Gerichtsbescheid, Beginn der Revisionsbegründungsfrist, Büroversehen, Wiedereinsetzung: 1. Die Frist zur Begründung der Revision wird, wenn das FG in einem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen hat, durch die Zustellung des Gerichtsbescheids ausgelöst. - 2. Der Hinweis auf ein nicht näher erläutertes "Büroversehen" rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. - Urt.; BFH 27.5.2008, I R 11/08; SIS 08 29 11
I. Die Beteiligten streiten über die
Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheids. Das
Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat die Klage gegen
diesen Bescheid durch (in EFG 2008, 592 = SIS 08 13 39
abgedruckten) Gerichtsbescheid vom 4.12.2007 12 K 19/04 abgewiesen
und die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Der
Gerichtsbescheid wurde der Prozessbevollmächtigten des
Klägers und Revisionsklägers (Kläger) am 17.12.2007
zugestellt.
Der Kläger hat, vertreten durch seine
Prozessbevollmächtigte, mit einem am 17.1.2008 beim
Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt.
Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 26.2.2008 wurde die
Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass eine
Begründung der Revision noch nicht vorliege. Daraufhin hat die
Bevollmächtigte am 6.3.2008 sowohl die
Revisionsbegründung als auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand übermittelt. Zur Begründung des
Wiedereinsetzungsantrags hat sie vorgetragen, dass „durch ein
Büroversehen der 18.03.2008 als Fristablauf gewertet“
und dieses Versehen „erst durch Ihr Schreiben vom 26.02.2008
... erkannt“ worden sei. Schließlich hat sie eine
weitere Frist zur ergänzenden Begründung der Revision
beantragt; diese zusätzliche Frist hat ihr der Vorsitzende
„unbeschadet der Rechtsauffassung des I. Senats zur
Zulässigkeit der Revision“ gewährt.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Entscheidung des FG aufzuheben und den
angefochtenen Bescheid nach Maßgabe der
Revisionsbegründung zu ändern.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) beantragt, die Revision als unzulässig zu
verwerfen.
II. Die Revision ist unzulässig. Sie ist
nicht fristgerecht begründet worden, was nicht durch eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden kann.
1. Ein von einem FG erlassener
Gerichtsbescheid kann gemäß § 90a Abs. 2 Satz 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Revision angefochten werden,
wenn das FG die Revision zugelassen hat. Gemäß §
120 Abs. 2 Satz 1 FGO muss eine Revision innerhalb von zwei Monaten
nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet
werden. In diesem Zusammenhang ist, wenn das FG durch
Gerichtsbescheid entschieden und in dem Gerichtsbescheid die
Revision zugelassen hat, die Zustellung des vollständigen
Gerichtsbescheids als „Zustellung des vollständigen
Urteils“ i.S. des § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO anzusehen
(ebenso Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 120 Rz 42; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz 127,
m.w.N.).
Im Streitfall ist der angefochtene
Gerichtsbescheid dem Kläger am 17.12.2007 zugestellt worden.
Die ihn betreffende Revisionsbegründung hätte deshalb, da
der 17.2.2008 ein Sonntag war, bis zum Ablauf des 18.2.2008 beim
BFH eingehen müssen. Das ist nicht geschehen. Die damit
vorliegende Versäumung der Begründungsfrist führt
zur Unzulässigkeit der Revision.
2. Eine abweichende Beurteilung würde
sich nur dann ergeben, wenn dem Kläger eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gewährt werden
könnte. Das würde aber voraussetzen, dass der Kläger
ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist
zu wahren. Daran fehlt es im Streitfall.
a) Nach ständiger Rechtsprechung
schließt zum einen jedes Verschulden eine Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand aus (BFH-Beschlüsse vom 11.10.1991 VII R
32/90, BFH/NV 1994, 553; vom 25.4.2005 VIII B 42/02, BFH/NV 2005,
1821 = SIS 05 40 72; vom 18.1.2007 III R 65/05, BFH/NV 2007, 945 =
SIS 07 62 10). Zum anderen muss sich der Antragsteller
gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung das Verschulden eines Bevollmächtigten
zurechnen lassen (BFH-Beschlüsse vom 24.1.2005 III R 43/03,
BFH/NV 2005, 1312 = SIS 05 32 19; vom 30.8.2005 III R 15/05, BFH/NV
2006, 89 = SIS 06 02 91). Für den Streitfall folgt daraus,
dass schon eine einfache Fahrlässigkeit der
Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand ausschließt.
b) Vom Vorliegen einer solchen
Fahrlässigkeit ist im Streitfall auszugehen. Denn der
Kläger hat die Versäumung der Begründungsfrist nur
mit einem nicht näher beschriebenen
„Büroversehen“ seiner
Prozessbevollmächtigten erklärt. Welche
tatsächlichen Umstände zu der Fristversäumung
geführt haben, hat er nicht erläutert. Insbesondere hat
er nicht dargetan, welche organisatorischen Maßnahmen seine
Prozessbevollmächtigte im Hinblick auf die Fristwahrung
getroffen hatte und weshalb diese Maßnahmen speziell im
Streitfall nicht gegriffen haben. Das wäre indessen seine
Aufgabe gewesen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.12.2006 VII R
63/02, BFH/NV 2007, 1212 = SIS 07 16 45; vom 28.6.2007 IX B 39/07,
BFH/NV 2007, 2124 = SIS 07 35 66; Stapperfend in Gräber,
a.a.O., § 56 Rz 38, m.w.N.). Ohne entsprechende Angaben kann
eine Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn die
Gründe für die Fristversäumnis offenkundig oder
gerichtsbekannt sind und diese Gründe die Versäumung der
Frist als unverschuldet erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom
23.8.1996 VIII B 26/95, BFH/NV 1997, 240; vom 13.7.1999 VII B
64/99, BFH/NV 1999, 1633, 1634 = SIS 99 53 84, m.w.N.); daran fehlt
es im Streitfall ebenfalls. Im Ergebnis muss daher davon
ausgegangen werden, dass die Versäumung der Frist auf einem
dem Kläger zuzurechnenden Verschulden beruht.
3. Ohne Bedeutung ist im Streitfall
schließlich, dass der Senatsvorsitzende dem Kläger im
weiteren Verlauf eine zusätzliche Frist zur Ergänzung der
Revisionsbegründung eingeräumt hat. Denn die Frist zur
Revisionsbegründung kann zwar auf Antrag von dem Vorsitzenden
verlängert werden, dies aber nur auf einen vor ihrem Ablauf
gestellten Antrag hin (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Eine
Fristverlängerung kann deshalb nicht mehr wirksam erfolgen,
wenn - wie im Streitfall - der Antrag erst nach Ablauf der
Revisionsbegründungsfrist eingegangen und eine
Wiedereinsetzung in jene Frist nicht möglich ist
(BFH-Beschluss vom 1.12.1994 IV R 68/94, BFH/NV 1995, 627). Dem
entsprechend hat der Vorsitzende die Fristverlängerung denn
auch ausdrücklich „unbeschadet der Rechtsauffassung
des Senats zur Zulässigkeit der Revision“
gewährt.