Überlange Zigaretten, Tabaksteuer: Für die Bestimmung des stückbezogenen Steueranteils einer überlangen Zigarette gemäß § 4 Abs. 2 TabStG ist ausschließlich die Länge des jeweiligen Tabakstrangs maßgebend. Die Vorstellungen oder Empfehlungen des Herstellers hinsichtlich der vom Verbraucher vorzunehmenden Zerteilung des Tabakstrangs in einzelne rauchbare Abschnitte sind unbeachtlich. - Urt.; BFH 20.6.2008, VII B 251/07; SIS 08 29 17
I. Die Klägerin und Beschwerdegegnerin
(Klägerin) stellt unter der Bezeichnung
„...Zigaretten“ Tabakwaren her. Hierbei handelt es sich
um mit einem porösen Zellulosestreifen umhüllte
Tabakstränge mit einer Länge von ca. 177 mm, die in
handelsübliche Zigarettenpapierhülsen geschoben werden.
Die Tabakwaren vertreibt die Klägerin in
Kleinverkaufspackungen mit jeweils zehn Tabaksträngen zu einem
Preis von ... EUR. Auf der Innenseite der Packungen weist die
Klägerin durch schematische Darstellungen darauf hin, wie die
Tabakstränge in drei gleiche Teile geschnitten und danach in
von ihr ebenfalls vertriebene Filterhülsen geschoben werden
können. Auf diese Weise können aus den zehn
überlangen Tabaksträngen insgesamt 30 rauchfähige
Zigaretten hergestellt werden.
Mit Steueranmeldung vom September 2006
bestellte die Klägerin beim Beklagten und
Beschwerdeführer (Hauptzollamt - HZA - ) 200 Bogen
Steuerzeichen für 20 Zigaretten je Kleinverkaufspackung. Mit
Bescheid vom September 2006 lehnte das HZA die Auslieferung der
bestellten Steuerzeichen mit dem Hinweis ab, dass die Klägerin
auf der Innenseite der Kleinverkaufspackungen eine Mengenangabe
gemacht habe, die von den Angaben auf den Steuerzeichen
abweiche.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene
Verpflichtungsklage, mit der die Klägerin die Verpflichtung
des HZA zur Festsetzung der nach ihrer Auffassung zutreffenden
Steuerzeichenschuld begehrte, hatte Erfolg (vgl. SIS 08 16 27). Das
Finanzgericht (FG) urteilte, nach § 4 Abs. 2 des
Tabaksteuergesetzes (TabStG) werde für Zigaretten der
stückbezogene Steueranteil je begonnene 9 cm Länge des
Tabakstrangs erhoben. Da die Länge der von der Klägerin
vertriebenen Tabakstränge ca. 177 mm betrage, seien nur 20
Zigaretten je Packung mit zehn Tabaksträngen zu versteuern.
Dieses Ergebnis stimme mit dem Gemeinschaftsrecht überein.
Sowohl das Gemeinschaftsrecht als auch das TabStG stellten nicht
auf die Einschätzung des Verbrauchers oder auf die Werbung des
Herstellers, sondern allein auf die objektiv feststellbare
Länge des Tabakstrangs ab. Allein entscheidend sei, dass im
Zeitpunkt der Entstehung der Tabaksteuer mit der Entfernung der
Tabakwaren aus dem Herstellungsbetrieb ein Tabakstrang vorliege,
der eine Länge von mehr als 9 cm, aber nicht mehr als 18 cm
aufweise.
Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die
Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§
115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und zur
Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zu
klären seien der Begriff der Zigarette in § 4 Abs. 2
TabStG und die Frage nach der Maßgeblichkeit der
rauchfertigen Zigarette für die Bestimmung des
stückbezogenen Anteils bei der Herstellung von überlangen
Tabaksträngen. Der in § 4 Abs. 2 TabStG verwendete
Begriff der Zigarette sei mit dem Zigarettenbegriff des § 2
Abs. 2 Nr. 2 TabStG nicht identisch. Nur wenn der Tabakstrang im
Ganzen geraucht werden solle, greife die Fiktion des Art. 4 Abs. 2
der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27.11.1995 über die
anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer - RL
95/59/EG - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L
291/40) und des § 4 Abs. 2 TabStG. In allen anderen
Fällen habe die Bemessung des spezifischen Steueranteils
aufgrund der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG zu
erfolgen. Deshalb erlange die Aufmachung und die Werbung für
derartige Produkte eine entscheidende Bedeutung für die
Besteuerung.
Die Klägerin ist der Beschwerde unter
Hinweis auf ihre Ausführungen im erstinstanzlichen Verfahren
entgegengetreten. Ergänzend weist sie darauf hin, dass
überlange Tabakstränge bereits zum Jahresende 1993 auf
dem deutschen Markt angeboten worden seien, so dass unterstellt
werden könne, dass der Gesetzgeber diese Produkte gekannt
habe.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der
Senat lässt es dahingestellt sein, ob die Ausführungen
des HZA den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3
Satz 3 FGO genügen; jedenfalls kommt der aufgeworfenen
Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu.
1. Einer Rechtsfrage kommt nur dann
grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie
klärungsbedürftig ist (vgl. Entscheidungen des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16.7.1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401,
BStBl II 1999, 760 = SIS 99 20 12, und vom 21.4.1999 I B 99/98,
BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254 = SIS 99 14 35, m.w.N.). Das ist
sie, wenn ihre Beantwortung zu Zweifeln Anlass gibt, so dass
mehrere Lösungen vertretbar sind (vgl. Beermann in Beermann/
Gosch, FGO § 115 Rz 102 ff., und Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28). An der zu
fordernden Klärungsbedürftigkeit fehlt es jedoch, wenn
sich die Beantwortung der Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren
Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage
offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner
Entscheidung getan hat; wenn die Rechtslage also eindeutig ist
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom
18.12.1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231 = SIS 99 06 54, und vom 31.5.2000 X B 111/99, BFH/NV 2000, 1461 = SIS 00 61 16).
2. Nach § 1 Satz 1 TabStG unterliegen
Zigaretten im Steuergebiet der Tabaksteuer. Unter den
Zigarettenbegriff fallen nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG auch
Tabakstränge, die durch einen einfachen nichtindustriellen
Vorgang in eine Zigarettenpapierhülse geschoben werden. Der
Steuertarif setzt sich gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1
TabStG aus einem stückbezogenen (spezifischen) und einem
wertbezogenen Anteil zusammen. Hinsichtlich des spezifischen
Anteils bestimmt § 4 Abs. 2 TabStG, dass für Zigaretten
der stückbezogene Steueranteil je begonnene 9 cm Länge
des Tabakstrangs erhoben wird.
a) Entgegen der Auffassung des HZA lassen sich
weder aus dem Wortlaut der gesetzlichen Bestimmungen noch aus dem
Sinn und Zweck der Besteuerung von sog. Steckzigaretten
Anhaltspunkte dafür gewinnen, dass der Gesetzgeber dem in
§ 2 Abs. 2 und dem in § 4 Abs. 2 TabStG verwendeten
Begriff der Zigarette eine unterschiedliche Bedeutung beigemessen
hat. In § 2 TabStG werden Tabakstränge mit
unterschiedlichen Eigenschaften als Zigaretten und damit als
Steuergegenstand i.S. von § 1 Satz 1 TabStG angesprochen.
Dabei ist es ohne Belang, ob diese Tabakstränge ein
Filterstück aufweisen. Der Unterschied zwischen den in §
2 Abs. 2 Nr. 1 TabStG und den in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TabStG
genannten Tabaksträngen besteht lediglich darin, dass sich die
erstgenannten Tabakstränge unmittelbar zum Rauchen eignen,
während die letztgenannten Stränge noch in eine
Zigarettenpapierhülse geschoben werden müssen, bevor sie
geraucht werden.
Die in § 4 TabStG getroffenen Regelungen
über den Steuertarif setzen die zuvor festgelegten
Begriffsbestimmungen der Steuergegenstände (Zigaretten,
Zigarren und Zigarillos, Feinschnitt und Pfeifentabak) voraus. Zur
Bestimmung des stückbezogenen Steueranteils bei der
Besteuerung eines Tabakprodukts als Zigarette werden in § 4
Abs. 2 TabStG alle Tabakstränge - unabhängig davon, ob
sie sich zum unmittelbaren Rauchen eignen oder ob sie noch einer
Umhüllung bedürfen - einer einheitlichen Regelung
unterworfen. Entscheidend dafür, dass der jeweilige
Tabakstrang tabaksteuerrechtlich nur als eine Zigarette
betrachtet wird, ist der Umstand, dass eine Länge von 9 cm
nicht überschritten wird. Bei längeren Strängen wird
der stückbezogene Steueranteil je begonnene 9 cm Länge
des Tabakstrangs erhoben. Sinn und Zweck dieser Regelung ist die
Verhinderung von Steuerumgehungen durch die Herstellung von
überlangen Tabaksträngen. Dabei kann es keinen
Unterschied machen, ob der Tabakstrang vom Hersteller dazu bestimmt
ist, in seiner ganzen Länge geraucht zu werden, oder ob es dem
Verbraucher überlassen bleibt, den Strang in mehrere für
ihn rauchbare Abschnitte zu zerteilen. Entscheidend ist, dass im
Zeitpunkt der Entstehung der Tabaksteuer mit der Entfernung aus dem
Herstellungsbetrieb ein Tabakstrang vorliegt, der eine Länge
von mehr als 9 cm aufweist, so dass er hinsichtlich der Bestimmung
des zutreffenden Steuersatzes nicht mehr als nur eine Zigarette
angesehen werden kann.
An diesem Ergebnis ändert sich selbst
dann nichts, wenn der Hersteller dem Verbraucher Anweisungen gibt,
die die Zerteilung des Tabakstrangs in eine bestimmte Anzahl von
Teilstücken nahelegen. Auch in diesem Fall bleibt es bei den
Vorgaben des § 2 Abs. 2 TabStG, dass nämlich der
spezifische Steueranteil für Zigaretten je begonnene 9 cm
Länge des Tabakstrangs erhoben wird.
b) Auch den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben
lässt sich nicht entnehmen, dass hinsichtlich der Bestimmung
des spezifischen Anteils auf die Anweisungen oder Empfehlungen des
Herstellers abzustellen wäre. Das Ziel des
Gemeinschaftsgesetzgebers bestand darin, die in der Gemeinschaft
gängige Zigarette einer möglichst einheitlichen
Besteuerung zu unterwerfen. Dabei ging er erkennbar davon aus, dass
die Länge einer für gewöhnlich auf dem
Gemeinschaftsmarkt angebotenen Zigarette etwa 9 cm nicht
überschreitet. Ein solches Produkt sollte der
gemeinschaftsweiten Besteuerung als Zigarette unterworfen
werden.
Für den Fall, dass Hersteller Zigaretten
in erheblicher Überlänge auf den Markt bringen
würden, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber durch Aufnahme einer
Fiktion in die RL 95/59/EG dahingehend Vorsorge getroffen, dass
beim Überschreiten bestimmter Längen von zwei oder mehr
Zigaretten auszugehen ist. Nach Art. 4 Abs. 2 RL 95/59/EG gilt ein
Tabakstrang, der in Art. 4 Abs. 1 RL 95/59/EG als Zigarette
angesprochen wird, im Hinblick auf die Anwendung der
Verbrauchsteuer als zwei Zigaretten, wenn er, Filter und
Mundstück nicht einbegriffen, eine Länge von mehr als 9
cm, aber nicht mehr als 18 cm hat; als drei Zigaretten, wenn er,
Filter und Mundstück nicht einbegriffen, eine Länge von
mehr als 18 cm, aber nicht mehr als 27 cm hat. Entscheidend ist
danach das objektive Kriterium der Länge des Tabakstrangs und
nicht die Vorstellung des Herstellers über die mögliche
Aufteilung des Strangs. Die Fiktion der der Bestimmung des
stückbezogenen Anteils zugrunde zu legenden Anzahl der
Zigaretten wird unabhängig von subjektiven
Tatbestandselementen ausgelöst. Weist ein Tabakstrang z.B.
eine Länge von 24 cm auf, so gilt er nach den
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben als drei Zigaretten, auch wenn
der Hersteller eine Aufteilung in vier Zigaretten zu je 6 cm
empfehlen oder vorschreiben würde. Da bei einer Länge von
27 cm davon auszugehen ist, dass sich dieses Produkt nicht ohne
weiteres in seiner ganzen Länge rauchen lässt, liegt es
auf der Hand, dass dem Gemeinschaftsgesetzgeber das Erfordernis
einer Zerteilung des Tabakstrangs durch den Verbraucher durchaus
bewusst war. Dennoch hat er davon abgesehen, den spezifischen
Anteil danach zu bestimmen, wie der Hersteller das Produkt
bewirbt.
In Anbetracht dieses Befundes ist die Frage
nach der Auslegung des in § 2 Abs. 2 und § 4 Abs. 2
TabStG verwendeten Zigarettenbegriffs so zu beantworten, wie es das
FG getan hat. Die Beschwerde ist daher als unbegründet
zurückzuweisen.
3. Der Senat hält die von ihm
vorgenommene Auslegung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts
aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH) für eindeutig. Ein Anlass zur Einholung
einer Vorabentscheidung des EuGH besteht demnach nicht (vgl.
EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs. 283/81 - C.I.L.F.I.T. -, EuGHE 1982,
3415 Rz 16).