Beamter, Unfallruhegehalt, Steuerpflicht: Das erhöhte Unfallruhegehalt nach § 37 BeamtVG wird "auf Grund der Dienstzeit" i.S. von § 3 Nr. 6 EStG gewährt und ist somit nicht nach dieser Vorschrift steuerbefreit. - Urt.; BFH 29.5.2008, VI R 25/07; SIS 08 28 63
I. Der im Jahre 1937 geborene Kläger
und Revisionskläger (Kläger) wurde am 22.1.1962 als
Polizeianwärter in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf
berufen. Ab dem 1.2.1963 führte er die Dienstbezeichnung
Polizeiwachtmeister. Mit Urkunde vom 9.7.1963 wurde ihm die
Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Am 5.1.1965 wurde er
zum Polizei-Oberwachtmeister und mit Ernennungsurkunde zum
25.2.1966 zum Polizeihauptwachtmeister ernannt. Infolge eines am
8.5.1966 erlittenen Dienstunfalls wurde er für dauernd
dienstunfähig i.S. des § 210 des Landesbeamtengesetzes
Rheinland-Pfalz (LBG) erklärt und zum 31.7.1969 in den
Ruhestand versetzt. Mit Urkunde vom 7.9.1967 war er zum
Polizeimeister (Besoldungsgruppe A 7) befördert worden und mit
weiterer Urkunde vom 2.10.1967 in das Beamtenverhältnis auf
Lebenszeit berufen worden.
Mit Bescheid vom 14.11.1968 wurde die
Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge des
Dienstunfalls festgesetzt und dem Kläger ein Unfallausgleich
nach § 148 LBG gewährt.
Am 5.9.1969 erließ die
Oberfinanzdirektion (OFD) in Ergänzung bzw. Berichtigung einer
Festsetzung der Bezirksregierung einen Bescheid über die
Festsetzung der Versorgungsbezüge. Darin heißt es:
„1. Das Unfallruhegehalt bemisst sich gem. § 151 LBG mit
75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der
Besoldungsgruppe A 7 Stufe 13. Nachdem Ihre Beförderung zum
Polizeimeister im Hinblick auf den Dienstunfall ausnahmsweise schon
zum 1.9.1967 ausgesprochen wurde und Sie damit nach dem
Dienstunfall das Amt erreichten, welches bei Anwendung der
Vorschriften über die erhöhte und besondere
Unfallfürsorge zugrunde zu legen wäre, wenn Sie
unmittelbar nach dem Dienstunfall in den Ruhestand hätten
treten müssen, ist bei Anwendung der Vorschrift des § 151
LBG von dem Amt auszugehen, das Sie im Zeitpunkt des Unfalls
erreicht hatten …“.
Am 2.10.1972 erließ die OFD einen
weiteren Bescheid über die Festsetzung der
Versorgungsbezüge des Klägers. Danach errechnete sich
aufgrund von im Jahr 1972 in Kraft getretenen Änderungen des
Bundesbeamtengesetzes die erhöhte Unfallfürsorge für
Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes seither mindestens
nach der Besoldungsgruppe A 9. Seit Inkrafttreten des
Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) zum 1.1.1977 bezieht der
Kläger die Versorgungsbezüge als erhöhtes
Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG. Daneben
erhält er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung
wegen Erwerbsunfähigkeit.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) berücksichtigte im Streitjahr 2001 das
erhöhte Unfallruhegehalt als Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit; den Unfallausgleich beließ er
steuerfrei. Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid
Einspruch ein und machte geltend: Er sei aufgrund eines
Dienstunfalls für polizeiuntauglich befunden und in den
Ruhestand versetzt worden. Die ihm versorgungshalber gezahlten
Bezüge von 80 % der Dienstbezüge nach A 9 würden ihm
nicht aufgrund der Dienstzeit gewährt, sondern aufgrund seines
Dienstunfalls. Demgemäß finde auf die
Versorgungsbezüge § 3 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) mit der Folge Anwendung, dass die Versorgungsbezüge
steuerfrei seien. Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2007, 992 = SIS 07 14 46 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
Er beantragt sinngemäß, unter
Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 2001 in
der Weise zu ändern, dass das erhöhte Unfallruhegehalt
als steuerfrei behandelt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden,
dass das erhöhte Unfallruhegehalt gemäß § 37
BeamtVG steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 2
Satz 2 Nr. 1a EStG ist, der nicht der Steuerbefreiung nach § 3
Nr. 6 EStG unterliegt.
1. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht
kein Streit darüber, dass das erhöhte Unfallruhegehalt
die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19
Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG erfüllt.
2. Das erhöhte Unfallruhegehalt ist auch
steuerpflichtig. § 3 Nr. 6 EStG kommt nicht in Betracht.
Nach dieser Vorschrift sind Bezüge, die
auf Grund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln
versorgungshalber an Wehrdienstbeschädigte und
Zivildienstbeschädigte oder ihre Hinterbliebenen,
Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und ihnen
gleichgestellte Personen gezahlt werden, steuerfrei, soweit es sich
nicht um Bezüge handelt, die auf Grund der Dienstzeit
gewährt werden. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
nicht vor.
a) Entgegen der vom FG und den Beteiligten
vertretenen Auffassung gehört der Kläger bereits nicht zu
dem in § 3 Nr. 6 EStG genannten Personenkreis.
Die Vorschrift begünstigt, wie
dargestellt, Bezüge, die versorgungshalber u.a. an
Wehrdienstbeschädigte, Zivildienstbeschädigte,
Kriegsbeschädigte und ihnen gleichgestellte Personen gezahlt
werden. Derartige Bezüge regeln für
Wehrdienstbeschädigte das Soldatenversorgungsgesetz - SVG -
(§§ 80 ff. SVG), für Zivildienstbeschädigte das
Zivildienstgesetz - ZDG - (§§ 47 ff. ZDG) und für
Kriegsbeschädigte das Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Voraussetzung des Versorgungsanspruchs und damit der
Steuerbefreiung ist in diesen Fällen die Verrichtung eines
militärischen oder - wegen der Gleichstellung von
Ersatzdienstpflicht und Wehrpflicht - eines diesen ersetzenden
Dienstes. Diesem Kreis gleichgestellt sind Personen, die in
sonstiger Weise durch Krieg oder kriegsähnliche Umstände
zu Schaden gekommen sind. Dazu zählt vor allem der in §
82 BVG genannte Personenkreis (vgl. v. Beckerath, in:
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 6 Rz B 6/39;
Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 6 EStG Rz 3; zur
Gleichstellung eines Angehörigen des Bundesgrenzschutzes mit
einem Soldaten vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
15.5.1992 VI R 19/90, BFHE 168, 258, BStBl II 1992, 1035 = SIS 92 20 31). Nicht gleichgestellt sind dagegen Personen, die im zivilen
Bereich zu Schaden gekommen sind. Für Beamte, die, wie der
Kläger, als Polizist einen gefährlichen Dienst
ausüben, ist die Unfallfürsorge ausdrücklich in
§ 37 BeamtVG geregelt (vgl. dazu Plog/
Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz,
§ 37 BeamtVG, Rz 2a).
b) Im Übrigen werden, wie das FG zu Recht
ausgeführt hat, die streitigen Bezüge gemäß
§ 37 BeamtVG „auf Grund der Dienstzeit“
i.S. des § 3 Nr. 6 EStG gewährt.
Zwar ist der Wortlaut des § 3 Nr. 6 EStG
hinsichtlich des Merkmals „auf Grund der Dienstzeit
gewährt“ missverständlich und
auslegungsbedürftig (vgl. BFH-Urteil vom 16.1.1998 VI R 5/96,
BFHE 185, 257, BStBl II 1998, 303 = SIS 98 07 67). Nach der
Rechtsprechung des Senats ist jedoch für die Entscheidung der
Frage, ob die Bezüge auf Grund der Dienstzeit gewährt
werden, maßgeblich, wie diese berechnet werden. Sie werden
danach auf Grund der Dienstzeit gewährt, wenn sich die
Dienstzeit bei der Errechnung der Bezüge ausgewirkt hat, die
Zahlungen also an die ruhegehaltsfähigen Bezüge
anknüpfen. Dies hat der Senat für das Unfallruhegehalt
(§ 140 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes - BBG - ; § 36
BeamtVG) bejaht, und zwar unabhängig davon, dass das
Unfallruhegehalt ggf. auch unter Berücksichtigung einer
höheren als der tatsächlich abgeleisteten Dienstzeit,
also einer fiktiven Dienstzeit, berechnet werden kann (vgl.
BFH-Urteile vom 8.3.1957 VI 28/55 U, BFHE 64, 467, BStBl III 1957,
174 = SIS 57 01 14; vom 3.3.1961 VI 23/60, HFR 1961, 98; in BFHE
185, 257, BStBl II 1998, 303 = SIS 98 07 67; vgl. dazu v.
Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., Rz B
6/53).
Der Senat hält an dieser Rechtsprechung
fest. Entscheidend ist, dass das Unfallruhegehalt ebenso wie das
Ruhegehalt die Versorgung des Beamten nach Eintritt in den
Ruhestand bezweckt. § 36 BeamtVG regelt nämlich das
Ruhegehalt des Beamten, der infolge eines Dienstunfalls
dienstunfähig geworden und deshalb in den Ruhestand versetzt
worden ist. Beim Unfallruhegehalt handelt es sich lediglich um ein
nach Anlass und Höhe gegenüber §§ 4 ff. BeamtVG
modifiziertes bzw. qualifiziertes Ruhegehalt (vgl.
Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rz 1a, 8 ff.). Die
steuerliche Behandlung folgt der sozialrechtlichen Bedeutung der
Leistungen nach § 36 BeamtVG als Ruhegehaltsbezüge. Wie
das normale Ruhegehalt ist auch das modifizierte Ruhegehalt eine
steuerbare Leistung i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG.
§ 3 Nr. 6 EStG kommt nicht zur Anwendung. Die Vorschrift
bezweckt lediglich die Steuerfreistellung geringfügiger, dem
Unfallausgleich dienender Leistungen (Beater, FR 1990, 503; v.
Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., Rz B
6/23).
In entsprechender Weise ist auch für das
erhöhte Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG
anzunehmen, dass es i.S. des § 3 Nr. 6 EStG „auf
Grund der Dienstzeit“ gewährt wird. Denn das
erhöhte Unfallruhegehalt ist ein qualifiziertes
Unfallruhegehalt; § 37 BeamtVG ist lex specialis zu § 36
BeamtVG (Plog/Wiedow/ Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rz 1, 11a; zur
Bedeutung der Vorschrift vgl. auch Rz 1a ff.). Zwar weist die
Höhe des erhöhten Unfallruhegehalts auch Elemente einer
sozialen Entschädigung auf (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 185,
257, BStBl II 1998, 303 = SIS 98 07 67). Denn der hohe Regelsatz,
die abweichende Besoldungsgruppe und die Zugrundelegung der
Endstufe der anzusetzenden Besoldungsgruppe können dazu
führen, dass das Ruhegehalt deutlich über den zuletzt
bezogenen Dienstbezügen liegt (Plog/
Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rz 1e, 11c). Daraus kann der
Kläger jedoch nicht ableiten, dass für den Teil seiner
Bezüge, der das übliche Ruhegehalt übersteigt, die
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 EStG in Betracht kommt.
Vielmehr stellen die unfallbedingt gewährten
Erhöhungsbeträge die rechtliche Qualifikation der
Leistung als einheitliches Ruhegehalt nicht in Frage.