemäß § 47 Abs. 1 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderliche
Sondervorauszahlung in Höhe von 3.530 EUR an, die in der
Folgezeit in Teilbeträgen beglichen wurde. Am 24.2.2004
beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens. Unter dem 25.3.2004 widerrief der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die gewährte
Dauerfristverlängerung.
Mit einer „Steuerberechnung der
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2004“
vom 15.6.2004 errechnete das FA einen Umsatzsteuer-Überschuss
in Höhe von 3.530 EUR, welchen es mit Umbuchungsmitteilung vom
25.6.2004 mit der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld der Schuldnerin
für Januar 2004 verrechnete. Nachdem sich der Kläger
gegen die Umbuchung gewandt hatte, erließ das FA einen
entsprechenden Abrechnungsbescheid; der Einspruch des Klägers
blieb ohne Erfolg.
Auf die hiergegen erhobene Klage
änderte das Finanzgericht (FG) den Abrechnungsbescheid dahin,
dass er ein Guthaben der Schuldnerin in Höhe von 3.530 EUR
ausweist. Das Urteil ist in EFG 2008, 1003 = SIS 08 19 30
veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht das FA geltend,
dass sich die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine
insolvenzrechtliche anfechtbare Rechtshandlung ergeben habe,
sondern dass der zur Aufrechnungsmöglichkeit führende
Erstattungsanspruch die Folge der Anrechnung der
Sondervorauszahlung gemäß § 48 Abs. 4 UStDV gewesen
sei.
Der Kläger meint, dass die Herstellung
der Aufrechnungslage auf mehreren Rechtshandlungen beruhe,
nämlich auf der Anmeldung, der Tilgung der Sondervorauszahlung
sowie dem Widerruf der Dauerfristverlängerung, die alle
insolvenzrechtlich anfechtbar seien.
II. Die Revision des FA hat nur zum Teil
Erfolg, weil die gegen den Abrechnungsbescheid gerichtete Klage
teilweise begründet ist. Der angefochtene Abrechnungsbescheid
ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten
(§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und
die Revision des FA ist somit unbegründet (§ 126 Abs. 2
FGO), soweit der Bescheid den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsanspruch
des FA für Januar 2004 als durch Aufrechnung mit einem
Guthaben aus dem Voranmeldungszeitraum März 2004 in Höhe
von 3.530 EUR erloschen ausweist. Das FG hat den
Abrechnungsbescheid allerdings zu Unrecht dahin geändert, dass
ein Guthaben der Schuldnerin in Höhe von 3.530 EUR besteht;
insoweit führt die Revision zur Änderung der
Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 1 FGO).
1. Nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung
(AO) entscheidet die Finanzbehörde mit einem
Abrechnungsbescheid über Streitigkeiten, welche die
Verwirklichung der Ansprüche i.S. des § 218 Abs. 1 AO
betreffen. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide,
Steuervergütungsbescheide, Haftungsbescheide und
Verwaltungsakte, durch die steuerliche Nebenleistungen festgesetzt
werden, die Grundlage für die Verwirklichung von
Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Der
Abrechnungsbescheid entscheidet also nur, inwieweit die mit
vorgenannten Bescheiden festgestellten Ansprüche aus dem
Steuerschuldverhältnis noch bestehen oder inzwischen ganz oder
teilweise erloschen sind (Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., §
218 Rz 13).
Im Streitfall existiert indes kein Bescheid,
der einen Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung der
Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2004 begründet. Der Betrag
von 3.530 EUR ist lediglich das Ergebnis einer
„Steuerberechnung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für
den Monat März 2004“ vom 15.6.2004, die an ihrem
Ende ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich hierbei nicht
um eine Steuerfestsetzung handelt. Es gibt auch keinen Anspruch der
Schuldnerin auf Erstattung der Sondervorauszahlung, der jedenfalls
- wenn auch noch nicht durch Bescheid festgesetzt - im Zeitpunkt
der Aufrechnung tatsächlich bestand und erfüllbar
war.
2. Die Ansicht des FG und des Klägers,
dass durch den Widerruf der Dauerfristverlängerung ein
Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung der Sondervorauszahlung und
damit die Aufrechnungsmöglichkeit für das FA entstanden
sei, ist unzutreffend.
Der Widerruf der Dauerfristverlängerung
hatte lediglich zur Folge, dass die Schuldnerin - bzw. mit
Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Kläger - die
gemäß § 46 UStDV eingeräumte einmonatige
Fristverlängerung für die Abgabe der
Umsatzsteuer-Voranmeldungen nicht mehr in Anspruch nehmen konnte.
Ein Anspruch auf Erstattung der Sondervorauszahlung ergab sich
daraus jedoch nicht. Die Sondervorauszahlung 2004 war von der
Schuldnerin gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 UStDV
angemeldet und damit wirksam festgesetzt worden (§ 168 Satz 1
AO). Ein im März 2004 bestehender Anspruch der Schuldnerin auf
Erstattung der - nach den Feststellungen des FG auch entrichteten -
Sondervorauszahlung hätte daher die Aufhebung der
vorangegangenen Festsetzung vorausgesetzt; jedoch ist die
Festsetzung der Sondervorauszahlung zu keinem Zeitpunkt aufgehoben
worden.
Auch wenn eine gewährte
Dauerfristverlängerung während des Besteuerungszeitraums
endet, ist die geleistete Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung nicht zu
erstatten, sondern sie ist auch in diesem Fall - wie es § 48
Abs. 4 UStDV in der im Streitjahr 2004 geltenden Fassung
vorschreibt - bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den
letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums
anzurechnen. Der Besteuerungszeitraum ist nach § 16 Abs. 1
Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) das Kalenderjahr. Auch durch
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen des Unternehmers wird der Besteuerungszeitraum nicht
unterbrochen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.7.2002 V
R 56/01, BFHE 199, 71, BStBl II 2002, 705 = SIS 02 93 31; vom
6.11.2002 V R 21/02, BFHE 200, 156, BStBl II 2003, 39 = SIS 03 06 07). Daher ist auch im Streitfall die von der Schuldnerin
geleistete Sondervorauszahlung auf die festgesetzte (oder ggf.
wegen der Insolvenz lediglich berechnete) Vorauszahlung für
den letzten Voranmeldungszeitraum des Jahres 2004 anzurechnen.
Soweit sie durch diese Anrechnung nicht verbraucht ist, ist sie -
weil sie eine Vorauszahlung auf die Jahressteuer ist (§ 47
Abs. 1 Satz 1 UStDV) - auf die restliche ggf. noch offene
Jahressteuer anzurechnen. Nur soweit die Sondervorauszahlung auch
durch diese Anrechnung noch nicht verbraucht ist, hat die
Schuldnerin einen Erstattungsanspruch, der in die Insolvenzmasse
fällt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 199, 71, BStBl II 2002, 705 =
SIS 02 93 31, und in BFHE 200, 156, BStBl II 2003, 39 = SIS 03 06 07).
Aus den seinerzeit geltenden
Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 (UStR 2000) folgt - abgesehen davon,
dass es sich hierbei ohnehin nicht um das Gericht bindende
Rechtsnormen handelt - nichts anderes. Aus den Feststellungen des
FG ergibt sich nicht, dass die Schuldnerin ihre gewerbliche
Tätigkeit im Laufe des Jahres 2004 eingestellt (Abschn. 228
Abs. 6 Satz 4 UStR 2000) oder auf die gewährte
Dauerfristverlängerung verzichtet hat (Abschn. 228 Abs. 7 Satz
1 UStR 2000).
3. § 48 Abs. 4 UStDV ist erst durch das
Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) dahin
geändert worden, dass die festgesetzte Sondervorauszahlung bei
der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten
Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen ist,
„für den die Fristverlängerung gilt“.
Ob es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung handelt
(Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 18 Rz 85), also auch
schon im Streitjahr 2004 die Sondervorauszahlung in jedem Fall der
vorzeitigen Beendigung der Dauerfristverlängerung, somit auch
im Fall ihres Widerrufs, auf die berechnete Vorauszahlung für
den letzten Voranmeldungszeitraum, für den die
Dauerfristverlängerung noch in Anspruch genommen werden
konnte, anzurechnen war (vgl. nunmehr Abschn. 228 Abs. 5 Satz 4
UStR 2008), kann offenbleiben. Auch in diesem Fall ergäbe sich
für den Voranmeldungszeitraum März 2004 kein
Erstattungsanspruch der Schuldnerin, denn die
„Anrechnung“ der Sondervorauszahlung auf die
Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum bedeutet,
dass die errechnete Vorauszahlung für diesen Zeitraum um die
Sondervorauszahlung zu kürzen ist (Bülow in
Vogel/Schwarz, a.a.O., § 18 Rz 85). Nach der Steuerberechnung
des FA gab es aber im Voranmeldungszeitraum März 2004 keine zu
kürzende Vorauszahlung, weil sich die errechnete Vorauszahlung
mangels steuerpflichtiger Umsätze der Schuldnerin auf 0 EUR
belief. Wegen der deshalb nicht möglichen Anrechnung der
Sondervorauszahlung auf die für März 2004 errechnete
Vorauszahlung musste sie daher - wie der BFH mit Urteilen in BFHE
199, 71, BStBl II 2002, 705 = SIS 02 93 31 und in BFHE 200, 156,
BStBl II 2003, 39 = SIS 03 06 07 ausgeführt hat - in voller
Höhe für die Jahresabrechnung 2004 verbleiben und konnte
nicht für März 2004 erstattet werden, denn der
Rechtsgrund für die Sondervorauszahlung, die eine
Vorauszahlung auf die Jahressteuer ist, fällt nicht bereits
mit der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten
Voranmeldungszeitraum weg, sondern erst, wenn und soweit die
Sondervorauszahlung zur Tilgung der Jahressteuer nicht
benötigt wird (BFH-Urteil in BFHE 199, 71, BStBl II 2002, 705
= SIS 02 93 31).
4. Die Frage, ob sich danach ein Anspruch der
Schuldnerin auf Erstattung der Sondervorauszahlung im Rahmen der
Jahresabrechnung 2004 ergibt, kann der Senat nicht beantworten, da
das FG die insoweit erforderlichen Feststellungen nicht getroffen
hat. Es ist nicht bekannt, ob und in welcher Höhe eine
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den letzten
Voranmeldungszeitraum des Jahres zu berechnen und in welcher
Höhe die berechnete Jahressteuer nach Anrechnung der Summe der
Vorauszahlungen (§ 18 Abs. 4 UStG) ggf. noch offen ist.
Gleichwohl muss die Sache nicht an das FG zurückverwiesen
werden, weil die Umsatzsteuer-Jahresabrechnung 2004 nicht
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Streitig ist allein,
ob sich für den Voranmeldungszeitraum März 2004 ein
Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung der geleisteten
Sondervorauszahlung ergibt, der mit vorinsolvenzlichen
Steuerforderungen des FA verrechnet werden kann. Diese Frage ist
jedoch - wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt - zu
verneinen. Die durch die Umbuchungsmitteilung des FA vom 25.6.2004
erklärte und durch den Abrechnungsbescheid bestätigte
Aufrechnung mit dem Anspruch auf Umsatzsteuer-Vorauszahlung Januar
2004 ging daher ins Leere.
Der Kläger kann nach alledem zwar
beanspruchen, dass das FA die Sondervorauszahlung nicht mit
Steuerschulden der Schuldnerin für Januar 2004 verrechnet; er
hat jedoch keinen Anspruch auf einen Abrechnungsbescheid, welcher
für den Voranmeldungszeitraum März 2004 ein Guthaben in
Höhe von 3.530 EUR ausweist.