Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen im Erstjahr: Für die Anwendbarkeit der Regelung zur Berechnung der abziehbaren Vorsteuerbeträge nach Durchschnittssätzen gemäß § 23 a UStG ist im ersten Kalenderjahr der unternehmerischen Betätigung der voraussichtliche Umsatz dieses Jahres maßgebend. - Urt.; BFH 27.6.2006, V B 143/05; SIS 06 35 34
I. Streitig
ist, ob der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger),
ein nicht eingetragener Verein, im Gründungsjahr die
abziehbaren Vorsteuerbeträge nach § 23a des
Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) pauschal mit dem Durchschnittssatz
von 7 v.H. des steuerpflichtigen Umsatzes ansetzen
kann.
Der
Kläger wurde im Sommer 2002 gegründet. Er unterliegt
nicht der Buchführungspflicht. Satzungsmäßiger
Zweck ist die finanzielle Unterstützung ... sowie die
Förderung der Kultur. Er ist als eine Körperschaft i.S.
des § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes
(KStG) anerkannt.
Am 3.9.2002
veranstaltete der Kläger ein Benefizkonzert, bei dem er
Entgelte in Höhe von 141.799 EUR erzielte. In der
Umsatzsteuer-Voranmeldung für September 2002 stellte der
Kläger der Umsatzsteuer aus den Erlösen (7 v.H. von
141.799 EUR = 9.925,93 EUR) abziehbare Vorsteuerbeträge in
gleicher Höhe gemäß § 23a Abs. 1 Satz 1 UStG
gegenüber, so dass sich keine Zahllast ergab.
Der Beklagte
und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) erkannte in dem
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für September 2002 und in
dem nachfolgenden Umsatzsteuerbescheid für 2002 (Streitjahr)
vom 16.6.2004 den pauschalen Vorsteuerabzug nicht an. Er
berücksichtigte lediglich die tatsächlich angefallenen
Vorsteuerbeträge in Höhe von zusammen 5.646,80 EUR und
errechnete eine Zahllast in Höhe von 4.279,13 EUR (9.925,93
EUR abzüglich 5.646,80 EUR).
Einspruch und
Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur
Begründung aus, nach § 23a Abs. 2 UStG könne der
Unternehmer, dessen steuerpflichtiger Umsatz, mit Ausnahme der
Einfuhr, im vorangegangenen Kalenderjahr 30.678 EUR
überstiegen habe, den Durchschnittssatz nicht in Anspruch
nehmen. Der Kläger habe seine unternehmerische Tätigkeit
jedoch erst im Gründungsjahr 2002 aufgenommen, so dass auf den
steuerpflichtigen Umsatz des Vorjahres nicht zurückgegriffen
werden könne. Bei Aufnahme der unternehmerischen
Tätigkeit innerhalb des laufenden Kalenderjahres sei deshalb
der voraussichtliche Umsatz dieses Kalenderjahres
maßgebend.
Gegen dieses
Urteil hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Er
beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2.
Alternative FGO zuzulassen.
II. Die
Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.
1. Die
Revision kann nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der
Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen
werden.
a) Der
Kläger misst der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zu,
„ob § 23a Abs. 2 UStG im Gründungsjahr der
begünstigten Körperschaft die Anwendung des
Durchschnittssatzes auszuschließen vermag, obwohl im
vorangegangenen Kalenderjahr kein steuerpflichtiger Umsatz vorlag
und der Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr den in § 23a
Abs. 2 UStG genannten Betrag von 30.678 EUR mithin nicht
überstiegen hat“.
Er trägt
zur Begründung vor, die Frage sei - außer in dem
angefochtenen Urteil - in der Rechtsprechung bisher noch nicht
behandelt worden. Das vom FG zur Stützung seiner
Rechtsauffassung herangezogene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 19.2.1976 V R 23/73 (BFHE 118, 483, BStBl II 1976, 400 = SIS 76 02 11) sei zu § 19 UStG ergangen und angesichts des
unterschiedlichen Wortlauts der Vorschriften nicht auf § 23a
UStG anwendbar. Auch in der Literatur finde sich keine
überzeugende Begründung für die mit dem Wortlaut des
§ 23a Abs. 2 UStG nicht vereinbare Ansicht, in
Neugründungsfällen hänge die Anwendbarkeit des
§ 23a Abs. 1 UStG vom voraussichtlichen Umsatz im
Gründungsjahr ab.
b) Dieses
Vorbringen rechtfertigt eine Zulassung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO nicht.
aa)
„Grundsätzliche Bedeutung“ i.S. des §
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für
die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das
abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen
Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21.4.1999 I B
99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254 = SIS 99 14 35; vom
29.4.2004 V B 43/03, BFH/NV 2004, 1303 = SIS 04 33 26).
Die Zulassung
der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt lediglich wegen
einer Rechtsfrage in Betracht, die klärungsbedürftig und
im Revisionsverfahren klärbar ist. An der
Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf
die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und
Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich
so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also
eindeutig ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8.10.1996 V B 40/96,
BFH/NV 1997, 446; vom 18.1.2005 V B 24/04, juris). So liegt es im
Streitfall.
bb) Nach
§ 23a Abs. 2 UStG in der im Streitjahr (2002) geltenden
Fassung, kann der Unternehmer, dessen steuerpflichtiger Umsatz, mit
Ausnahme der Einfuhr, im vorangegangenen Kalenderjahr 30.678 EUR
überstiegen hat, den Durchschnittssatz nicht in Anspruch
nehmen.
Der
Gesetzgeber hat keine Regelung für
Unternehmungsgründungen innerhalb des laufenden Kalenderjahrs
getroffen. In diesen Fällen des Beginns einer
selbständigen gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit -
in denen nicht auf den Umsatz im vorangegangenen Kalenderjahr
zurückgegriffen werden kann - ist im ersten Kalenderjahr der
unternehmerischen Betätigung der voraussichtliche Umsatz
dieses Jahres maßgebend. Dies hat der BFH bereits für
die Anwendung der Kleinunternehmerregelung in § 19 UStG im
Fall des Beginns einer selbständigen gewerblichen oder
beruflichen Tätigkeit entschieden (vgl. BFH-Urteil in BFHE
118, 483, BStBl II 1976, 400 = SIS 76 02 11) und gilt auch für
§ 23a UStG, wie auch in der Literatur einhellig vertreten wird
(vgl. Stadie in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz,
§ 23a Rz. 9; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 229 Rz.
37; Radeisen in Vogel/Schwarz, UStG, § 23a Rz. 8;
Püschner in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 23a Rz.
21 i.V.m. § 23 Rz. 36; Waza in Offerhaus/Söhn/Lange,
Umsatzsteuer, § 23a Rz. 18; Lippross, Umsatzsteuer, 21. Aufl.
2005, S. 814; wohl auch Wagner in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer,
§ 23a Rz. 4).
Diese
Auslegung ist nach dem Sinn des § 23a UStG geboten. Die
Vorschrift soll - wie sich aus der Umsatzgrenze in § 23a Abs.
2 UStG ergibt - nur für kleinere gemeinnützige
Körperschaften gelten. Sie soll nach der
Gesetzesbegründung „für kleinere
gemeinnützige Körperschaften die Ermittlung der
abziehbaren Vorsteuerbeträge wesentlich
erleichter(n)“ (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung
vom 15.2.1989 zum „Gesetz zur Verbesserung und
Vereinfachung der Vereinsbesteuerung
(Vereinsförderungsgesetz)“, BTDrucks 11/4176, S. 13,
abgedruckt in UR 1990, 44, 45). Mit diesem Sinn des § 23a UStG
wäre es unvereinbar, wenn die Vorschrift im Fall der Aufnahme
der unternehmerischen Tätigkeit im ersten Kalenderjahr der
unternehmerischen Tätigkeit unabhängig von der in §
23a Abs. 2 UStG vorgesehenen Umsatzgrenze anwendbar
wäre.
Diese
Beschränkung des § 23a UStG auf Kleinunternehmen folgt
auch aus Art. 24 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG). Die Bestimmung sieht unter der Überschrift
„Sonderregelung für Kleinunternehmen“ vor,
dass Mitgliedstaaten, in denen die normale Besteuerung von
„Kleinunternehmen“ wegen deren Tätigkeit
oder Struktur auf Schwierigkeiten stoßen würde, unter
den von ihnen festgelegten Beschränkungen und Voraussetzungen
- vorbehaltlich der Konsultation nach Art. 29 der Richtlinie
77/388/EWG - vereinfachte Modalitäten für die Besteuerung
und Steuererhebung, insbesondere Pauschalregelungen, anwenden
dürfen, die jedoch nicht zu einer Steuerermäßigung
führen dürfen. Auf dieser Bestimmung beruht § 23a
UStG (vgl. Stadie, a.a.O., Rz. 6; Wagner, a.a.O., Rz. 1; Waza,
a.a.O., Rz. 11).
2. Aus den
vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass entgegen der Ansicht des
Klägers auch die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision
nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nicht
vorliegen.
Angesichts der Eindeutigkeit der Rechtslage
erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine
Entscheidung des BFH in dem vom Kläger angestrebten
Revisionsverfahren.