Verbleibender Verlustvortrag, fehlende Feststellung: Hat das FA den verbleibenden Verlustvortrag nur für bestimmte Einkunftsarten gesondert festgestellt, ist eine fehlende Feststellung für eine weitere Einkunftsart nicht in einem Ergänzungsbescheid nachzuholen. - Urt.; BFH 17.12.2008, IX R 94/07; SIS 09 07 05
I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) stellte mit Bescheid vom 11.12.2003 den zum
31.12.2002 verbleibenden Verlustvortrag des Klägers und
Revisionsklägers (Kläger) zur Einkommensteuer für
die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und für die
Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften
gesondert fest. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Im September 2004 erklärte der
Kläger einen Veräußerungsverlust nach § 17 des
Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr (2002)
geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 4.642.400 EUR. Mit
Schreiben vom 8.10.2004 beantragte er, den Verlust unter Beachtung
des Halbeinkünfteverfahrens gesondert festzustellen. Das FA
lehnte den Antrag ab. Im hiergegen gerichteten Einspruchsverfahren
beantragte der Kläger den Erlass eines
Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 der Abgabenordnung
(AO). Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück;
den Antrag auf Erlass eines Ergänzungsbescheids lehnte es
ab.
Einspruch und Klage gegen die Ablehnung des
Erlasses eines Ergänzungsbescheids hatten keinen Erfolg; das
Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2008, 358 = SIS 08 09 48
veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung des § 179 Abs. 3 AO. Das FA habe
nicht festgestellt, dass Verluste aus weiteren Einkunftsarten nicht
vorlägen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die
Einspruchsentscheidung und den Ablehnungsbescheid aufzuheben und
das FA zu verpflichten, den Veräußerungsverlust nach
§ 17 EStG in Höhe von 4.642.400 EUR unter Beachtung des
Halbeinkünfteverfahrens durch Ergänzungsbescheid nach
§ 179 Abs. 3 AO gesondert festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen.
Nach zutreffender Entscheidung des FG war das
FA nicht verpflichtet, einen verbleibenden Verlustvortrag des
Klägers für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb durch
Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 AO) gesondert
festzustellen.
1. Gemäß § 179 Abs. 3 AO ist
eine notwendige Feststellung in einem Ergänzungsbescheid
nachzuholen, soweit diese Feststellung in einem
Feststellungsbescheid unterblieben ist.
Eine notwendige Feststellung ist unterblieben,
wenn sie hätte getroffen werden müssen, aber nicht
getroffen worden ist. Hat das FA dagegen bereits eine - wenn auch
negative - Entscheidung über die betreffende Feststellung
getroffen, so liegt insoweit kein unvollständiger Bescheid vor
(vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22.9.1977 IV R
120/73, BFHE 123, 467, BStBl II 1978, 152 = SIS 78 00 87).
Ergänzungsbescheide dürfen einen lückenhaften
Feststellungsbescheid vervollständigen, nicht aber einen
unrichtigen Feststellungsbescheid korrigieren oder in ihm
getroffene Feststellungen ändern; denn in einem solchen Fall
ist die ursprüngliche Feststellung nicht lückenhaft,
sondern inhaltlich falsch (BFH-Urteil vom 15.1.2002 IX R 21/98,
BFHE 197, 503, BStBl II 2002, 309 = SIS 02 07 06, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen ist ein
Ergänzungsbescheid im Streitfall nicht zu erlassen. Der
Feststellungsbescheid über den zum 31.12.2002 verbleibenden
Verlustvortrag ist hinsichtlich der fehlenden Einkünfte aus
Gewerbebetrieb nicht unvollständig, sondern unrichtig. Denn
das FA hat durch das Unterlassen dieser Feststellung die
unzutreffende Entscheidung getroffen, dass für diese
Einkunftsart kein Verlustvortrag verblieben ist.
Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG
ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende
Verlustvortrag getrennt nach Einkunftsarten gesondert
festzustellen. Nach § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG hat die
Finanzbehörde für die Berechnung des verbleibenden
Verlustvortrags u.a. die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der
Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte und
damit sämtliche Einkünfte des nämlichen
Veranlagungszeitraums zu ermitteln. Die fehlende Feststellung
für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb kann daher aus der
Sicht des Klägers (zur Auslegung von Feststellungsbescheiden
BFH-Urteil vom 11.5.1999 IX R 72/96, BFH/NV 1999, 1446 = SIS 99 53 02, m.w.N.) nur dahin verstanden werden, dass nach der Auffassung
des FA eine solche Feststellung nicht notwendig war. Hinzu kommt,
dass im Feststellungsbescheid über den zum 31.12.2002
verbleibenden Verlustvortrag die nicht ausgeglichenen negativen
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus privaten
Veräußerungsgeschäften jeweils mit dem Zusatz
„lt. Einkommensteuerbescheid 2002“
erläutert sind. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind im
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr aber mit 0 EUR
angesetzt.