Steuerberater, Vermögensverfall: Beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind; nur in Ausnahmefällen ist ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung gestattet. Die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand liegt bei dem betroffenen Steuerberater. - 2. Erforderlich ist ein auf die konkrete Situation des betroffenen Steuerberaters bezogener substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit hinreichender Gewissheit die Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, ist eine Frage der dem Tatrichter vorbehaltenen Tatsachenwürdigung. - 3. Der Umstand allein, dass die steuerberatende Tätigkeit im Angestelltenverhältnis ausgeübt wird, reicht für den Entlastungsbeweis nicht aus; jedoch können arbeitsvertragliche Beschränkungen des angestellten Steuerberaters im Hinblick auf Treuhänder- oder Verwaltungsbefugnisse über Gelder oder sonstige Vermögenswerte der Mandanten im Einzelfall geeignet sein, den Entlastungsbeweis zu erbringen, wenn ihre Einhaltung vom Arbeitgeber wirksam kontrolliert werden kann. - 4. Eine konkrete Gefährdung von Auftraggeberinteressen lässt sich nicht ausschließen, wenn sich der betroffene Steuerberater in sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten als unzuverlässig erwiesen hat und sich an gesetzliche Vorgaben nicht hält, weshalb im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung insbesondere die Verletzung steuerlicher Pflichten des Steuerberaters zu seinen Ungunsten zu berücksichtigen ist. - Urt.; BFH 4.12.2007, VII R 64/06; SIS 08 13 70
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer
Steuerberatungsgesellschaft in M (U-GmbH), für die er Antrag
auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt hat, und ist
außerdem gesamtvertretungsberechtigter
Geschäftsführer einer Wirtschafts- und
Steuerberatungsgesellschaft mit Sitz in M (E-GmbH), wo er selbst
auch wohnt und beruflich niedergelassen ist. Gesellschafter der
E-GmbH sind ein Rechtsanwalt und eine Steuerberaterin, beide
ansässig in B; Letztere ist neben dem Kläger die einzige
weitere Geschäftsführerin. Einer in M ansässigen
Rechtsanwältin ist Prokura erteilt.
Nachdem die Beklagte und Revisionsbeklagte
(Steuerberaterkammer) erfahren hatte, dass der Kläger im
Januar 2003 vor dem Amtsgericht die eidesstattliche Versicherung
abgegeben hatte und in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden
war und dass Steuerschulden in erheblicher Höhe sowohl des
Klägers (die allerdings im Verlauf des finanzgerichtlichen
Verfahrens getilgt worden sind) als auch der U-GmbH bestanden,
widerrief sie die Bestellung des Klägers als
Steuerberater.
Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen
erhobene Klage ab (vgl. SIS 07 31 04). Das FG urteilte, dass im
Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides die
Voraussetzungen des § 46 Abs. 2 Nr. 4 des
Steuerberatungsgesetzes (StBerG) für den Widerruf der
Bestellung als Steuerberater vorgelegen hätten. Die aus der
Eintragung des Klägers in das Schuldnerverzeichnis folgende
Vermutung des Vermögensverfalls habe dieser nicht widerlegt.
Auf die Gründe, die zum Vermögensverfall geführt
hätten, komme es nicht an. Aus dem Umstand, dass sich im
Verwaltungsverfahren die Steuerschulden des Klägers sogar noch
erhöht hätten, habe die Steuerberaterkammer zu Recht den
Schluss gezogen, dass die Wiederherstellung geordneter
Vermögensverhältnisse in absehbarer Zeit unwahrscheinlich
sei. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als
Steuerberater hätten auch im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung fortbestanden. Der Kläger sei nach wie vor in das
Schuldnerverzeichnis eingetragen, weil er zwischenzeitlich erneut
die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe, und er habe nicht
nachgewiesen, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse
gleichwohl geordnet seien. Nach der vom Kläger eingereichten
Vermögensübersicht bestünden selbst bei Abzug
ausstehender Forderungen des Klägers, die dieser selbst als
nicht realisierbar ansehe, Verbindlichkeiten von mehr als ... Mio.
EUR, die der Kläger - wie er gegenüber den
Gläubigern eingeräumt habe - nicht bedienen könne.
Ob das vom Kläger angestrebte außergerichtliche
Schuldenbereinigungsverfahren Erfolg haben werde, sei völlig
offen.
Des Weiteren habe sich auch nicht
feststellen lassen, dass eine Gefährdung der Interessen der
Auftraggeber durch den Vermögensverfall des Klägers
ausgeschlossen sei. Eine solche konkrete Gefährdungssituation
für die Auftraggeber des Klägers könne auch in
Anbetracht der von ihm eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen
mit der E-GmbH, u.a. zum Ausschluss seiner Möglichkeit, auf
Fremdgeld zuzugreifen, nicht verneint werden. Insoweit sei zu
berücksichtigen, dass der Kläger nicht lediglich
angestellter Steuerberater, sondern der einzige
Steuerberater-Geschäftsführer mit beruflicher
Niederlassung am Sitz der Gesellschaft sei. Aufgrund seiner
gesetzlichen Funktion sei der Kläger grundsätzlich
für alle Angelegenheiten der Gesellschaft zuständig. Die
nach § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften
mit beschränkter Haftung umfassend ausgestaltete
rechtsgeschäftliche Vertreterstellung des
Geschäftsführers könne ohnehin nicht mit
Außenwirkung beschränkt werden; seine Verantwortung
erlösche weder durch Zuständigkeitsregelungen innerhalb
der Geschäftsleitung noch durch eine Delegation einzelner
Aufgaben auf einen Prokuristen. Dementsprechend leite der
Kläger die Gesellschaft und vertrete sie nach außen,
auch gegenüber Mandanten. Ihn träfen sämtliche
Pflichten der Gesellschaft, also auch steuerliche Pflichten, in
jedem Fall aber Überwachungspflichten; die Regelung über
die Gesamtvertretung ändere hieran nichts. Die Einhaltung der
berufsrechtlichen Pflichten des Klägers und seiner
eingegangenen vertraglichen Beschränkungen lasse sich
angesichts seiner Stellung als Organ der Gesellschaft sowie der
beruflichen Niederlassung der einzigen berufsangehörigen
Gesellschafterin in B nicht überwachen. Auch die vor Ort
ansässige Prokuristin könne den Kläger gegen seinen
Willen nicht kontrollieren oder anleiten. Ebenso wenig ließen
sich die vertraglichen Regelungen über die Abwicklung des
Zahlungsverkehrs überwachen, da der Kläger gegenüber
der Bürovorsteherin und ihrer Vertreterin arbeitsrechtlich
weisungsbefugt sei. Hinzu komme, dass unter der Verantwortung des
Klägers als Geschäftsführer für die
steuerlichen Pflichten der E-GmbH fällige Lohn- und
Umsatzsteuern nicht fristgerecht gezahlt worden und
Säumniszuschläge angefallen und diese Schulden erst unter
dem Druck der bevorstehenden mündlichen Verhandlung in drei
Teilzahlungen beglichen worden seien.
Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, dass hinsichtlich des Vermögensverfalls zu
berücksichtigen sei, dass sich unter den Gläubigern keine
Mandanten befänden und dass seine finanziellen Schwierigkeiten
auf die Auseinandersetzung mit seiner früheren
Geschäftspartnerin und auf die strafrechtlich relevanten
Handlungen seines früheren Mitarbeiters
zurückzuführen seien. Eine konkrete Gefährdung von
Interessen der Auftraggeber sei wegen der besonderen vertraglichen
Vereinbarungen zwischen ihm und der E-GmbH ausgeschlossen. Die
Einhaltung dieser Vereinbarungen werde durch die Gesellschafter der
E-GmbH überwacht. Durch die Vernetzung der Büros in B und
M sei auch eine effektive Überwachung möglich. Auch durch
die Prokuristin vor Ort werde er wirksam kontrolliert. Barzahlungen
dürfe er nicht entgegennehmen, Aufträge dürfe er
alleine nicht annehmen und Nebentätigkeiten nicht
übernehmen. Der Widerruf bedeute einen extremen Eingriff in
das Recht auf freie Berufsausübung. Bei Anwendung des §
46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG bestehe ein Beurteilungsspielraum, der
verfassungskonform auszuüben sei.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat die Klage zu Recht
abgewiesen. Der angefochtene Widerrufsbescheid ist
rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die
Bestellung eines Steuerberaters zu widerrufen, wenn dieser in
Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die
Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind; dabei wird
nach dem zweiten Halbsatz der Vorschrift ein Vermögensverfall
vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen
des Steuerberaters eröffnet oder dieser in das vom Insolvenz-
oder das vom Vollstreckungsgericht nach § 26 Abs. 2 der
Insolvenzordnung bzw. nach § 915 der Zivilprozessordnung zu
führende Verzeichnis eingetragen ist.
Dass im Streitfall die Voraussetzungen
für den Widerruf der Bestellung als Steuerberater vorliegen,
hat das FG - bezogen sowohl auf den Zeitpunkt des Bescheiderlasses
als auch auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung -
rechtsfehlerfrei bejaht.
1. Nach den für den Senat bindenden
(§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen des FG ist der Kläger
in das Schuldnerverzeichnis eingetragen, weshalb der
Vermögensverfall als Voraussetzung für den Widerruf der
Bestellung zu vermuten ist. Die vom FG getroffenen Feststellungen
zur Vermögenssituation des Klägers widerlegen die
Vermutung des Vermögensverfalls nicht, denn sie geben keinen
Grund zu der Annahme, dass der Kläger trotz seiner Eintragung
in das Schuldnerverzeichnis in geordneten wirtschaftlichen
Verhältnissen lebt. Anders als die Revision meint, sind die
Ursachen für die finanziellen Schwierigkeiten des
Klägers, insbesondere die Frage, ob er diese wirtschaftliche
Lage verschuldet hat, sowie der Umstand, dass seine Gläubiger
nicht zugleich seine Mandanten sind, für die Widerlegung des
Vermögensverfalls ohne Bedeutung. Zwar weist die Revision zu
Recht darauf hin, dass allein das Vorhandensein von Schulden nicht
gegen geordnete wirtschaftliche Verhältnisse spricht, wenn der
Schuldendienst gesichert ist und die Schulden in Anbetracht der
Einkommensverhältnisse des Steuerberaters in einem
überschaubaren Zeitraum getilgt werden können (vgl.
Senatsurteil vom 22.8.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl II
1995, 909 = SIS 96 01 43). Eben diese Voraussetzungen hat das FG
allerdings im Streitfall verneint, weil der Kläger seine
Verbindlichkeiten aus seinen laufenden Einnahmen nicht bedienen
kann und weil der Erfolg des angestrebten
Schuldenbereinigungsverfahrens ungewiss ist. Zulässige und
begründete Revisionsrügen bezüglich dieser
Feststellungen sind nicht vorgebracht.
2. Bei einem Vermögensverfall des
Steuerberaters sieht § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG den Widerruf der
Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der
Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht
damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters
grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner
Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in
Ausnahmefällen („es sei denn“) ein Absehen
von dem gebotenen Widerruf der Bestellung; aus diesem
Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt zugleich, dass die Darlegungs-
und Feststellungslast für diesen gesetzlichen
Ausnahmetatbestand dem betroffenen Steuerberater obliegt
(Senatsurteil vom 22.9.1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II
1993, 203 = SIS 93 03 36; Senatsbeschluss vom 8.2.2000 VII B
245/99, BFH/NV 2000, 992 = SIS 00 57 81).
Der Nachweis der Nichtgefährdung der
Auftraggeberinteressen bezieht sich auf die nach den Besonderheiten
des Einzelfalls zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation
für die Mandanten des in Vermögensverfall geratenen
Steuerberaters, da ansonsten - beim Abstellen auf jede denkbare
potentielle Gefährdung von Mandanten - der Entlastungsbeweis
nicht geführt werden könnte (Senatsurteil in BFHE 169,
286, BStBl II 1993, 203 = SIS 93 03 36). Erforderlich ist ein
substantiierter und glaubhafter Vortrag, aufgrund dessen mit
hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim
Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen
werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem
Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird
(Senatsurteil vom 6.6.2000 VII R 68/99, HFR 2000, 741;
Senatsbeschluss vom 4.3.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl II
2004, 1016 = SIS 04 21 13).
Die Beantwortung der Frage, ob dieser
Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine dem Tatrichter
vorbehaltene zusammenfassende Beurteilung der komplexen
Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich
nicht abschließend festgelegter Kriterien zu
berücksichtigen ist, die je nach dem Einzelfall in
unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die
Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen
sprechen können; diese Tatsachenwürdigung kann
revisionsrechtlich nur daraufhin überprüft werden, ob das
FG von zutreffenden rechtlichen Maßstäben ausgegangen,
seine Entscheidung insoweit nachvollziehbar begründet und
nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von
Erfahrungssätzen beeinflusst ist (ständige
Rechtsprechung, Senatsurteile in BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203
= SIS 93 03 36, und in HFR 2000, 741; Senatsbeschlüsse vom
28.8.2003 VII B 79/02, BFH/NV 2004, 90 = SIS 03 53 21, und in BFHE
204, 563, BStBl II 2004, 1016 = SIS 04 21 13). Zwar kann in einem
Revisionsverfahren geprüft werden, ob das FG bei der ihm
obliegenden Tatsachenfeststellung und -würdigung den
Ausnahmetatbestand „Nichtgefährdung von
Auftraggeberinteressen“ zutreffend ausgelegt und die
insoweit nach der Rechtsprechung des Senats zu
berücksichtigenden Gesichtspunkte in seine Würdigung
einbezogen hat (vgl. Senatsurteil in HFR 2000, 741).
Im Streitfall lässt sich eine fehlerhafte
Auslegung des Ausnahmetatbestands durch das FG nicht feststellen.
So ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass es auf die
konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten des in
Vermögensverfall geratenen Klägers ankommt, und es hat es
auch nicht als ausgeschlossen angesehen, dass zu der Ausübung
der steuerberatenden Tätigkeit im Angestelltenverhältnis
(die für sich allein nach der Rechtsprechung des erkennenden
Senats für den Entlastungsbeweis nicht ausreicht) andere
Umstände hinzutreten können, welche es im Rahmen der
gebotenen Gesamtwürdigung ermöglichen, den
Entlastungsbeweis als erbracht anzusehen. Das FG hat auch nicht
verkannt, dass es entscheidend auf die nach den tatsächlichen
Gegebenheiten bestehenden Zugriffs- und Gestaltungsrechte des
angestellten Steuerberaters auf die Gesellschaft, bei der er
tätig ist, ankommt (vgl. Senatsurteil in BFHE 169, 286, BStBl
II 1993, 203 = SIS 93 03 36, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2000,
992 = SIS 00 57 81) und dass es deshalb im Einzelfall vertragliche
Beschränkungen des angestellten Steuerberaters, insbesondere
im Hinblick auf Treuhänder- oder Verwaltungsbefugnisse
über Gelder oder sonstige Vermögenswerte seiner
Mandanten, geben mag, die für den Entlastungsbeweis
ausreichen.
Dementsprechend hat es der Bundesgerichtshof
(BGH) bei einem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt im
Rahmen der Gesamtwürdigung seiner Person für den
Entlastungsbeweis ausreichen lassen, dass sich jener Rechtsanwalt
weit reichenden beruflichen Beschränkungen arbeitsvertraglich
unterworfen hatte, er nämlich weder auf dem Briefkopf noch auf
dem Praxisschild der Sozietät erschien, eigene Mandate nicht
annehmen und Zahlungen an die Sozietät nicht entgegennehmen
durfte (BGH-Beschlüsse vom 18.10.2004 AnwZ (B) 43/03, NJW
2005, 511 = SIS 05 15 45, und - mit ähnlichen Voraussetzungen
- vom 25.6.2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924).
Allerdings liegt es auf der Hand und ist somit
auch vom FG zutreffend in die Prüfung einbezogen worden, dass
derartige vertragliche Beschränkungen und Verpflichtungen des
angestellten Steuerberaters den Entlastungsbeweis nur erbringen
können, wenn ihre Einhaltung vom Arbeitgeber wirksam
kontrolliert werden kann und auch kontrolliert wird (vgl.
Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016 = SIS 04 21 13). Auch der BGH hat in dem vorgenannten Beschluss in NJW 2005,
511 die wirksame Kontrolle der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen
durch die Rechtsanwälte jener Sozietät, bei der der in
Vermögensverfall geratene Rechtsanwalt angestellt war, als
maßgebenden Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtwürdigung
geprüft.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass
das FG im Streitfall hinsichtlich der vom Kläger
gegenüber der E-GmbH eingegangenen vertraglichen
Verpflichtungen eine wirksame Überwachung, u.a. bezüglich
des Ausschlusses seiner Möglichkeit, auf Fremdgeld
zuzugreifen, als nicht gegeben angesehen hat. So hat es das FG
zutreffend als Besonderheit des Streitfalls hervorgehoben, dass der
Kläger - im Gegensatz zu den mit den BGH-Beschlüssen in
NJW 2005, 511 und in NJW 2007, 2924 entschiedenen Fällen -
kein „einfacher“ Angestellter der E-GmbH,
sondern ihr einziger Steuerberater-Geschäftsführer mit
beruflicher Niederlassung am Sitz der Gesellschaft ist, dessen
besondere Verantwortung und Funktion durch § 50 Abs. 1 Satz 2
StBerG hervorgehoben wird. Als Geschäftsführer ist der
Kläger - worauf das FG zu Recht hingewiesen hat - für die
Leitung der Geschäfte umfassend verantwortlich und er ist
gegenüber anderen Angestellten der Gesellschaft nicht etwa
weisungsunterworfen, sondern vielmehr weisungsberechtigt. Eine
vertragliche Kontroll- und Überwachungsunterworfenheit des
Klägers besteht allein gegenüber den Gesellschaftern der
E-GmbH. Wenn das FG vor diesem Hintergrund geurteilt hat, dass zum
einen eine wirksame Überwachung der vertraglichen
Beschränkungen des Klägers durch andere - gegenüber
dem Kläger weisungsunterworfene - Angestellte der E-GmbH nicht
in Betracht komme und zum anderen die wirksame Überwachung des
Klägers durch die in B ansässigen Gesellschafter bereits
wegen der räumlichen Entfernung nicht gewährleistet sei,
so ist dies nachvollziehbar begründet und verstößt
weder gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze.
Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, dass die
weitere Steuerberater-Geschäftsführerin der E-GmbH
nunmehr alleinige Gesellschafterin und ebenfalls in M beruflich
niedergelassen sei, handelt es sich um im Revisionsverfahren nicht
zulässiges neues Tatsachenvorbringen.
Daraus folgend hat das FG, wiederum in nicht
zu beanstandender Weise und im Übrigen in Übereinstimmung
mit dem von der Revision angeführten BGH-Beschluss in NJW
2005, 511, geschlossen, dass der Kläger jederzeit die
Möglichkeit habe, Mandate für eigene Rechnung zu
übernehmen, ohne die vertraglich vorgesehene Zustimmung der
Gesellschaft einzuholen.
Diesen im Rahmen der Gesamtwürdigung
angestellten Erwägungen des FG stellt die Revision lediglich
ihre eigenen Erwägungen entgegen, indem sie ausführt,
dass eine effektive Überwachung des Klägers durch die in
B ansässige Steuerberater-Gesellschafterin mit Hilfe der
Vernetzung der Büros und des somit jederzeit möglichen
Zugriffs auf die Buchhaltungsdaten sowohl der Gesellschaft als auch
der Mandanten gewährleistet sei und dass auch die Prokuristin
vor Ort in M den Kläger kontrollieren könne und
müsse, wolle sie sich nicht Schadensersatzansprüchen der
Gesellschaft aussetzen. Daraus folgert die Revision, dass eine
konkrete Gefährdungssituation für die Auftraggeber des
Klägers ausgeschlossen und die gegenteilige Auffassung des FG
„nicht überzeugend“ sei. Rechtsfehler des
FG zeigt die Revision damit nicht auf, denn die vom FG vorgenommene
Würdigung der festgestellten Tatsachen ist möglich,
nachvollziehbar begründet und verstößt weder gegen
Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze. Ob auch das von
der Revision gewünschte Ergebnis der Tatsachenwürdigung
vertretbar wäre, ist revisionsrechtlich nicht von Bedeutung
(vgl. Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016 = SIS 04 21 13).
Es steht schließlich auch in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats,
dass das FG bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu Lasten
des Klägers berücksichtigt hat, dass unter seiner
Verantwortung als Geschäftsführer für die
steuerlichen Pflichten der E-GmbH fällige Lohn- und
Umsatzsteuern von der Gesellschaft nicht fristgerecht gezahlt
worden und Säumniszuschläge angefallen sind. Der Senat
hat wiederholt darauf hingewiesen, dass eine konkrete
Gefährdung von Auftraggeberinteressen nicht verneint werden
kann, wenn festgestellt worden ist, dass der Steuerberater in
sonstigen geschäftlichen oder auch eigenen Angelegenheiten
unzuverlässig ist und sich an gesetzliche Vorgaben nicht
hält, denn in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit, dass der
Steuerberater unter dem Druck seiner Vermögenslosigkeit auch
Mandanteninteressen unter Missachtung vertraglicher Vereinbarungen
verletzt, so groß, dass von einer konkreten Gefährdung
von Auftraggeberinteressen auszugehen ist. Deshalb ist bei der
vorzunehmenden Gesamtabwägung zu Ungunsten des Steuerberaters
zu berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit die den
Mandanten in Rechnung gestellte Umsatzsteuer oder die vom Entgelt
seiner Mitarbeiter einbehaltene Lohnsteuer nicht fristgerecht
abgeführt hat (vgl. Senatsurteile in HFR 2000, 741 und vom
4.7.2000 VII R 103/99, BFH/NV 2001, 69 = SIS 01 50 77;
Senatsbeschluss in BFHE 204, 563, BStBl II 2004, 1016 = SIS 04 21 13). Diese Verletzung der dem Kläger als
Geschäftsführer obliegenden steuerlichen Pflichten reicht
bereits für sich genommen aus, den Entlastungsbeweis als nicht
erbracht anzusehen; sie zeigt aber darüber hinaus, dass - wie
vom FG angenommen - die Überwachung der Tätigkeit des
Klägers durch die Gesellschafter lückenhaft ist. Trotz
der von der Revision als wesentliche Kontrollmöglichkeit
hervorgehobenen Vernetzung der Büros ist es offenbar unbemerkt
geblieben, dass von der E-GmbH zu entrichtende fällige Lohn-
und Umsatzsteuerbeträge nicht an das Finanzamt abgeführt
wurden.
3. Wie bereits ausgeführt, sieht §
46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG bei einem Vermögensverfall des
Steuerberaters und einer dadurch nicht auszuschließenden
Gefährdung von Auftraggeberinteressen den Widerruf der
Bestellung zwingend vor. Der von der Revision vertretenen Ansicht,
dass bei Anwendung der Vorschrift ein verfassungskonform
auszuübender Beurteilungsspielraum bestehe, ist daher nicht zu
folgen. Der erkennende Senat hat im Übrigen wiederholt
ausgeführt und hält auch im Streitfall daran fest, dass
§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG mit der nach Art. 12 Abs. 1 des
Grundgesetzes garantierten Berufsfreiheit in Einklang steht,
(Senatsurteile in BFH/NV 2001, 69 = SIS 01 50 77, und vom
13.11.2001 VII R 14/01, BFHE 198, 266, BStBl II 2002, 62 = SIS 02 04 61; Senatsbeschluss vom 28.8.2003 VII B 159/02, BFH/NV 2004, 91
= SIS 03 53 22).