Schälen von Spargel, LSt-Pauschalierung: Das Schälen von Spargel durch Aushilfskräfte eines landwirtschaftlichen Betriebs zählt nicht zu den typisch land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten i.S. des § 40 a Abs. 3 Satz 1 EStG. - Urt.; BFH 8.5.2008, VI R 76/04; SIS 08 27 70
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Inhaber eines landwirtschaftlichen
Betriebs.
In den Monaten April bis Juni der
Streitjahre (1998 und 1999) beschäftigte der Kläger
vorübergehend drei Aushilfskräfte für das
Schälen von Spargel, den der Kläger in seinem Betrieb
erntete und an Gastwirtschaften und andere Privatpersonen ab Hof
und auf Wochenmärkten veräußerte. Den
Aushilfskräften wurde ein Nettolohn in Höhe von 15 DM pro
Stunde gezahlt. Die Arbeiten wurden ohne Einsatz von
Schälmaschinen vorgenommen.
Im Rahmen einer
Lohnsteuer-Außenprüfung stellte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) fest, dass der
Kläger die den mit Spargelschälen beschäftigten
Aushilfskräften gezahlten Löhne in Höhe von
insgesamt 4.695 DM (1998) und 5.760 DM (1999) nach § 40a Abs.
3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit einem Pauschsteuersatz von
5 % der Lohnsteuer unterworfen hatte. Das FA war der Auffassung,
dass es sich bei dem Schälen von Spargel nicht um eine typisch
land- und forstwirtschaftliche Arbeit handele, sondern um eine
Weiterverarbeitung des verkaufsfertigen Produkts
„Spargel“. Die im Jahr 1998 gezahlten Arbeitslöhne
versteuerte das FA gemäß § 40a Abs. 2 EStG mit
einem Steuersatz von 20 %. Im Übrigen erfolgte die
Nachversteuerung nach den Merkmalen der Steuerklasse VI (§ 39c
EStG i.V.m. § 39b EStG und Abschn. 122 der
Lohnsteuer-Richtlinien) unter Berücksichtigung eines
Nettosteuersatzes von 31,4 %.
Der Kläger erkannte die
Zahlungsverpflichtung für die Beträge, die sich aus der
Lohnsteuer-Außenprüfung ergaben und die er nach
Auffassung des FA als Steuerschuldner schuldete, mit Erklärung
vom 15.3.2000 an. Mit Bescheid vom 16.3.2000 hob das FA den
Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der dagegen erhobene Einspruch
hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2005, 283 = SIS 05 06 20 veröffentlichten
Gründen als unbegründet ab.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, das Urteil des
Niedersächsischen FG vom 2.9.2004 und die
Einspruchsentscheidung vom 25.2.2002 aufzuheben und die
Lohnsteuerfestsetzung vom 16.3.2000 für 1998 um 704,25 DM und
für 1999 um 1.693,69 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass das
Schälen von Spargel nicht zu den typisch land- und
forstwirtschaftlichen Arbeiten i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1
EStG zählt und deshalb im Streitfall keine pauschale Erhebung
der Lohnsteuer nach dieser Vorschrift zulässig ist.
1. Nach § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG in
seiner in den Streitjahren gültigen Fassung kann der
Arbeitgeber unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte
bei - i.S. der Sätze 2 und 3 der Vorschrift zu verstehenden -
Aushilfskräften, die in Betrieben der Land- und
Forstwirtschaft gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG
ausschließlich mit typisch land- oder forstwirtschaftlichen
Arbeiten beschäftigt werden, die Lohnsteuer mit einem
Pauschsteuersatz von 5 % des Arbeitslohns erheben.
a) Schon nach ihrem Wortlaut erfasst die
Vorschrift nur bestimmte Tätigkeiten von Aushilfskräften
in der Land- und Forstwirtschaft. Neben der Beschränkung auf
typische land- und forstwirtschaftliche Tätigkeiten deutet
auch die Verweisung auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft i.S.
des § 13 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 EStG darauf hin, dass
Aushilfstätigkeiten in einem land- und forstwirtschaftlichen
Betrieb - ungeachtet dessen Rechtsform (vgl. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5.9.1980 VI R 183/77, BFHE 131, 472,
BStBl II 1981, 76 = SIS 81 07 29, und vom 14.9.2005 VI R 89/98,
BFHE 210, 439, BStBl II 2006, 92 = SIS 05 45 99) - nur im Rahmen
der Urproduktion erfasst werden sollen. Die Be- und Verarbeitung
von im eigenen land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb
erzeugten Rohstoffen vollzieht sich - sofern nicht bereits
gewerblich betrieben - im Rahmen eines land- und
forstwirtschaftlichen Nebenbetriebs i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 1
EStG (vgl. BFH-Urteil vom 12.12.1996 IV R 78/95, BFHE 182, 155,
BStBl II 1997, 427 = SIS 97 11 40, unter 3. a). Bereits dies
spricht dafür, dass schon Tätigkeiten bei der
geringfügigen Weiterverarbeitung der eigenen land- und
forstwirtschaftlichen Urerzeugnisse (vgl. BFH-Urteil in BFHE 182,
155, BStBl II 1997, 427 = SIS 97 11 40, unter 4.) nicht mehr zu den
Aushilfsarbeiten i.S. des § 40a Abs. 3 Satz 1 EStG
zählen.
b) Nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats (BFH-Beschluss vom 17.2.1995 VI R 51/94, BFHE 177, 109,
BStBl II 1995, 392 = SIS 95 10 27) ist die mit dem niedrigen
Pauschsteuersatz verbundene Begünstigung der
Aushilfskräfte in der Land- und Forstwirtschaft unter
Berücksichtigung des aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes
folgenden Gleichbehandlungsgebots insoweit sachlich vertretbar, als
dadurch den besonderen Verhältnissen in der Land- und
Forstwirtschaft Rechnung getragen werden soll. Die Besonderheiten
in der Land- und Forstwirtschaft gegenüber anderen Betrieben
liegen typischerweise darin, dass für begrenzte Zeiträume
zur Durchführung bestimmter saisonaler Arbeiten ein
erhöhter Personalbedarf besteht. Die Literatur ist dem - wenn
auch teilweise mit kritischem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte
der Vorschrift - gefolgt (vgl. z.B. Eisgruber in Kirchhof, EStG, 8.
Aufl., § 40a Rz 10; Frotscher in Frotscher, EStG, 6. Aufl.,
Freiburg 1998 ff., § 40a Rz 44; Blümich/Heuermann, §
40a EStG Rz 60; Schönewald in Bordewin/ Brandt, § 40a
EStG Rz 61; Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG,
§ 40a Rz D 1; von Twickel, Der Betrieb, Beilage Nr. 6/2006, S.
66 ff. (66); Wagner in Herrmann/Heuer/ Raupach - HHR -, § 40a
EStG Rz 3). Darüber hinaus wird die steuerliche
Begünstigung damit begründet, dass ansonsten
einkommenslose bzw. weitgehend nicht einkommensteuerpflichtige
Arbeitskräfte überwiegend in der Land- und
Forstwirtschaft aushülfen (vgl. BFH-Urteil vom 25.5.1984 VI R
223/80, BFHE 141, 54, BStBl II 1984, 569 = SIS 84 14 30, unter 1.;
Schmidt/Drenseck, EStG, 27. Aufl., § 40a Rz 11; Eisgruber in
Kirchhof, a.a.O.; von Twickel, a.a.O.; Wagner in Heuermann/Wagner,
Handbuch des gesamten Lohnsteuerrechts, Teil H Rz 68). Soll die
Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40a Abs. 3 EStG
Besonderheiten der land- und forstwirtschaftlichen Produktion
Rechnung tragen, so sprechen neben dem ausdrücklich eng
gefassten Wortlaut auch Sinn und Zweck der Vorschrift dafür,
die mit ihr verbundene Privilegierung auf (ur-)produktionsbezogene
Tätigkeiten zu begrenzen (vgl. auch Trzaskalik, in:
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 40a Rz D 3).
c) Die Urproduktion betreffende
Tätigkeiten fallen grundsätzlich an im Rahmen einer
ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs (vgl. BFH-Urteil vom 12.6.1986 VI R
167/83, BFHE 146, 553, BStBl II 1986, 681 = SIS 86 16 34) sowie des
sich in einem solchen Betrieb vollziehenden Arbeitsprozesses bis
zur Fertigstellung land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse
(vgl. z.B. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer,
„Pauschalierung der Lohnsteuer“, Rz 228;
Leingärtner/Stalbold, Besteuerung der Landwirte, Kap. 46, Rz
33; von Twickel, a.a.O., S. 67). Dabei kann der land- und
forstwirtschaftliche Erzeugungsprozess zwar auch Arbeiten der
Marktaufbereitung umfassen, durch die die Marktgängigkeit
eines land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnisses erst hergestellt
oder verbessert wird (vgl. auch Leingärtner/Stalbold, a.a.O.).
Nicht mehr von der Privilegierung des § 40a Abs. 3 EStG
erfasst sind indes bei gleichheitsgerechter Auslegung der
Vorschrift nicht nur alle von der eigentlichen land- und
forstwirtschaftlichen Urproduktion gelösten Arbeiten, wie sie
etwa bei der (Direkt-)Vermarktung (vgl. z.B. Leingärtner/
Stalbold, a.a.O.) eines marktgängig aufbereiteten Erzeugnisses
oder bei Buchführung und Verwaltung eines land- und
forstwirtschaftlichen Betriebs (vgl. z.B. HHR/Wagner, § 40a
EStG Rz 49) anfallen. Nicht erfasst werden auch Tätigkeiten,
die ein aus land- und forstwirtschaftlicher Erzeugung
resultierendes (Ur-)Produkt in einer Weise verändern, dass ein
Produkt anderer Marktgängigkeit geschaffen wird (vgl. auch
Leingärtner/ Stalbold, a.a.O.; von Twickel, a.a.O., S. 67).
Die gegenüber einem erstmals marktgängig aufbereiteten
land- und forstwirtschaftlichen Urprodukt veränderte
Marktgängigkeit bildet nämlich einen objektiven
Maßstab zur Beantwortung der Frage, ob die Grenze der
Urproduktion hin zu einer weiteren Verarbeitung und Veredelung des
Urprodukts überschritten ist. Wann eine veränderte
Marktgängigkeit vorliegt, ist unter Berücksichtigung
aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 146, 553, BStBl II 1986, 681 = SIS 86 16 34, unter 2. a). Dabei führt nicht jegliche Bearbeitung und
Behandlung des geernteten land- und forstwirtschaftlichen
Urprodukts schon zu einer anderen Marktgängigkeit. So
zählt etwa das Waschen, Trocknen und Sortieren von Erntegut,
soweit damit überhaupt erst dessen marktgängige
Aufbereitung erfolgt, regelmäßig noch zu den typisch
land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten.
2. Nach diesen Grundsätzen ist die
angefochtene Entscheidung revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das FG hat bei Auslegung und Anwendung des § 40a Abs. 3 EStG
rechtlich zutreffend darauf abgestellt, ob es sich bei
geschältem Spargel um eine weitergehende Veränderung
eines bereits hergestellten, marktgängigen
landwirtschaftlichen Urprodukts handelt. Die aufgrund der
tatsächlichen Feststellungen vorgenommene Würdigung des
FG ist möglich. Sie verstößt weder gegen
Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze, so dass der Senat
hieran mangels zulässiger und begründeter
Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2 FGO gebunden
ist.
a) Das FG hat ohne Rechtsfehler festgestellt,
dass bereits ungeschälter Spargel ein hergestelltes,
marktgängiges landwirtschaftliches (Ur-)Produkt ist. Die
Feststellung des FG, dass mit dem Schälen des Spargels eine
zusätzliche Dienstleistung erbracht werde, die der Kunde nach
Auskunft einer vom FG näher bezeichneten Landwirtschaftskammer
generell mit einem Preisaufschlag gegenüber dem Verkaufspreis
für ungeschälten Spargel bezahle, hat auch der
Kläger nicht bestritten. Vielmehr hat dieser in seiner
Revisionsbegründung auch darauf hingewiesen, dass bei der
Kalkulation des Preises von geschältem Spargel auch dessen
Gewichtsverlust gegenüber ungeschältem Spargel zu
berücksichtigen sei. Auf dieser Grundlage ist die
tatrichterliche Würdigung, durch das Schälen des
geernteten und bereits ungeschält verwertbaren Spargels werde
eine nicht mehr zum land- und forstwirtschaftlichen
Herstellungsprozess zählende weitergehende Veränderung
eines landwirtschaftlichen Produkts bewirkt, revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden. Dies schon ungeachtet der Frage, ob - wie das
FA in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat -
geschälter Spargel (anders als nur gewaschener und sortierter
Spargel) dem Lebensmittelrecht und nicht den Vorschriften der
EG-Vermarktungsnorm unterliegt.
b) Dem steht nicht entgegen, dass - worauf der
Kläger zutreffend hinweist - auch bei der Verarbeitung von
Trauben zu Wein noch ein landwirtschaftliches (Ur-)Produkt
entsteht. Produktionsziel des Weinbaus i.S. von § 13 Abs. 1
Nr. 1 Satz 1 EStG ist es nämlich, über die Gewinnung von
Trauben Traubenmost und Wein zu erzeugen (vgl. z.B. Kleeberg, in:
Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 13 Rz B 11;
Blümich/Selder, § 13 EStG Rz 69, m.w.N.). Demnach ist im
Weinbau - anders als im Streitfall mit der Ernte des
(ungeschälten) Spargels - allein mit der Ernte der Trauben der
typische Prozess der landwirtschaftlichen Urproduktion noch nicht
abgeschlossen. Die geernteten Trauben stellen im Weinbaubetrieb, so
wie er aufgrund seines historisch gewachsenen Unternehmenszwecks
und -gegenstands typisierend der Land- und Forstwirtschaft
zugeordnet wird (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 EStG),
regelmäßig noch kein marktgängiges Erzeugnis der
Urproduktion dieses Betriebs dar.
c) Auch soweit der Kläger meint, die
Tätigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs ende nicht mit
der Herstellung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse, sondern dazu
gehöre auch eine den Änderungen der
Marktverhältnisse Rechnung tragende Vermarktung, führt
dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Zwar zählt zur Land- und
Forstwirtschaft i.S. von § 13 EStG auch die Verwertung der
gewonnenen pflanzlichen und tierischen Erzeugnisse durch Verkauf
(vgl. z.B. Kleeberg, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O.,
§ 13 Rz B 5; Kube in Kirchhof, a.a.O., § 13 Rz 2;
Schmidt/Seeger, a.a.O., § 13 Rz 1; Blümich/ Selder,
a.a.O. Rz 58). Dem steht jedoch nicht entgegen, den Begriff der
typisch land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten i.S. des §
40a Abs. 3 Satz 1 EStG auf rein urproduktionsbezogene
Tätigkeiten zu begrenzen, wenn dies - wie dargestellt -
gleichheitsrechtlich geboten ist. Im Übrigen führt der
hier anzuwendende objektive Maßstab der veränderten
Marktgängigkeit auch zu einer Berücksichtigung
veränderter Marktverhältnisse, wenn sich die
Vermarktbarkeit eines land- und forstwirtschaftlichen Urprodukts
wegen neuer Anforderungen an dessen Zustand und Qualität nur
noch durch eine bestimmte Bearbeitung oder Aufbereitung
überhaupt herstellen ließe. Bei ungeschältem
Spargel ist jedoch eine solche Marktlage derzeit nicht gegeben.