Nicht erschienener Zeuge, Ordnungsgeld: Erscheint ein ordnungsgemäß geladener Zeuge ohne ausreichende Entschuldigung nicht zu einem vom FG anberaumten Verhandlungstermin und erlegt ihm das FG daraufhin ein Ordnungsgeld auf, so können nachträglich vorgebrachte Entschuldigungsgründe nur dann zur Aufhebung dieser Maßnahme führen, wenn sie nicht schon im Vorfeld des Termins geltend gemacht werden konnten. - Urt.; BFH 9.7.2007, I B 55/07; SIS 07 31 50
I. Der Beschwerdeführer ist von Beruf
Steuerberater. Er war in einem beim Finanzgericht (FG)
anhängigen Verfahren zu einer auf den 8.2.2007 anberaumten
mündlichen Verhandlung als Zeuge geladen.
Am 6.2.2007 ging beim FG ein vom 5.2.2007
datierendes Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem es
heißt, der Beschwerdeführer könne „aufgrund
der kurzfristigen Ladung und bereits seit längerem bestehenden
anderen Terminen“ am 8.2.2007 nicht beim FG erscheinen. Er
könne zudem zum Beweisthema keine Auskunft geben. Er bitte
darum, ihn vom persönlichen Erscheinen zu entbinden; falls das
FG sein persönliches Erscheinen dennoch wünsche, werde um
einen kurzen Hinweis gebeten. Das FG antwortete darauf mit
Telefax-Schreiben vom selben Tag, dass die Zeugenladung nicht
aufgehoben werde.
Zur mündlichen Verhandlung vor dem FG
erschien der Beschwerdeführer nicht. Deshalb erlegte ihm das
FG ein Ordnungsgeld von 200 EUR, ersatzweise einen Tag
Ordnungshaft, auf. Gegen den dahin gehenden Beschluss richtet sich
die Beschwerde.
Zu deren Begründung hat der
Beschwerdeführer die Ablichtung einer ärztlichen
Bescheinigung vorgelegt, in der es heißt, dass er „sich
in unserer Behandlung“ befinde und „aufgrund einer
Erkrankung ... vom 01.02.06 bis 15.02.07 nicht
reisefähig“ gewesen sei. Das FG hat der Beschwerde nicht
abgeholfen.
Das Finanzamt hat zu der Beschwerde nicht
inhaltlich Stellung genommen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die
Festsetzung des Ordnungsgeldes durch das FG ist weder dem Grunde
noch der Höhe nach zu beanstanden.
1. Nach § 82 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) sind, soweit §§ 83 bis 89 FGO nicht abweichende
Vorschriften enthalten, im finanzgerichtlichen Verfahren unter
anderem die §§ 380 bis 382 der Zivilprozessordnung (ZPO)
sinngemäß anzuwenden. Danach wird gegen einen
ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, ein
Ordnungsgeld festgesetzt (§ 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese
Maßnahme unterbleibt, wenn das Ausbleiben des Zeugen
rechtzeitig genügend entschuldigt wird (§ 381 Abs. 1 Satz
1 ZPO); erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so
unterbleibt die Festsetzung des Ordnungsmittels nur dann, wenn
glaubhaft gemacht wird, dass den Zeugen an der Verspätung der
Entschuldigung kein Verschulden trifft (§ 381 Abs. 1 Satz 2
ZPO). Unter derselben Voraussetzung wird, wenn die genügende
Entschuldigung nachträglich erfolgt, die getroffene Anordnung
aufgehoben (§ 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO).
2. Im Streitfall ist der Beschwerdeführer
trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zu der vom FG
anberaumten Verhandlung erschienen. Er hatte dies im Vorfeld des
Verhandlungstermins in Aussicht gestellt und dazu auf seine
Terminsituation verwiesen. Damit hat er jedoch sein Ausbleiben
nicht genügend entschuldigt, da die Zeugnispflicht anderen
privaten und beruflichen Pflichten grundsätzlich vorgeht
(Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, 27. Aufl., § 381 Rz 2).
Ebenso hängt die Pflicht zum Erscheinen nicht davon ab, ob der
Zeuge glaubt, über das Beweisthema etwas zu wissen
(Stein/Jonas/Berger, ZPO, 22. Aufl., § 380 Rz 4, m.w.N.).
Daher hat das FG gegen den Beschwerdeführer zu Recht ein
Ordnungsgeld festgesetzt.
Die Rechtmäßigkeit dieser
Maßnahme wird nicht dadurch berührt, dass das
Fernbleiben des Beschwerdeführers das FG nicht zur Vertagung
der mündlichen Verhandlung genötigt hat, sondern der
Rechtsstreit in jener Verhandlung durch ein Endurteil abgeschlossen
werden konnte. Denn die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist unter
den Voraussetzungen des § 380 ZPO grundsätzlich auch dann
geboten, wenn sich die Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen als
entbehrlich erweist (Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 380
Rz 3, m.w.N.). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird zwar
für Fallgestaltungen erwogen, in denen das Ausbleiben des
Zeugen weder für die Beteiligten noch für das Gericht
nachteilige Auswirkungen hatte und zudem den Zeugen nur ein
geringes Verschulden trifft (Oberlandesgericht Frankfurt am Main,
Beschluss vom 19.6.1972 13 W 73/72, NJW 1972, 2093;
Stein/Jonas/Berger, a.a.O., § 380 Rz 4, m.w.N.). Darum geht es
im Streitfall jedoch nicht, da der Beschwerdeführer der
gerichtlichen Ladung ersichtlich bewusst nicht nachgekommen ist.
Daher muss über die Frage, ob § 380 ZPO in der genannten
Weise einschränkend auszulegen ist, im vorliegenden Verfahren
nicht abschließend entschieden werden.
3. Im Beschwerdeverfahren hat der
Beschwerdeführer zwar eine ärztliche Bescheinigung
eingereicht, ausweislich derer er in der Zeit vom 1. bis zum
15.2.2007 - und damit auch am Terminstag - nicht reisefähig
war. Dieser erst nachträglich geltend gemachte
Verhinderungsgrund könnte aber gemäß § 82 FGO
i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO nur dann zur Aufhebung der vom
FG getroffenen Anordnung führen, wenn der
Beschwerdeführer dargetan und glaubhaft gemacht hätte,
dass er ihn nicht schon im Vorfeld des Verhandlungstermins
vorbringen konnte. Dafür bietet sein Vortrag aber keinen
Anhaltspunkt; vielmehr hat das FG zu Recht darauf hingewiesen, dass
ein seit dem 1.2.2007 bestehender Mangel der Reisefähigkeit in
dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 5.2.2007 (Antrag auf
Entbindung von der Pflicht zum Erscheinen) zumindest hilfsweise
hätte geltend gemacht werden können.
Dass die in § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO
genannte Voraussetzung hiernach nicht vorliegt, muss im Rahmen der
Entscheidung über die Beschwerde berücksichtigt werden.
In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob dem mit einem
Ordnungsmittel belegten Zeugen ein Wahlrecht des Inhalts zusteht,
den betreffenden Beschluss mit der Beschwerde anzugreifen oder
einen Antrag auf Aufhebung des Ordnungsmittels nach Maßgabe
des § 381 ZPO zu stellen (so z.B. Bundesfinanzhof, Beschluss
vom 29.3.1996 X B 198/95, BFH/NV 1996, 697; Thomas/Putzo, a.a.O.,
§ 381 Rz 4; Stein/Jonas/Berger, a.a.O., § 381 Rz 22; a.A.
MünchKommZPO/ Damrau, 2. Aufl., § 380 Rz 11). Auch wenn
ein solches Wahlrecht gegeben ist, stehen die genannten
Möglichkeiten nicht in der Weise beziehungslos nebeneinander,
dass eine nachträgliche Entschuldigung im Beschwerdeverfahren
unabhängig von den Voraussetzungen des § 381 ZPO
durchgreifen muss. Denn bei einer solchen Betrachtungsweise
könnten die in § 381 ZPO enthaltenen Beschränkungen
der Entschuldigungsmöglichkeit unschwer dadurch umgangen
werden, dass der unentschuldigt nicht erschienene Zeuge an Stelle
eines Aufhebungsantrags eine Beschwerde einlegt; das wäre mit
dem Ziel des § 381 ZPO, auf eine möglichst
frühzeitige Benennung vorhandener Entschuldigungsgründe
hinzuwirken, nicht vereinbar. Angesichts dessen kann
unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer die geltend
gemachte Erkrankung hinreichend glaubhaft gemacht hat, dieser
Entschuldigungsgrund nicht zur Abänderung der angefochtenen
Entscheidung des FG führen.
4. Schließlich begegnet die angefochtene
Entscheidung auch im Hinblick auf die Höhe des festgesetzten
Ordnungsgeldes keinen Bedenken. Das FG hat dazu ausgeführt, es
sei zu berücksichtigen, dass einerseits der
Beschwerdeführer als Steuerberater in besonderem Maße
mit den Pflichten eines zur mündlichen Verhandlung geladenen
Zeugen vertraut sei und dass andererseits sein Ausbleiben nicht zu
einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt habe. Diesen
Überlegungen, denen der Beschwerdeführer nicht
entgegengetreten ist, stimmt der Senat zu. Sie tragen die Bemessung
des Ordnungsgeldes; zu einer Korrektur der Entscheidung besteht
auch insoweit kein Anlass.