Hinzuerwerb von Grund und Boden zu Gebäude in den Neuen Ländern, Einheitsbewertung: 1. Wurde in der DDR nach Überführung des zu einem bebauten Grundstück gehörenden Grund und Bodens in "Eigentum des Volkes" das Gebäude veräußert und sodann dem Erwerber durch Zurechnungsfortschreibung der bisher für das Grundstück samt Gebäude festgestellte Einheitswert zugerechnet, setzte sich die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens nicht im Grund und Boden, sondern im Gebäude fort. - 2. Erwirbt der Gebäudeeigentümer nach dem Inkrafttreten des Einigungsvertrages den Grund und Boden hinzu, bestimmen sich die Wertfortschreibungsgrenzen nach dem mit der Zurechnungsfortschreibung fortgeführten, inzwischen noch nicht geänderten Einheitswert. - Urt.; BFH 1.2.2007, II R 52/05; SIS 07 21 28
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger), Eheleute, kauften im Jahr 1987 ein im späteren
Beitrittsgebiet gelegenes Wohnhaus auf einem im „Eigentum des
Volkes“ stehenden Grundstück, an dem sie ein
Nutzungsrecht erhielten. Die seinerzeit zuständige
Behörde der DDR rechnete daraufhin durch
Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1988 das als
„Einfamilienhaus“ bezeichnete Gebäude mit einem
Einheitswert von 4.950 Mark der DDR den Klägern zu und setzte
den Grundsteuermessbetrag auf der Grundlage dieses Einheitswerts
fest. Der Einheitswert von 4.950 Mark der DDR für das damals
den Grund und Boden und das Gebäude umfassende Grundstück
war auf der Grundlage des Brandkassenwerts bereits zum 1.1.1935 in
RM festgestellt worden.
Nach der Herstellung der staatlichen
Einheit Deutschlands erließ der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) gegenüber den
Klägern im Wege der Neuveranlagung einen
Grundsteuermessbescheid auf den 1.1.1991, durch den der
Grundsteuermessbetrag für das „Einfamilienhaus“
auf der Grundlage des auf den 1.1.1935 festgestellten Einheitswerts
von „4.950 DM“ berechnet wurde.
Die Stadt ... wurde am 3.10.1990
Eigentümerin des bisher „volkseigenen“ Grund und
Bodens; 1997 kauften ihn die Kläger von der Stadt.
Das FA hob daraufhin mit gegenüber den
Klägern erlassenem Bescheid vom 20.4.1998 den Einheitswert
für das diesen zugerechnete „Grundstück“ auf
den 1.1.1998 auf und führte aus, bisher seien als Einheitswert
4.950 DM und als Art „Einfamilienhaus auf fremdem Grund und
Boden“ festgestellt gewesen. Zugleich erließ das FA
gegenüber der Stadt einen Einheitswertbescheid -
Nachfeststellung auf den 1.1.1991 -, mit dem es für das
„unbebaute Grundstück“ einen Einheitswert von
1.700 DM feststellte. Ausgehend von diesem Bescheid rechnete das FA
mit Einheitswertbescheid vom 20.5.1998 - Wert-, Art- und
Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1998 - das Grundstück
einschließlich Gebäude den Klägern je zur
Hälfte zu und stellte die Grundstücksart
„Einfamilienhaus“ und einen Einheitswert von 8.600 DM
fest.
Die Einsprüche gegen den
Aufhebungsbescheid vom 20.4.1998 und den Einheitswertbescheid vom
20.5.1998 blieben erfolglos. Während des Klageverfahrens
erließ das FA nach § 182 der Abgabenordnung (AO)
gegenüber den Klägern als Rechtsnachfolgern der Stadt
einen Bescheid über die Nachfeststellung des Einheitswerts
für das „unbebaute Grundstück“ auf den
1.1.1991, der inhaltlich dem der Stadt gegenüber ergangenen
Bescheid vom 20.4.1998 entsprach.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit
der die Kläger die Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom
20.4.1998 und die Herabsetzung des im Bescheid vom 20.5.1998
festgestellten Einheitswerts auf 4.950 DM begehrt hatten, durch das
in EFG 2006, 15 = SIS 06 00 68 veröffentlichte Urteil mit der
Begründung ab, der Aufhebungsbescheid beziehe sich auf die
ursprünglich auf den 1.1.1935 erfolgte Feststellung eines
Einheitswerts von 4.950 RM. Dieser Einheitswert habe zwar sowohl
den Grund und Boden als auch das Gebäude umfasst, weil die
Aufspaltung in zwei wirtschaftliche Einheiten erst später
erfolgt sei. Mit der nur auf den Grund und Boden bezogenen
Nachfeststellung auf den 1.1.1991 sei aber die Trennung der
wirtschaftlichen Einheiten erstmals für die Einheitsbewertung
nachvollzogen worden, so dass es hinsichtlich der
ursprünglichen Feststellung u.a. einer Artfortschreibung in
„Gebäude auf fremdem Grund“ bedurft hätte.
Diese sei jedoch im Hinblick auf § 132 Abs. 2 Satz 1 des
Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. § 42 des Grundsteuergesetzes
(GrStG) unterblieben.
Die wirtschaftliche Einheit
„Gebäude auf fremdem Grund und Boden“ sei mit dem
Erwerb des Grund und Bodens durch die Kläger weggefallen. Der
Einheitswert für diese wirtschaftliche Einheit sei daher nach
§ 24 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 BewG auf den Beginn des Jahres
1998 aufzuheben gewesen. Bestehen geblieben sei demgegenüber
die wirtschaftliche Einheit „Grund und Boden“. Die in
§ 22 Abs. 1 BewG bestimmten Grenzen für eine
Wertfortschreibung seien ausgehend von dem für den Grund und
Boden festgestellten Einheitswert erreicht. Das sei entscheidend.
Bedenken gegen die Höhe des im Bescheid vom 20.5.1998
festgestellten Einheitswerts bestünden nicht.
Mit der Revision machen die Kläger
geltend, der Aufhebungsbescheid sei zu Unrecht ergangen. Die
wirtschaftliche Einheit „Einfamilienhaus“ sei nicht
weggefallen, sondern nur um das Eigentum am Grund und Boden
ergänzt worden. Der auf den 1.1.1935 festgestellte
Einheitswert habe bereits den Grund und Boden und das Gebäude
umfasst und sei der Prüfung, ob die Wertgrenzen des § 22
Abs. 1 BewG erreicht seien, zugrunde zu legen. Die für eine
Wertfortschreibung erforderliche Abweichung um mindestens 5.000 DM
nach oben sei daher nicht gegeben.
Die Kläger beantragen, die
Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung vom 1.9.1998 und den
Aufhebungsbescheid vom 20.4.1998 aufzuheben und den im Bescheid vom
20.5.1998 festgestellten Einheitswert auf 4.950 DM
herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der
Einspruchsentscheidung vom 1.9.1998, des Aufhebungsbescheids vom
20.4.1998 und des Einheitswertbescheids vom 20.5.1998, soweit er
die Wertfortschreibung betrifft (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Die Klage ist insgesamt zulässig. Die
im Bescheid vom 20.4.1998 erfolgte Aufhebung der
Einheitswertfeststellung belastet die Kläger bei isolierter
Betrachtung zwar nicht. Der Bescheid steht aber in einem
untrennbaren Zusammenhang mit dem Einheitswertbescheid vom
20.5.1998 und beschwert sie daher (§ 40 Abs. 2 FGO).
2. Die Klage ist auch begründet. Das FG
hat zu Unrecht angenommen, dass der Aufhebungsbescheid vom
20.4.1998 und die Wertfortschreibung im Bescheid vom 20.5.1998
rechtmäßig seien.
a) Der Aufhebungsbescheid kann weder auf
§ 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG noch auf eine andere Vorschrift
gestützt werden.
aa) Nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 BewG wird der
Einheitswert aufgehoben, wenn dem FA bekannt wird, dass die
wirtschaftliche Einheit wegfällt. Aufhebungszeitpunkt ist in
diesem Fall der Beginn des Kalenderjahres, das auf den Wegfall der
wirtschaftlichen Einheit folgt (§ 24 Abs. 2 BewG). Diese
Vorschrift gilt nach § 129 Abs. 2 BewG auch für
Grundstücke im Beitrittsgebiet.
bb) Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 1
Nr. 1 BewG sind nicht erfüllt. Durch den Erwerb des Grund und
Bodens durch die Kläger ist die wirtschaftliche Einheit
„Einfamilienhaus“ nicht weggefallen. Sie hat
vielmehr als bebautes Grundstück fortbestanden und lediglich
ihre Eigenschaft als Gebäude auf fremdem Grund und Boden
verloren. Weggefallen ist hingegen die wirtschaftliche Einheit
„unbebautes Grundstück“. Dies ergibt sich
aus folgenden Erwägungen:
Die Überführung des Grund und Bodens
in „Eigentum des Volkes“ konnte theoretisch wie
folgt beurteilt werden:
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Entstehung von zwei neuen, je für sich zu
bewertenden wirtschaftlichen Einheiten, nämlich
„unbebautes Grundstück“ und „Gebäude
auf fremdem Grund und Boden“;
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Fortbestand der ursprünglichen
wirtschaftlichen Einheit in der wirtschaftlichen Einheit
„unbebautes Grundstück“ und Entstehung einer neuen
wirtschaftlichen Einheit „Gebäude auf fremdem Grund und
Boden“;
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Fortbestand der ursprünglichen
wirtschaftlichen Einheit in der wirtschaftlichen Einheit
„Gebäude auf fremdem Grund und Boden“ und
Entstehung einer neuen wirtschaftlichen Einheit „unbebautes
Grundstück“.
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Die seinerzeit zuständige Behörde
der DDR ging von der zuletzt genannten Möglichkeit aus und
nahm daher nach dem Erwerb des Gebäudes durch die Kläger
lediglich eine Zurechnungsfortschreibung vor. Den ursprünglich
auf den 1.1.1935 festgestellten Einheitswert führte sie
unverändert und als für das Gebäude maßgebend
fort.
Dieser bewertungsrechtliche Vorrang des
Gebäudes bei der Aufspaltung des Eigentums am bebauten
Grundstück beruhte auf der seinerzeit in der DDR geltenden
Rechtslage. Der im „Eigentum des Volkes“
stehende Grund und Boden unterlag weder der Grundsteuer noch
sonstigen einheitswertabhängigen Steuern (Erbschaft-,
Schenkung- und Vermögensteuer). Der ursprünglich für
das bebaute Grundstück festgestellte Einheitswert wurde daher
in voller Höhe auf das Gebäude bezogen und sowohl der
Grundsteuer als auch ggf. den sonstigen einheitswertabhängigen
Steuern zu Grunde gelegt.
Das FA schloss sich dieser Sachbehandlung an
und setzte deshalb den Grundsteuermessbetrag auf den 1.1.1991
gegenüber den Klägern für deren
„Einfamilienhaus“ auf der Grundlage des zum
1.1.1935 festgestellten, nach § 129 Abs. 1 BewG fortgeltenden
Einheitswerts von „4.950 DM“ fest. Dem
Aufhebungsbescheid vom 20.4.1998 lag ebenfalls die Auffassung zu
Grunde, dass sich die ursprüngliche wirtschaftliche Einheit in
dem Gebäude auf fremdem Grund und Boden fortgesetzt habe,
deshalb der auf den 1.1.1935 festgestellte Einheitswert für
das „Einfamilienhaus“ der Kläger
maßgebend gewesen und daher nunmehr aufzuheben sei.
Hätte das FA angenommen, dass die ursprüngliche
wirtschaftliche Einheit nach der Überführung des Grund
und Bodens in „Eigentum des Volkes“ in dem
„unbebauten Grundstück“ fortbestanden habe
und demgemäß der auf den 1.1.1935 festgestellte
Einheitswert für diese wirtschaftliche Einheit maßgebend
sei, hätte es für den Grund und Boden gegenüber der
Stadt statt der Nachfeststellung (§ 23 BewG) auf den 1.1.1991
gemäß § 22 Abs. 1 BewG eine Wertfortschreibung
vornehmen müssen.
Aufgrund der Besonderheiten der Rechtslage und
der tatsächlichen Handhabung der Bewertung in der DDR hatte
das Gebäude bei der (erneuten) Vereinigung des Eigentums am
Gebäude und am Grund und Boden in der Hand der Kläger
bewertungsrechtlich ebenfalls Vorrang. Die in dem Gebäude
bestehende wirtschaftliche Einheit setzte sich in der nunmehr aus
dem Grund und Boden und dem Haus bestehenden wirtschaftlichen
Einheit fort. Eine gesetzliche Grundlage für die vom FA
vorgenommene Aufhebung des Einheitswerts gibt es daher nicht.
b) Die im Bescheid vom 20.5.1998 vorgenommene
Wertfortschreibung ist zu Unrecht erfolgt. Die in § 22 Abs. 1
BewG bestimmten Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung
sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift, die
gemäß § 129 Abs. 2 BewG auch für
Grundstücke im Beitrittsgebiet gilt, scheidet eine
Wertfortschreibung nach oben aus, wenn der in DM ermittelte und auf
volle hundert DM abgerundete Wert, der sich für den Beginn
eines Kalenderjahres ergibt, von dem entsprechenden Wert des
letzten Feststellungszeitpunkts nicht um mindestens 5.000 DM nach
oben abweicht. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht
erfüllt.
Bei der Prüfung, ob die in § 22 Abs.
1 BewG bestimmte Grenze erreicht ist, ist von dem für das
„Einfamilienhaus“ der Kläger zuletzt
maßgebenden Einheitswert von 4.950 DM auszugehen, da sich die
in dem Gebäude bestehende wirtschaftliche Einheit in der
nunmehr aus dem Grund und Boden und dem Haus bestehenden
wirtschaftlichen Einheit fortgesetzt hat. Der für die
wirtschaftliche Einheit „unbebautes
Grundstück“ festgestellte Einheitswert ist insoweit
ohne Bedeutung, da diese durch den Erwerb des Grund und Bodens
durch die Kläger weggefallen ist. Es spielt danach keine
Rolle, dass ein Gebäude auf fremdem Grund und Boden lediglich
als Grundstück im bewertungsrechtlichen Sinn
„gilt“ (§ 70 Abs. 3 BewG, für das
Beitrittsgebiet § 129 Abs. 2 Nr. 1 BewG i.V.m. § 50 Abs.
3 des Bewertungsgesetzes der Deutschen Demokratischen
Republik).
Soweit die Finanzverwaltung die Auffassung
vertritt, dass bei einem Erwerb des Grund und Bodens durch den
Eigentümer des Gebäudes der Einheitswert der
wirtschaftlichen Einheit des Grund und Bodens im Wege der Wert-,
Art- und Zurechnungsfortschreibung fortzuschreiben und ein für
das Gebäude bestehender Einheitswert aufzuheben sei (so
Abschn. 2.2 des im Einvernehmen mit den obersten
Finanzbehörden der Länder ergangenen Erlasses des
Thüringer Finanzministeriums vom 22.4.1996 22 G 1120
A-4-201.5, DStR 1996, 1167- vgl. SIS 96 14 62), kann dem jedenfalls
für Fälle der vorliegenden Art nicht gefolgt werden.
3. Da das FG von anderen Grundsätzen
ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Aufhebungsbescheid vom 20.4.1998 und der
Einheitswertbescheid vom 20.5.1998, soweit er die
Wertfortschreibung betrifft, sowie die Einspruchsentscheidung sind
aufzuheben. Die in dem Einheitswertbescheid enthaltene Art- und
Zurechnungsfortschreibung ist nicht angefochten und daher nicht
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.