Fischerei, Verkaufsbetrieb, InvZul: 1. Eine Verkaufseinrichtung, die in einem fischverarbeitenden Betrieb sowohl dem Verkauf im Betrieb verarbeiteter Produkte als auch nicht wesentlich veränderter Handelsware an private Haushalte dient, ist investitionszulagenbegünstigt, wenn der Einsatz für den Verkauf der verarbeiteten Produkte überwiegt. - 2. Von der Investitionszulage ausgeschlossener Einzelhandel im Fischerei- und Aquakultursektor ist die Beschaffung von Gütern durch Marktteilnehmer und deren Veräußerung ohne wesentliche Veränderung an private Haushalte. - Urt.; BFH 19.10.2006, III R 51/04; SIS 07 04 46
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) stellte für das
Streitjahr 2000 einen Antrag auf Investitionszulage für die
Anschaffung eines Verkaufsmobils zum Preis von 85.838 DM.
Unternehmensgegenstand der Klägerin ist die Verarbeitung und
der Handel mit Fisch. Nach ihren Angaben beträgt der
Warenanteil der zur Weiterverarbeitung bestimmten Produkte 67,94
v.H. der gesamten bezogenen Ware. Sie gab ferner an, sie stelle
Räucherfische, Bratfische, Rollmöpse, Fischsalate, Graved
Lachs, Trockenfisch, Fischfilets, Fischbouletten und Fischplatten
her. Einige Fischsorten würden lebend angeliefert,
anschließend geschlachtet, gewaschen, filetiert und
portioniert. Vor dem Räuchern würden die Fische gesalzen
und mit anderen Gewürzen versehen. Der überwiegende Teil
der Ware werde auf Eis bzw. gefrostet angeliefert. Nach
entsprechender Vor- und Zubereitung werde ein Großteil
gesalzen und geräuchert. Das Verkaufsmobil diene dem Vertrieb
der Fischereierzeugnisse, die zum überwiegenden Teil in der
vorgenannten Weise von ihr, der Klägerin, verarbeitet worden
seien.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) setzte die Investitionszulage mit der
Begründung auf Null DM fest, es handele sich um eine
Investition in einem sensiblen Sektor i.S. von § 2 Abs. 2 Satz
2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 i.V.m. Nr. 6 der
Anlage 1 zu dieser Vorschrift.
Der Einspruch und die Klage blieben ohne
Erfolg. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in EFG 2005, 808 =
SIS 05 10 95 veröffentlicht ist, führte im Wesentlichen
aus: Der Betrieb der Klägerin sei zwar dem verarbeitenden
Gewerbe i.S. von § 2 Abs. 2 Satz 1 InvZulG 1999 zuzuordnen.
Die Anschaffung des Verkaufsmobils sei jedoch nach § 2 Abs. 2
Satz 2 InvZulG 1999 i.V.m. der Anlage 1 dazu sowie i.V.m. den
Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen
Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. C 100/12 vom
27.3.1997, BStBl I 2000, 1003) und Anhang III Nr. 2.4. Buchst. a
der Verordnung (EWG) Nr. 3699/93 (VO Nr. 3699/93) vom 21.12.1993
(ABlEG Nr. L 346/1 vom 31.12.1993) als Investition für den
Einzelhandel nicht begünstigt. Denn von der Förderbarkeit
seien nicht Einzelhandelsunternehmen ausgeschlossen, sondern
Investitionen für die Einzelhandelstätigkeit. Die letzte
Stufe der Vermarktung, die Abgabe an den Endverbraucher, sei aus
dem Kreis der begünstigten Tätigkeiten
ausgenommen.
Mit der Revision trägt die
Klägerin insbesondere vor: Entgegen der Auffassung des FG sei
von der Förderung nur der reine Einzelhandelsbetrieb, nicht
aber der verarbeitende Betrieb, der - wie sie, die Klägerin -
Direktvermarktung betreibe, ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung gemäß § 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Entgegen der
Auffassung des FG sind bei einem fischverarbeitenden Betrieb, der
neben selbst verarbeiteten Fischereiprodukten auch nicht wesentlich
veränderte Fischereiprodukte an private Haushalte
veräußert, nur diejenigen Wirtschaftsgüter von der
Investitionszulagenförderung ausgeschlossen, die
überwiegend der Veräußerung nicht wesentlich
veränderter Produkte an Privathaushalte dienen.
1. Nach § 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
InvZulG 1999 wird u.a. die Anschaffung beweglicher
Wirtschaftsgüter gefördert, die mindestens fünf
Jahre nach ihrer Anschaffung in einem Betrieb des verarbeitenden
Gewerbes verbleiben. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 ist
eine Investition jedoch nur begünstigt, soweit die
Förderbarkeit in den sensiblen Sektoren, die in der Anlage 1
zu § 2 Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1999 aufgeführt sind, nicht
ausgeschlossen ist.
Nach Nr. 6 der Anlage 1 rechnen zu den
sensiblen Sektoren der Fischerei- und Aquakultursektor im Sinne der
Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen
Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor. Nach Nr. 2.3. Satz 1
Buchst. a dieser Leitlinien können Investitionsbeihilfen
für die Bearbeitung, Verarbeitung und Vermarktung von
Fischereierzeugnissen als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar
angesehen werden, wenn die Bedingungen für die
Beihilfegewährung mit denen der VO Nr. 3699/93 vergleichbar
und mindestens ebenso streng sind. Nach Art. 11 Abs. 1 dieser
Verordnung können unter den in Anhang III der Verordnung
genannten Bedingungen Maßnahmen getroffen werden, um
Sachinvestitionen u.a. im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung
von Erzeugnissen der Fischerei und der Aquakultur zu
fördern.
Gemäß Nr. 2.4. Buchst. a 2.
Spiegelstrich des Anhangs III ist u.a. der Erwerb neuer, für
die Verarbeitung und Vermarktung von Erzeugnissen der Fischerei und
der Aquakultur von der Anlandung bis zum Stadium des Endprodukts
erforderlichen Ausrüstungen und Anlagen zuschussfähig.
Nicht zuschussfähig sind Investitionen für den
Einzelhandel (Nr. 2.4. Buchst. b 2. Spiegelstrich).
2. Die Beteiligten gehen mit dem FG
übereinstimmend davon aus, dass der Betrieb der Klägerin
dem verarbeitenden Gewerbe angehört, da die Wertschöpfung
aus der Fischverarbeitung die aus der Handelstätigkeit
übersteigt. Ferner besteht kein Streit darüber, dass das
von der Klägerin angeschaffte Verkaufsfahrzeug
grundsätzlich die Fördervoraussetzungen nach § 2
Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 erfüllt.
a) Da die Klägerin, die in ihrem Betrieb
überwiegend Fischereierzeugnisse verarbeitet, mit dem
angeschafften Verkaufsfahrzeug Erzeugnisse der Fischerei vertreibt,
hängt die Zulagenbegünstigung davon ab, ob es sich um
eine begünstigte Investition für die Verarbeitung und
Vermarktung von Fischereierzeugnissen i.S. von Nr. 2.4. Buchst. a
2. Spiegelstrich handelt oder ob eine von der Begünstigung
ausgeschlossene Investition für den Einzelhandel i.S. von Nr.
2.4. Buchst. b 2. Spiegelstrich des Anhangs III vorliegt, die die
Begünstigung unter dem Gesichtspunkt der Vermarktung
ausschließt.
b) Nach den Angaben der Klägerin im
Klageverfahren dient das Verkaufsmobil dem Vertrieb von ihr
erworbener Fischereierzeugnisse. Sie hat ausgeführt, die
verkaufte Ware werde zum überwiegenden Teil vorher von ihr zu
Räucherfischen usw. verarbeitet.
aa) Das FG geht davon aus, von der
Förderbarkeit ausgeschlossener Einzelhandel liege auch vor,
soweit die Klägerin die von ihr bezogene Ware vor der
Veräußerung verarbeite. Diese Auslegung widerspricht dem
Begriff des Einzelhandels i.S. des Anhangs III Nr. 2.4. Buchst. b
2. Spiegelstrich zu der VO Nr. 3699/93. Im Allgemeinen wird unter
Einzelhandel die Beschaffung von Gütern durch Marktteilnehmer,
die sie in der Regel nicht selbst be- oder verarbeiten, und deren
Weiterveräußerung an private Haushalte verstanden
(Brockhaus, Enzyklopädie, 27. Aufl., 2006
„Einzelhandel“). Dies deckt sich mit der
Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 1993 (WZ 93). Nach
3.5 der Vorbemerkungen der WZ 93 unter Abschnitt G liegt Handel
vor, wenn die Waren nicht wesentlich verändert, sondern
lediglich der im Handel üblichen Behandlung
(handelsübliche Manipulation) unterzogen werden. Zur
handelsüblichen Manipulation, die die wesentliche
Beschaffenheit der Ware nicht beeinträchtigt, zählen z.B.
Sortieren, Trennen, Zusammenstellen und Verpacken. Einzelhandel
besteht darin, Waren im eigenen Namen auf eigene oder fremde
Rechnung vorwiegend an private Haushalte zu verkaufen (ähnlich
WZ 2003, Vorbemerkungen unter G).
Dem FG ist zuzugeben, dass die Regelung in
Anhang III Nr. 2.4. zu der VO Nr. 3699/93 nicht nach der
Zugehörigkeit zu einem begünstigten Wirtschaftszweig
unterscheidet, sondern nach der Art der Tätigkeit, für
die die Investition vorgenommen wird. Denn die als
zuschussfähig bzw. nicht zuschussfähig aufgeführten
Bereiche entsprechen nicht den Kategorien, die nach dem InvZulG
1999 i.V.m. der WZ 93 für die Zuordnung zu den
begünstigten Wirtschaftszweigen maßgebend sind (Urteil
des Senats vom 20.2.2003 III R 29/01, BFHE 201, 571, BStBl II 2003,
529 = SIS 03 25 04). Von der Förderung ausgeschlossen ist
damit aber lediglich die Einzelhandelstätigkeit im oben
dargelegten Sinne. Einem im Bereich der Verarbeitung und
Vermarktung von Fischereierzeugnissen tätigen
Steuerpflichtigen, der neben Verarbeitung auch Handel betreibt und
der wegen des überwiegenden Anteils an der Wertschöpfung
in der Verarbeitung dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist,
steht daher für Investitionen in Wirtschaftsgüter, die
nicht überwiegend dem Bereich der Verarbeitung bzw. anderen
nicht von der Förderung ausgeschlossener Bereiche wie z.B.
auch dem Großhandel dienen, sondern überwiegend in dem
Bereich des nicht begünstigten Einzelhandels eingesetzt
werden, keine Investitionszulage zu.
Ein schädlicher Einsatz eines
Wirtschaftsguts im Bereich des von der Zulagenförderung
ausgeschlossenen Einzelhandels liegt nur vor, wenn der Einsatz im
von der Förderung umfassten Bereich nicht überwiegt, d.h.
50 v.H. nicht übersteigt. Ein ausschließlicher oder
nahezu ausschließlicher Einsatz im begünstigten Bereich
ist nicht erforderlich. Denn der Förderzweck wird bereits dann
hinreichend verwirklicht, wenn das betreffende Wirtschaftsgut
überwiegend den begünstigten Zwecken dient.
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG,
wegen des Abstellens auf die unternehmerische Tätigkeit sei
nicht begünstigter Einzelhandel auch anzunehmen, soweit der
Steuerpflichtige von ihm be- oder verarbeitete Waren an Endabnehmer
veräußert. Für eine ausweitende Auslegung des
Begriffs des Einzelhandels in diesem Sinne ist kein Grund
ersichtlich. Es widerspräche dem Zweck der Förderung des
verarbeitenden Gewerbes, Betriebe, die ihre selbst verarbeiteten
Produkte an den Endverbraucher statt z.B. an den Großhandel
absetzen, mit Investitionen im Bereich des Verkaufs von der
Förderung auszuschließen.
bb) Hiervon ausgehend kommt für das von
der Klägerin angeschaffte Verkaufsmobil eine
Investitionszulage in Betracht, sofern dieses während des
Verbleibenszeitraums überwiegend, d.h. zu mehr als 50 v.H.,
dem begünstigten Bereich i.S. von 2.4. Buchst. a des Anhangs
III zu der VO Nr. 3699/93 gedient hat. Dazu dürfte im
Streitfall in erster Linie die Veräußerung von Ware, die
die Klägerin selbst be- oder verarbeitet hat, rechnen. Hat die
Klägerin dagegen das Fahrzeug überwiegend, d.h. zu mehr
als 50 v.H., für den Verkauf von Fischereierzeugnissen, die
sie nicht oder nicht wesentlich verändert bzw. lediglich der
im Handel üblichen Manipulation unterzogen hat, an
Endverbraucher eingesetzt, scheidet die Zulagenbegünstigung
aus.
cc) Die Feststellungen des FG reichen nicht
aus, um zu entscheiden, ob die Fördervoraussetzungen im
Streitfall gegeben sind. Nach den Angaben der Klägerin im
Klageverfahren werden mit dem Verkaufsmobil nicht nur von ihr
verarbeitete Fischprodukte vertrieben, sondern auch zugekaufte
Handelsware, die lediglich gewaschen, filetiert oder portioniert
wird. Das FG hat indes nicht festgestellt, welchen Umfang der dem
Einzelhandel im dargelegten Sinne zuzurechnende Vertrieb nicht von
der Klägerin bearbeiteter Handelsware hat. Bei den von der
Klägerin angegebenen Bearbeitungen (Herstellung von
Räucherfischen, Bratheringen usw.) dürfte es sich um
Maßnahmen handeln, die über handelsübliche
Manipulationen hinausgehen. Gleichwohl könnten auch in diesem
Bereich zu einem gewissen Teil lediglich unwesentliche
Veränderungen vorliegen, die möglicherweise dem Bereich
des Einzelhandels zuzuordnen sind.
c) Das FG wird im zweiten Rechtsgang
festzustellen haben, ob das Verkaufsmobil - gemessen an der
Wertschöpfung - von der Klägerin zu mehr als 50 v.H. im
Bereich des zulagenschädlichen Einzelhandels im oben
dargestellten Sinne eingesetzt worden ist.