Eigenheimzulage bei Vorbehaltsnießbrauch: Ein nicht ausgeübter Vorbehaltsnießbrauch schließt die Nutzung des zivilrechtlichen Eigentümers zu eigenen Wohnzwecken i.S. von § 4 Satz 1 EigZulG nicht aus. - Urt.; BFH 28.11.2007, IX R 27/07; SIS 08 13 72
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) erwarb im Jahr 2000 von seiner Mutter ein von ihm
bewohntes Hausgrundstück teilentgeltlich. Die Mutter behielt
sich ein lebenslängliches, unentgeltliches
Nießbrauchsrecht vor. Anschließend vereinbarte der
Kläger mit seiner Mutter privatschriftlich, dass diese auf die
Ausübung ihres Nießbrauchrechtes zu Gunsten ihres Sohnes
verzichten und dieser alle Kosten sowie Zins- und
Tilgungsleistungen für das Grundstück übernehmen
sollte.
Den Antrag des Klägers auf Festsetzung
von Eigenheimzulage ab dem Jahr 2000 lehnte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) ab. Einspruch und Klage
blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in
seinem in EFG 2007, 1577 = SIS 07 29 26 veröffentlichten
Urteil aus, dass der Kläger das ihm übertragene
Hausgrundstück aufgrund fremden Rechts nutze. Sein sich aus
§ 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergebendes
Nutzungsrecht sei auf die Nießbraucherin mit dinglicher
Wirkung übertragen worden (§ 1036 BGB). Auch wenn der
Kläger das Hausgrundstück selbst nutze, dabei abweichend
vom notariellen Übergabevertrag sämtliche Kosten des
Hausgrundstückes getragen habe und die Mutter nie beabsichtigt
habe, in das Haus zu ziehen, liege nicht lediglich ein
Sicherungsnießbrauch vor
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Satz 1,
§ 4 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes - EigZulG - ) und
beruft sich darauf, dass der vereinbarte Nießbrauch nicht
tatsächlich durchgeführt worden sei.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu
verpflichten,
für das Jahr 2000 Eigenheimzulage
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet.
Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung). Zu Unrecht hat das FG die Nutzung zu
eigenen Wohnzwecken verneint. Die Feststellungen des FG reichen
jedoch für eine abschließende Entscheidung über die
Höhe der dem Kläger zustehenden Eigenheimzulage nicht
aus.
1. Nach § 2 Satz 1, § 4 Satz 1
EigZulG wird Eigenheimzulage für die Anschaffung einer zu
eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung in einem eigenen Haus
gewährt. Der Anspruchsberechtigte muss das begünstigte
Objekt selbst bewohnen.
a) Der Begriff „eigen“ i.S.
des § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet, dass der
Anspruchsberechtigte zivilrechtlicher oder wirtschaftlicher (vgl.
§ 39 der Abgabenordnung) Eigentümer des begünstigten
Objekts sein muss. In Fällen, in denen zivilrechtliches und
wirtschaftliches Eigentum auseinander fallen, ist für die
Förderung auf das wirtschaftliche Eigentum abzustellen.
Der Vorbehaltsnießbraucher ist nur dann
wirtschaftlicher Eigentümer, wenn sich seine rechtliche oder
tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen
Eigentümer des Grundstücks von der normalen - lediglich
eine Nutzungsbefugnis vermittelnden - Position eines
Nießbrauchers so deutlich unterscheidet, dass er die
tatsächliche Herrschaft über das
nießbrauchsbelastete Grundstück ausübt (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.3.2007 IX R 37/05, BFH/NV 2007,
1891 = SIS 07 32 42, unter II. 1. b, m.w.N.).
b) Für die Auslegung des Begriffs
„Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ in § 4
EigZulG gelten die gleichen Rechtsgrundsätze, wie sie die
höchstrichterliche Rechtsprechung für die entsprechenden
Regelungen des Einkommensteuergesetzes entwickelt hat
(BFH-Beschluss vom 4.5.1999 IX B 38/99, BFHE 188, 395, BStBl II
1999, 587 = SIS 99 14 08). Danach dient eine Wohnung eigenen
Wohnzwecken, wenn sie vom Anspruchsberechtigten selbst und ggf. den
mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden
Familienangehörigen tatsächlich als Wohnung genutzt wird
(vgl. BFH-Urteil vom 5.9.2001 X R 29/00, BFHE 196, 527, BStBl II
2002, 380 = SIS 01 13 75).
Es kommt nicht darauf an, ob der Berechtigte
aus eigenem oder abgeleitetem Recht nutzt (a.A. FG Rheinland-Pfalz,
Urteil vom 29.6.1995 4 K 1653/94, EFG 1995, 1016 = SIS 96 05 09;
Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl., S. 163, 164;
für das Eigenheimzulagengesetz: FG Münster, Urteil vom
10.9.1998 1 K 4410/98 EZ, EFG 1998, 1674; Wacker, EigZulG, 3.
Aufl., § 4 Rz 5). Das nicht ausgeübte Nutzungsrecht eines
Angehörigen schließt die Nutzung einer Wohnung durch den
zivilrechtlichen Eigentümer zu eigenen Wohnzwecken i.S. von
§ 4 Satz 1 EigZulG nur aus, wenn es wirtschaftliches Eigentum
des Angehörigen und damit dessen Berechtigung nach § 2
Satz 1 EigZulG begründet.
2. Bei Anwendung dieser Maßstäbe
führte im Streitfall der Nießbrauch der Mutter des
Klägers jedenfalls nicht zu deren wirtschaftlichem Eigentum an
dem auf den Kläger übertragenen Hausgrundstück. Es
kann dahinstehen, ob das vom Kläger seiner Mutter
eingeräumte Nießbrauchsrecht mangels tatsächlicher
Durchführung steuerlich anzuerkennen ist und ob es sich um
einen Sicherungsnießbrauch handelt. Die Vereinbarungen des
Klägers mit seiner Mutter führen jedenfalls nicht dazu,
dass kein Herausgabeanspruch des Klägers gegenüber seiner
Mutter bestand oder sein Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche
Bedeutung hatte.
Der Kläger bewohnt das
Hausgrundstück und nutzt es damit auch zu eigenen Wohnzwecken
(§ 4 Satz 1 EigZulG).
3. Das Urteil der Vorinstanz beruht auf einer
abweichenden Auslegung von § 4 Satz 1 EigZulG und ist deshalb
aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Die Vorinstanz
hat, da sie den Anspruch des Klägers schon dem Grunde nach
verneint, keine ausreichenden Feststellungen zur Höhe der dem
Kläger zustehenden Eigenheimzulage getroffen.