Gesinterte Wolfram- und Molybdänstangen, Tarifierung: Dem EuGH wird folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: - Können "nur gesinterte" Stangen aus Wolfram oder Molybdän der Unterpos. 8101 94 00 bzw. Unterpos. 8102 94 00 KN durch Zerbrechen oder Zerschlagen zu Schrott der Unterpos. 8101 97 00 bzw. Unterpos. 8102 97 00 KN umgewandelt werden? - Urt.; BFH 31.7.2007, VII R 48/06; SIS 07 31 20
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) beantragte im Oktober 2001 die Bewilligung eines
Umwandlungsverfahrens für gesinterte Stangen sowohl aus
Wolfram als auch aus Molybdän zur Umwandlung dieser
Metallstangen zu Abfällen und Schrott durch manuelles
Zerschlagen. Nach der Untersuchung mehrerer Proben kam die
Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt zu dem Ergebnis, dass
es sich bei den gesinterten Molybdänstangen um Molybdän
in Rohform handele. Durch Brechen oder Zerschneiden könne aus
diesen Stangen kein Abfall oder Schrott werden, weil sie immer noch
für Zwecke wie z.B. das Einschmelzen verwendet werden
könnten. Der Beklagte und Revisionskläger (das
Hauptzollamt - HZA - ) folgte dieser Auffassung und lehnte die
Bewilligung eines Umwandlungsverfahrens für Rohformen von
Wolfram oder Molybdän, wie gesinterte Blöcke, Stangen
oder Granalien, ab.
Auf die erhobene Klage verpflichtete das
Finanzgericht (FG) dagegen das HZA, die beantragte Bewilligung zu
erteilen. Das FG urteilte, dass die wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Bewilligung des Umwandlungsverfahrens
erfüllt seien, weil die gesinterten Stangen durch das
beabsichtigte manuelle Zerschlagen zu Abfällen und Schrott
verarbeitet würden. Durch das Zerschlagen der gesinterten
Stangen würden diese endgültig unbrauchbar gemacht, weil
damit ihre Weiterverarbeitung zu Blechen, Stangen oder Drähten
ausgeschlossen werde.
Mit seiner Revision macht das HZA geltend,
dass es sich bei gesinterten Metallstangen zum einen nicht um
„Waren aus Metall“ i.S. der Anm. 8 a zu Abschn. XV der
Kombinierten Nomenklatur (KN), sondern um Rohprodukte handele. Zum
anderen handele es sich bei den gesinterten Metallstangen auch nach
dem Zerschlagen immer noch um die Rohform des jeweiligen Metalls
der Unterpos. 8101 94 00 KN bzw. der Unterpos. 8102 94 00
KN.
II. Der Senat setzt das Verfahren aus und
ersucht den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft um eine Auslegung der Vorschriften,
von denen die Entscheidung des Rechtsstreits abhängt.
1. „Nur gesinterte“
Wolfram- oder Molybdänstangen sind in die Unterpos. 8101 94 00
bzw. Unterpos. 8102 94 00 KN einzureihen. Aus diesen Metallen
bestehende Abfälle und Schrott sind in die Unterpos. 8101 97
00 bzw. Unterpos. 8102 97 00 KN einzureihen.
Abfälle und Schrott aus Metall fallen
nach der Anm. 8 a zu Abschn. XV KN beim Be- oder Verarbeiten von
Metallen an oder es sind Waren aus Metall, die durch Bruch,
Verschnitt, Verschleiß oder aus anderen Gründen als
solche endgültig unbrauchbar sind.
Nach Art. 552 Abs. 1 Unterabs. 1 der
Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZKDVO) i.V.m. Lfd. Nr. 2
des Anhangs 76 Teil A ZKDVO gelten für die Umwandlung von
Waren aller Art zu Abfällen die wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Bewilligung eines
Umwandlungsverfahrens (Art. 133 Buchst. e des Zollkodex) als
erfüllt.
Nach Art. 551 Abs. 1 Unterabs. 1 ZKDVO ist das
Umwandlungsverfahren nur für Waren anwendbar, deren Umwandlung
zu Erzeugnissen führt, für die niedrigere
Einfuhrabgabenbeträge gelten als für die
Einfuhrwaren.
Da es im vorliegenden Fall nicht streitig ist,
dass die übrigen Voraussetzungen für die Bewilligung
eines Umwandlungsverfahrens erfüllt sind, wäre der
Klägerin die beantragte Bewilligung zu erteilen, wenn die
eingeführten nur gesinterten Wolfram- oder
Molybdänstangen der Unterpos. 8101 94 00 bzw. Unterpos. 8102
94 00 KN (gegenwärtiger Zollsatz 5 % bzw. 3 %), nachdem sie
zerbrochen oder zerschlagen worden sind, Schrott der Unterpos. 8101
97 00 bzw. Unterpos. 8102 97 00 KN (Zollsatz frei) wären.
2. Nach den Erläuterungen zum
Harmonisierten System (ErlHS) zur Pos. 8101 Rz. 01.0 wird Wolfram
als pulverförmiges Metall gewonnen, das entweder zu
Rohblöcken (Ingots) oder zu Stangen gepresst wird, die im
Elektroofen gesintert werden und die anschließend mechanisch
gehämmert und durch Walzen oder Ziehen zu Blechen, zu Stangen
mit geringerer Querschnittsabmessung oder zu Draht
weiterverarbeitet werden. Am häufigsten wird das Metall als
Ferrowolfram bei der Herstellung von Sonderstählen verwendet
(ErlHS zur Pos. 8101 Rz. 04.1).
Molybdän wird entweder in kompaktem
Zustand oder als Pulver gewonnen, das nach dem gleichen Verfahren
wie Wolfram bearbeitet werden kann (ErlHS zur Pos. 8102 Rz. 01.0).
Ebenso wie Wolfram wird das Metall u.a. als Ferromolybdän bei
der Stahlherstellung verwendet (ErlHS zur Pos. 8102 Rz. 04.0).
3. Der beschließende Senat geht davon
aus, dass die genannten Metalle in ihrer Rohform nicht durch
Zerbrechen oder Zerschlagen zu Schrott umgewandelt werden
können. Wird ein aus reinem Wolfram bzw. Molybdän
bestehender Ingot zerschlagen, so sind die dabei entstehenden
Bruchstücke nach wie vor das Metall in seiner Rohform und
nicht Schrott. Dem entspricht die Argumentation des HZA, wonach der
Wortlaut der Pos. 8101 und 8102 KN zwischen Wolfram bzw.
Molybdän einerseits und Waren daraus andererseits
unterscheidet und nach der Anm. 8 a zu Abschn. XV KN das
endgültige Unbrauchbarmachen nur für Waren aus Metall,
nicht aber für das Metall selbst in Betracht kommt.
Zu den Unterpos. 8101 94 00 und 8102 94 00 KN
gehören allerdings nicht nur die genannten Metalle in ihrer
Rohform, sondern auch aus diesen Metallen bestehende gesinterte
Stangen. Der beschließende Senat hält es für
zweifelhaft, ob dem Wortlaut dieser Unterpositionen zu entnehmen
ist, dass „nur gesinterte“ Metallstangen, obwohl
sie aus einer ersten Bearbeitung des Metalls hervorgegangen sind,
mit der Rohform des jeweiligen Metalls gleichzusetzen sind (so
offenbar ErlHS zur Pos. 8101 Rz. 10.0) mit der Folge, dass auch das
Zerbrechen oder Zerschlagen der gesinterten Stangen nicht zu ihrer
Umwandlung zu Schrott der Unterpos. 8101 97 00 bzw. 8102 97 00 KN
führen kann, oder ob „nur gesinterte“
Metallstangen, obwohl sie in derselben Unterposition wie das Metall
in seiner Rohform aufgeführt sind, bereits Waren aus Metall
darstellen, die durch Zerbrechen oder Zerschlagen ihrer
Verwendungsmöglichkeiten verlustig gehen können.
4. Sollte von der letztgenannten Auslegung
auszugehen sein, würde sich die weitere nach Ansicht des
beschließenden Senats zweifelhafte Frage stellen, ob
„nur gesinterte“ Stangen aus Wolfram bzw.
Molybdän durch Zerbrechen oder Zerschlagen zu Schrott
umgewandelt werden, weil dadurch - wie seitens der Klägerin
vorgetragen und vom FG angenommen - ihre Weiterverarbeitung zu
Blechen, Stangen oder Drähten ausgeschlossen wird, oder ob die
auch nach dem Zerbrechen oder Zerschlagen weiterhin bestehende
alleinige Verwendungsmöglichkeit der gesinterten
Bruchstücke zum Einschmelzen bei der Stahlherstellung die
Annahme ausschließt, dass die vormaligen Stangen nunmehr i.S.
der Anm. 8 a zu Abschn. XV KN „als solche endgültig
unbrauchbar“ sind.