Doppelte Haushaltsführung, innerörtlicher Umzug: Der berufliche Veranlassungszusammenhang einer doppelten Haushaltsführung wird nicht allein dadurch beendet, dass ein Steuerpflichtiger seinen Familienhausstand innerhalb des selben Ortes verlegt. - Urt.; BFH 4.4.2006, VI R 11/02; SIS 06 35 37
I. Nach seiner
Heirat im Jahre 1979 lebte der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) mit seiner Ehefrau in der gemeinsamen Familienwohnung
in X. Im Jahre 1986 nahm er eine Beschäftigung bei einer Firma
in L bei Waldshut-Tiengen auf. Die kürzeste Entfernung
zwischen Wohnort und Beschäftigungsort beträgt 90 km. Der
Kläger mietete deshalb in der Nähe seines
Beschäftigungsortes eine Zweitwohnung an.
Aufgrund
ehelicher Streitigkeiten verließ der Kläger im November
1988 die eheliche Wohnung und zog in die - in der Nähe
liegende, wenige Strassen entfernte - Wohnung seiner
Lebensgefährtin in X. In seinen
Einkommensteuer-Erklärungen für die Streitjahre 1991 und
1993 machte der Kläger Aufwendungen für doppelte
Haushaltsführung als Werbungskosten bei seinen Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Wie in den übrigen
Jahren seit 1989 lehnte es der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) ab, die Aufwendungen als Werbungskosten zu
berücksichtigen.
Die Klage
blieb erfolglos (vgl. SIS 02 89 15). Auch nach dem Umzug zu seiner
Lebensgefährtin im November 1988 habe der Kläger seinen
Lebensmittelpunkt weiterhin in X gehabt. Er habe sich auch an der
Führung des (neuen) Haupthausstandes in wesentlicher Weise
mitbeteiligt. Der Kläger habe jedoch durch den Auszug aus der
gemeinsamen ehelichen Wohnung die beruflich begründete
doppelte Haushaltsführung beendet. Die neu begründete
doppelte Haushaltsführung beruhe auf privaten
Gründen.
Mit der
Revision rügt der Kläger die fehlerhafte Anwendung
materiellen Rechts. Eine doppelte Haushaltsführung i.S. des
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG)
bestehe auch dann fort, wenn ein Steuerpflichtiger aus der
gemeinsamen Ehewohnung ausziehe und in eine nur wenige
Straßen weiter gelegene Wohnung seiner gleichfalls
berufstätigen Lebensgefährtin einziehe. Es sei
unbeachtlich, aus welchen Gründen eine beruflich veranlasste
doppelte Haushaltsführung beibehalten werde. Eine steuerlich
anzuerkennende doppelte Haushaltsführung bestehe auch dann
fort, wenn es am Ort des Lebensmittelpunktes zu einem notwendigen
Wechsel der Familienwohnung komme. Die Vorinstanz habe zu Unrecht
die Auffassung vertreten, die Verlegung des Wohnsitzes am Heimatort
wegen Beendigung der Ehe führe dazu, dass eine steuerlich
anzuerkennende doppelte Haushaltsführung beendet
werde.
Der
Kläger beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung -
soweit es die Streitjahre 1991 und 1993 betrifft - aufzuheben und
die streitigen Mehraufwendungen wegen doppelter
Haushaltsführung anzuerkennen.
Das FA
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die
Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung - soweit es die Streitjahre betrifft
- und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht - FG
- (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -
).
1.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG sind
Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem
Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten
doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte
Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer
außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand
unterhält, beschäftigt ist und auch am
Beschäftigungsort wohnt. Erforderlich für eine doppelte
Haushaltsführung ist demnach eine Aufsplitterung der
normalerweise einheitlichen Haushaltsführung auf zwei
verschiedene Haushalte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 29.11.1974 VI R 77/73, BFHE 115, 23, BStBl II 1975, 459 = SIS 75 02 74).
Der Senat
tritt dem FG nicht darin bei, der Umzug des Klägers habe zu
einer aus privaten Gründen veranlassten doppelten
Haushaltsführung geführt.
Es ist zwar
richtig, dass eine beruflich begründete doppelte
Haushaltsführung in eine privat veranlasste (wie auch
umgekehrt) übergehen kann. Eine bloße Verlegung des
Familienwohnsitzes bzw. des Haupthausstandes innerhalb eines Ortes
oder einer Gemeinde berührt indessen die berufliche Fortdauer
der doppelten Haushaltsführung grundsätzlich nicht (vgl.
Schmidt/ Drenseck, EStG, 25. Aufl., § 9 Rz. 152). Dies gilt
gleichermaßen für verheiratete, ledige als auch - wie
hier - für in Trennung befindliche Steuerpflichtige (zur
Gleichstellung vgl. auch BFH-Urteil vom 5.10.1994 VI R 62/90, BFHE
175, 430, BStBl II 1995, 180 = SIS 95 01 33).
Die Vorinstanz
hat ihre Auffassung auch damit begründet, der Steuerpflichtige
hätte (anlässlich der Trennung von seiner Ehefrau) an den
Beschäftigungsort ziehen können. Damit verkennt die
Vorinstanz, dass es sowohl nach der in den Streitjahren geltenden
Fassung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als auch nach dem
durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I
2003, 2645; BStBl I 2003, 710) wiederhergestellten Rechtszustand
unerheblich ist, aus welchen Gründen die doppelte
Haushaltsführung beibehalten wird. Damit ist klargestellt,
dass es nicht von Belang ist, wenn ein Steuerpflichtiger seine
Familienwohnung schlicht beibehält. Ebenso kommt es nicht
darauf an, ob (auch) persönliche Gründe für den
Steuerpflichtigen vorliegen, von einer vollständigen
Übersiedlung an den Beschäftigungsort
abzusehen.
Die doppelte
Haushaltsführung des Klägers wurde im Jahre 1986 aus
beruflichem Anlass begründet. Nach den vorgenannten
Grundsätzen wurde ihre berufliche Fortdauer nicht dadurch in
Frage gestellt, dass der Kläger seinen Haupthausstand in die
Wohnung seiner Lebensgefährtin am Ort seines
Lebensmittelpunktes verlegte. Insbesondere kann der Umzug am
bisherigen Wohnort auch nicht einer ggf. steuerschädlichen
Verlegung eines Haupthausstands weg vom Beschäftigungsort
gleichgestellt werden (vgl. auch Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9
Rz. 150).
Entgegen der
Auffassung des FG (und des FA) kann der im Streitfall gegebene
einheitliche Sachverhalt auch nicht dergestalt künstlich
aufgespaltet werden, dass mit dem Auszug aus der Familienwohnung
der berufliche Veranlassungszusammenhang der bisherigen doppelten
Haushaltsführung als beendet sowie die anschließende
Wohnungsnahme (bei der Lebensgefährtin) als privat veranlasst
angesehen wird. Vielmehr liegt nach wie vor die nämliche,
lediglich in unwesentlicher Weise modifizierte, beruflich
veranlasste doppelte Haushaltsführung vor (ebenso
Küttner/ Thomas, Personalbuch 2006, Stichwort: Doppelte
Haushaltsführung Rz. 22; Stark/Zimmer in Littmann/Bitz/Pust,
Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 9 Rn. 1063;
Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz. 385).
2. Die Sache ist nicht spruchreif. Da das FG -
von seinem Standpunkt aus zu Recht - zu den einzelnen vom
Kläger geltend gemachten Aufwendungen keine Feststellungen
getroffen hat, war die Sache an das FG zurückzuverweisen.