Verbrauchsteuerbegünstigung, gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfe, Rückforderung: 1. Die nach § 25 Abs. 3 a Satz 1 Nr. 1.4 MinöStG 1993 gewährte und aus wettbewerbspolitischen Gründen eingeführte Mineralölsteuerbegünstigung für den Unterglasanbau stellt eine selektive steuerliche Maßnahme und damit eine Beihilfe i.S. von Art. 87 Abs. 1 EG dar. - 2. Die Rückgängigmachung einer gemeinschaftsrechtswidrigen Beihilfegewährung ist aus zwingenden Gründen des Gemeinwohls geboten, so dass selbst die Annahme einer damit verbundenen echten Rückwirkung gerechtfertigt und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden wäre. - 3. Hat die Bundesregierung die erforderliche Notifizierung einer Beihilfe unterlassen und dadurch das in Art. 88 EG vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten, kann ein beihilfebegünstigtes Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der ihm gemeinschaftsrechtswidrig gewährten Beihilfe grundsätzlich nicht vertrauen. - 4. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gebietet es, bei der Rückforderung gemeinschaftsrechtswidrig gewährter Verbrauchsteuer-Beihilfen § 169 AO unangewendet zu lassen. - Urt.; BFH 30.1.2009, VII B 180/08; SIS 09 09 91
I. Der Antragsteller und
Beschwerdeführer (Antragsteller) betreibt Unterglasanbau.
Für das von ihm zur Beheizung der Gewächshäuser
eingesetzte Heizöl gewährte ihm der Antragsgegner und
Beschwerdegegner (das Hauptzollamt - HZA - ) für die Jahre
2001 bis 2004 eine Vergütung nach § 25 Abs. 3a Satz 1 Nr.
1.4 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG 1993). Die
Entscheidung über die für die Jahre 2005 und 2006
beantragte Vergütung stellte das HZA zunächst unter
Hinweis auf das von der Bundesregierung bei der Europäischen
Kommission (Kommission) eingeleitete beihilferechtliche
Genehmigungsverfahren zurück. In ihrer Entscheidung vom
11.3.2008 K(2008) 860 (Amtsblatt der Europäischen Union -
ABlEU - Nr. L 238/10 vom 5.9.2008) stellte die Kommission u.a.
fest, dass die in § 25 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1.4 MinöStG
1993 - zunächst ohne die erforderliche Notifizierung -
getroffene Beihilferegelung für Unternehmen der Land- und
Forstwirtschaft zum Beheizen von Gewächshäusern oder
geschlossenen Kulturräumen zur Pflanzenproduktion mit dem
Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, soweit die
Steuerermäßigung über das ursprüngliche
Steuerniveau von 40,90 EUR/1000 Liter Heizöl hinausging.
Deutschland wurde aufgefordert, die gemeinschaftsrechtswidrige
Beihilferegelung aufzuheben, alle notwendigen Maßnahmen zu
ergreifen, um die Beihilfen von den Empfängern
zurückzufordern und die Entscheidung binnen vier Monaten vom
Tag ihrer Bekanntgabe zu vollstrecken (Art. 3 und 4 der
Entscheidung).
Der Antragsteller wurde im November 2005
über das beihilferechtliche Überprüfungsverfahren
unterrichtet. Mit Bescheid vom 9.6.2008 forderte das HZA die
Mineralölsteuervergütung für die Jahre 2001 bis 2004
sowie Zinsen zurück und setzte die Vergütung für die
Jahre 2005 und 2006 unter Beachtung der Vorgaben der Kommission
entsprechend fest. Bei der Berechnung des
Rückforderungsbetrags berücksichtigte das HZA zugunsten
des Antragstellers für 2002, 2005 und 2008 gemäß
der Verordnung (EG) Nr. 1860/2004 der Kommission vom 6.10.2004
über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf
De-minimis-Beihilfen im Agrar- und Fischereisektor (ABlEU Nr. L
325/4) eine sog. De-minimis-Beihilfe in Höhe von jeweils 3.000
EUR. Gegen den Rückforderungsbescheid legte der Antragsteller
Einspruch ein und beantragte zugleich hinsichtlich der
Rückforderung der bereits geleisteten Vergütung sowie
hinsichtlich der geforderten Zinsen die Aussetzung der Vollziehung
(AdV).
Sowohl das HZA als auch das Finanzgericht
(FG) lehnten den Antrag ab. Das FG erachtete die auf Art. 14 Abs. 3
der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22.3.1999 über
besondere Vorschriften für die Anwendung von Art. 93 des
EG-Vertrags (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG
- Nr. L 83/1) - VO Nr. 659/1999 - gestützte Rückforderung
der Vergütung und die Anforderung von Zinsen als
rechtmäßig. Dass die Vergütung ohne Vorbehalt
ausgezahlt worden sei, rechtfertige keinen Vertrauensschutz
zugunsten des Antragstellers. Auch könne dieser sich nicht auf
den Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - ) berufen. Denn einem
Mitgliedstaat sei es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften (EuGH) verwehrt, durch die
Anwendung nationaler Verfahrensvorschriften die Rückforderung
einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe praktisch
unmöglich zu machen. Hinsichtlich einer unbilligen Härte
seien Anhaltspunkte weder erkennbar noch vom Antragsteller
vorgetragen worden.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der
Antragsteller gegen die Ablehnung seines Aussetzungsantrags durch
das FG. Zur Begründung seines Rechtsschutzbegehrens beruft er
sich auf Gründe des Vertrauensschutzes. Durch die
vorbehaltlose Auszahlung der Beihilfe habe das HZA einen
Vertrauenstatbestand geschaffen. Mit einer Rückforderung der
Vergütung habe er nicht rechnen müssen, zumal die
Bundesregierung die erforderliche Notifizierung der Beihilfe
unterlassen habe. Eine unbillige Härte ergebe sich bereits
aufgrund des immens hohen Rückforderungsbetrags.
Das HZA ist der Beschwerde
entgegengetreten. Es schließt sich im Wesentlichen der
Auffassung des FG an. Von einer verbotenen Rückwirkung sei im
Falle einer nachträglichen Rückforderung von Beihilfen
nicht auszugehen. Im Übrigen habe die Kommission in ihrer
Entscheidung Vertrauensschutzgesichtspunkte geprüft und auch
berücksichtigt. Auf Vertrauensschutz könne sich ein
beihilfebegünstigtes Unternehmen nur dann berufen, wenn die
Beihilfe unter Beachtung des im EG-Vertrag vorgesehenen Verfahrens
gewährt worden sei. Schließlich stelle die Vollziehung
des Rückforderungsbescheids für den Antragsteller keine
unbillige Härte dar.
II. Die nach § 128 Abs. 3 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde ist
unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2
FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines
angefochtenen Verwaltungsakts aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. Im
Streitfall bestehen nach der im Aussetzungsverfahren gebotenen
summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage solche Zweifel
jedoch nicht.
1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen,
dass Deutschland nach Art. 4 der Entscheidung der Kommission vom
11.3.2008 K(2008) 860 i.V.m. Art. 14 Abs. 3 VO Nr. 659/1999
verpflichtet ist, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare
Beihilfe, d.h. die nach § 25 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1.4
MinöStG 1993 gewährten Steuervergünstigungen, von
den jeweiligen Empfängern zurückzufordern.
Die durch das Gesetz zur Änderung des
Mineralölsteuergesetzes vom 16.8.2001 (BGBl I 2001, 2091)
eingeführte Steuerbegünstigung für Gasöle nach
§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 MinöStG 1993, die von Unternehmen
der Land- und Forstwirtschaft zum Beheizen von
Gewächshäusern oder geschlossenen Kulturräumen zur
Pflanzenproduktion verwendet worden sind, stellt nach der
Auffassung der Kommission innerhalb des Sektors Gartenbau eine
selektive steuerliche Maßnahme dar, die geeignet ist, den
Wettbewerb zu verfälschen. Nach den vom EuGH entwickelten
Kriterien handelt es sich bei der Steuervergünstigung, die
nach der Zielsetzung des Gesetzgebers den Wettbewerbsvorteil
niederländischer Unternehmer bei den Heizkosten ausgleichen
sollte (Teichner/Alexander/Reiche, Mineralöl- und
Erdgassteuer, Stromsteuer, Mineralölzoll, § 25
MinöStG 1993 Rz 60), um eine Beihilfe i.S. von Art. 87 Abs. 1
des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft -
EG - (vgl. zum Beihilfecharakter von Steuervergünstigungen
EuGH-Urteile vom 8.11.2001 C-143/99, Slg. 2001, I-8365, und vom
19.5.1999 C-6/97, Slg. 1999, I-2981, m.w.N., sowie Kirchhof,
Nationale Steuerermäßigungen und europäisches
Beihilfeverbot, ZfZ 2006, 246). Im Rahmen der summarischen
Überprüfung des angefochtenen
Rückforderungsbescheids ist es nicht veranlasst, den
Beihilfecharakter der von Deutschland gewährten
Steuerentlastung für Gartenbaubetriebe in Frage zu stellen,
zumal der Antragsteller selbst keine Einwendungen gegen die
Rechtmäßigkeit der dem Rückforderungsbescheid
zugrunde liegenden Kommissionsentscheidung und auch keine
Nichtigkeitsklage nach Art. 230 EG erhoben hat. Auch die
Bundesregierung hat die Kommissionsentscheidung vor dem EuGH nicht
angefochten, so dass von ihrer Bestandskraft auszugehen ist. Aus
diesem Grund ist der beschließende Senat daran gehindert, die
Rechtmäßigkeit der Kommissionsentscheidung formell- oder
materiell-rechtlich in Frage zu stellen (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.10.2000 III R 35/95, BFHE 193, 204,
BStBl II 2001, 499 = SIS 01 03 67). Nach Art. 14 Abs. 3 VO Nr.
659/1999 hat die Rückforderung der Beihilfe unverzüglich
und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats zu erfolgen,
sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung
der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Hierzu
gehört auch, dass die nationalen Gerichte alle in ihren
jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte
einleiten.
2. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist
der Rückforderungsbescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil er
in unzulässiger Weise rückwirkend in eine geschützte
Rechtsposition des Antragstellers eingreift.
a) Zur Rückforderung der Vergütung
ist keine Änderung des MinöStG 1993 erforderlich, die
Rechtsfolgen für einen bestimmten, vor dem Zeitpunkt der
Rechtsänderung liegenden Zeitraum auszulösen geeignet
wäre und die damit nachträglich in einen in der
Vergangenheit bereits abgeschlossenen Tatbestand eingreifen
würde. Eine echte Rückwirkung liegt demnach nicht vor.
Vielmehr hatten die gemeinschaftsrechtlichen Beihilfevorschriften
(insbesondere Art. 87 und 88 EG sowie Art. 14 VO Nr. 659/1999) im
Zeitpunkt der Gewährung der von der Kommission beanstandeten
Steuervergünstigung bereits Bestand. Der vom Gesetzgeber ohne
Einhaltung des vorgeschriebenen Notifizierungsverfahrens
eingeführten Steuervergünstigung haftete von vornherein
der erkennbare Makel der Gemeinschaftsrechtswidrigkeit an, die von
der Kommission später in dem dafür vorgesehenen
Beihilfeverfahren festgestellt worden ist.
b) Aber selbst wenn sich die von der
Rechtsprechung für den Fall einer echten Rückwirkung
entwickelten Grundsätze auf den Streitfall übertragen
ließen, wäre von der Zulässigkeit einer solchen
Rückwirkung auszugehen. Denn es entspräche dem Interesse
Deutschlands, ein Vertragsverletzungsverfahren und evtl. die
Verhängung eines Pauschalbetrags oder Zwangsgeldes (Art. 228
Abs. 2 EG) dadurch zu verhindern, dass dem Gemeinschaftsrecht der
Vorrang vor den mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren nationalen
Vorschriften eingeräumt wird. Darüber hinaus tritt nach
Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bei der
Rücknahme gemeinschaftsrechtswidriger nationaler Beihilfen
neben das mitgliedstaatliche öffentliche Interesse an der
Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands ein
öffentliches Interesse der Europäischen Gemeinschaft an
der Durchsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsordnung;
auch dieses eigene öffentliche Interesse der Gemeinschaft muss
hinreichend Berücksichtigung finden (Beschluss des BVerfG vom
17.11.2000 2 BvR 1210/98, NJW 2000, 2015). Unter diesen
Umständen erweist sich die Rückgängigmachung der
gemeinschaftsrechtswidrigen Beihilfegewährung aus zwingenden
Gründen des Gemeinwohls als geboten (BFH-Urteil in BFHE 193,
204, 213, BStBl II 2001, 499 = SIS 01 03 67).
3. Der auch im Gemeinschaftsrecht zu
beachtende Grundsatz des Vertrauensschutzes steht der
Rückforderung der Beihilfe ebenfalls nicht entgegen. Nach der
Rechtsprechung des EuGH darf ein beihilfebegünstigtes
Unternehmen auf die Ordnungsmäßigkeit der Beihilfe
grundsätzlich nur dann vertrauen, wenn diese unter Einhaltung
des in Art. 88 EG vorgesehenen Verfahrens gewährt worden ist.
Einem sorgfältigen Gewerbetreibenden ist es
regelmäßig möglich, sich zu vergewissern, dass
dieses Verfahren eingehalten wurde (EuGH-Urteile vom 20.3.1997
C-24/95, Slg. 1997, I-1591, und vom 14.1.1997 C-169/95, Slg. 1997,
I-135). Wie bereits ausgeführt, hat die Bundesregierung im
Streitfall die erforderliche Notifizierung der steuerlichen
Beihilfe unterlassen und damit das in Art. 88 Abs. 3 EG
vorgeschriebene Verfahren nicht eingehalten. Dem Vorbringen des
Antragstellers sind keine überzeugenden Gründe zu
entnehmen, die es ihm unmöglich gemacht hätten, sich von
der Einleitung des Notifizierungsverfahrens - etwa durch
Einsichtnahme in amtliche Veröffentlichungen oder durch eine
entsprechende Nachfrage bei den Finanzbehörden - zu
überzeugen. Wie die Kommission in ihrer Entscheidung
ausführt, hätte ein umsichtiger Geschäftsmann von
dem Risiko einer möglichen Rückforderung erfahren
können, so dass sein Vertrauen nicht schutzwürdig sei,
wenn er eine entsprechende Nachfrage bewusst oder fahrlässig
unterlassen habe.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass
weder die Bundesregierung noch die begünstigten Unternehmen
hätten erkennen können, dass es sich bei der 2001
eingeführten steuerlichen Förderung des Unterglasanbaus
um eine Beihilfe gehandelt habe. Denn es entsprach bereits zu
diesem Zeitpunkt ständiger Rechtsprechung des EuGH und der
Entscheidungspraxis der Kommission, dass selektive steuerliche
Vergünstigungen genehmigungspflichtige Beihilfen i.S. von Art.
87 EG darstellen. Zudem enthielt die Mitteilung der Kommission
über den „Gemeinschaftsrahmen für staatliche
Umweltschutzbeihilfen“ vom 10.3.1994 (ABlEG Nr. C 72/3)
eindeutige Hinweise auf den Beihilfecharakter von
Steuervergünstigungen. Ausdrücklich weist die Kommission
darauf hin, dass zur Verhinderung von Nachteilen im internationalen
Wettbewerb eingeführte Umweltschutzsteuerbefreiungen als
Betriebsbeihilfen betrachtet werden können. Gerade vor dem
Hintergrund der Ökologischen Steuerreform, die 1999 als Teil
der Klimaschutzpolitik der Bundesregierung insbesondere mit dem
Ziel der Ressourcenschonung mit einer Anhebung der
Mineralölsteuersätze und der Einführung der
Stromsteuer eingeleitet wurde, hätten sich die
Selektivität und der Beihilfecharakter einer
wettbewerbspolitisch motivierten energiesteuerlichen Entlastung des
Unterglasanbaus aufdrängen müssen.
4. Nach der im Eilverfahren gebotenen
summarischen Prüfung gelangt der Senat zu dem Schluss, dass
auch der Eintritt der Festsetzungsverjährung (§ 169 Abs.
1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) der Rückforderung der
gemeinschaftsrechtswidrig gewährten Beihilfe nicht
entgegensteht. Wie der EuGH entschieden hat, ist ein Mitgliedstaat
selbst dann zur Rückforderung einer solchen Beihilfe
verpflichtet, wenn er die nach nationalem Recht im Interesse der
Rechtssicherheit dafür bestehende Ausschlussfrist hat
verstreichen lassen (EuGH-Urteil in Slg. 1997, I-1591). Aufgrund
des zu beachtenden Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, der
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BVerfG-Beschluss vom
8.4.1987 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223, 244 = SIS 87 23 29,
m.w.N.), müssen nationale Verfahrensvorschriften, wie z.B.
solche zur Herbeiführung einer aufschiebenden Wirkung eines
Rechtsbehelfs, unangewendet bleiben, wenn ihre Beachtung zu einer
erheblichen Verzögerung der Rückforderung einer Beihilfe
und damit zu einer Perpetuierung des unzulässigen
Wettbewerbsvorteils führen würde (EuGH-Urteil vom
5.10.2006 C-232/05, Slg. 2006, I-10071).
In Bezug auf die in § 48 Abs. 4 Satz 1
des Verwaltungsverfahrensgesetzes normierte Jahresfrist, innerhalb
der ein als rechtswidrig erkannter Verwaltungsakt
zurückgenommen werden kann, hat sich das BVerfG
ausdrücklich der Auffassung des EuGH angeschlossen, nach der
das Gemeinschaftsrecht auch nach Ablauf dieser Frist die
Rücknahme einer Beihilfe verlangt, so dass im Ergebnis die
nationale Verfahrensvorschrift unangewendet bleiben muss
(BVerfG-Beschluss in NJW 2000, 2015). So verhält es sich auch
im Streitfall. Die Anwendung der für Verbrauchsteuern sehr
kurz bemessenen Festsetzungsfrist von einem Jahr würde dazu
führen, dass die Rückforderung einer mit dem Gemeinsamen
Markt unvereinbaren Beihilfe - insbesondere in Fällen, in
denen die Bundesregierung die Einleitung des vorgesehenen
beihilferechtlichen Verfahrens nach Art. 88 Abs. 3 EG unterlassen
hat - wesentlich erschwert oder sogar unmöglich gemacht
würde. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts gebietet es
zumindest in diesen Fällen § 169 AO gemäß
§ 1 Abs. 1 Satz 2 AO unangewendet zu lassen.
5. Die Bemessung des
Rückforderungsbetrags unter Berücksichtigung einer
zulässigen De-minimis-Beihilfe sowie der Zinsen nach der
Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21.4.2004 zur
Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates
über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel
93 des EG-Vertrags (ABlEG Nr. L 140/1) sind nicht zu
beanstanden.
6. Der Senat kann offenlassen, ob bei
Vorliegen von besonderen Umständen, die eine unbillige
Härte i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO begründen,
eine AdV des Rückforderungsbescheids trotz der an sich
gebotenen unverzüglichen Umsetzung einer beihilferechtlichen
Kommissionsentscheidung in Betracht käme. Ohne dies näher
zu substantiieren, beruft sich der Antragsteller lediglich auf die
seiner Ansicht nach immens hohe Rückforderung, die seine
Zahlungsfähigkeit bedrohe. Hinreichende Anhaltspunkte für
das Vorliegen einer unbilligen Härte vermag der Senat diesem
Vorbringen nicht zu entnehmen. Solche sind auch sonst nicht
ersichtlich.