Außensteuergesetz, Hinzurechnung, Halbeinkünfteverfahren: Im Veranlagungszeitraum 2001 findet auf den Hinzurechnungsbetrag i.S. des § 10 AStG das sog. Halbeinkünfteverfahren Anwendung. - Urt.; BFH 11.2.2009, I R 40/08; SIS 09 14 80
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurde im Streitjahr 2001 zusammen mit seiner Ehefrau
zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist selbständiger
Programmierer und betrieb im Streitjahr ein Einzelunternehmen. Er
war außerdem zu 98 v.H. Gesellschafter sowie
Geschäftsführer einer Schweizer Aktiengesellschaft, der
N-AG, für die nach § 18 Abs. 1 des Gesetzes über die
Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz - AStG
- ) für das Wirtschaftsjahr 2000 zum 1.1.2001 ein
Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG festgestellt worden war.
Dem Antrag des Klägers, diesen Hinzurechnungsbetrag im
Streitjahr nach § 3 Nr. 40 Buchst. d des
Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr
maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des
Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulÄndG 1999) vom
20.12.2000 (BGBl I 2000, 1850, BStBl I 2001, 28) - EStG 1997 n.F. -
nur zur Hälfte bei der Einkommensteuerveranlagung
einzubeziehen, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ab.
Die Klage gegen den hiernach ergangenen
Steuerbescheid blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG)
Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 26.3.2008 3
K 142/06 ist in EFG 2008, 1388 = SIS 08 29 91 abgedruckt.
Der Kläger stützt seine Revision
auf Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den
angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern,
dass die Einkommensteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich
bei Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf den im
Feststellungsbescheid vom 25.4.2005 festgestellten
Hinzurechnungsbetrag für die N-AG für das
Feststellungsjahr 2001 (Wirtschaftsjahr: 2000) ergibt.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das FA
hat den nach § 18 Abs. 1 AStG festgestellten
Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr
zu Unrecht in voller Höhe und nicht nach § 3 Nr. 40
Buchst. d EStG 1997 n.F. nur hälftig angesetzt.
1. Der Hinzurechnungsbetrag gemäß
§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG gehört gemäß § 10
Abs. 2 Satz 1 AStG „zu den Einkünften aus
Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziff. (Nr.) 1
des Einkommensteuergesetzes“. Er wird nach der
Regelungskonzeption des Außensteuergesetzes insoweit als
Quasi-Ausschüttung angesehen und fiktiv entsprechenden
Rechtsfolgen unterworfen. „Einkünfte“ i.S.
des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind
wiederum nach der dort gegebenen Regelungsdefinition
„Bezüge“, die ihrerseits nach § 3 Nr.
40 Buchst. d EStG 1997 n.F. zur Hälfte steuerfrei sind. Das
ergibt sich zweifelsfrei aus dem Regelungswortlaut und den
Regelungszusammenhängen. Dass der Hinzurechnungsbetrag aus
„rechtstechnischer“ Sicht nicht unmittelbar in
die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeht, sondern die Einkünfte aus
Kapitalvermögen außerhalb der Überschussrechnung
i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 EStG als
„Einkünfteerhöhungsbetrag eigener Art“
(vgl. dazu Senatsurteil vom 7.9.2005 I R 118/04, BFHE 211, 164,
BStBl II 2006, 537 = SIS 05 48 99) erhöht, ändert daran
nichts (ebenso z.B. Luckey in Strunk/Kaminski/Köhler,
Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, § 10 AStG
Rz 41; Vogt in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 10 AStG Rz
36 f.). Gleiches gilt - unbeschadet der vom FG befürchteten
„empfindlichen Störung der Binnensystematik der
§§ 3 ff. EStG“ und der vom Gesetzgeber insoweit
womöglich beabsichtigten Korrespondenz - für den Umstand,
dass infolge dieser „Regelungstechnik“ zugleich
die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3c Abs.
1 EStG 1997 n.F. und des sich hiernach ergebenden
Abzugsausschlusses für Ausgaben, welche mit steuerfreien
Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen,
nicht erfüllt sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 211, 164, BStBl
II 2006, 537 = SIS 05 48 99).
2. Diese Auslegung wird nicht zuletzt durch
§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG i.d.F. des Gesetzes zur
Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts
(Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG - ) vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) bestätigt,
wonach § 3 Nr. 40 (Satz 1) Buchst. d EStG 1997 i.d.F. des
UntStFG auf den Hinzurechnungsbetrag nicht anzuwenden ist. Dieses
Regelungsausschlusses bedürfte es - im Umkehrschluss - nicht,
wenn der Hinzurechnungsbetrag nicht (kraft gesetzlicher Fiktion)
ohnehin zu den Bezügen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
gehörte. Anders als § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 n.F.
(vgl. § 52 Abs. 4b EStG 1997 i.d.F. des UntStFG; dazu im
Einzelnen Luckey in Strunk/Kaminski/ Köhler, a.a.O., § 10
AStG Rz 8) war § 10 Abs. 2 AStG in der vorgenannten
Gesetzesfassung im Streitjahr allerdings (noch) nicht anzuwenden.
Das ist nach § 21 Abs. 7 Satz 2 AStG i.d.F. des UntStFG
erstmals für den Veranlagungszeitraum der Fall, für den
Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem
Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft oder der
Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31.12.2000
beginnt. Dies trifft auf die im Streitfall hinzuzurechnenden
Einkünfte der N-AG nicht zu; denn diese stammen aus dem am
31.12.2000 endenden Wirtschaftsjahr der N-AG. Ein nach der
Regelungskonzeption des sog. Halbeinkünfteverfahrens
möglicherweise entgegenstehender Wille des Gesetzgebers, den
Hinzurechnungsbetrag auch im Jahre 2001 zunächst einer
Vollbesteuerung zu unterwerfen und erst die anschließende
Ausschüttung der Gewinne nach § 8b Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes bzw. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG
1997 n.F. außer Ansatz zu lassen (zur prinzipiellen
„Systemimmanenz“ der Nichtanwendung des
Halbeinkünfteverfahrens s. z.B. Wassermeyer/Schönfeld in
Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 10 AStG
Rz 202), hätte im Gesetzestext keinen hinreichenden
Niederschlag gefunden. Dieser Text ist eindeutig und belässt
keine Auslegungsmöglichkeiten zu Lasten des Steuerpflichtigen
(ebenso z.B. Luckey in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., §
10 AStG Rz 8; Vogt in Blümich, a.a.O., § 10 AStG Rz
37).
3. Die Vorinstanz hat eine abweichende
Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache
ist spruchreif. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist
deshalb entsprechend zu ändern, wobei die Ermittlung und
Berechnung des festzusetzenden Betrages dem FA nach Maßgabe
der Gründe dieser Entscheidung überlassen wird (§
100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).